Von Peter Hossli
Am 4. Juli vor 232 Jahren riefen 13 amerikanische Kolonien ihre Unabhängigkeit von der englischen Krone aus. Zum Gedenken daran zitieren Politiker diesen Freitag aus der famosen Unabhängigkeitserklärung. Banken und Börsen bleiben geschlossen. Amerikaner fahren zum Strand, grillieren Würste, trinken Bier. Frei haben fast alle. Eine Firma hat Hochbetrieb. In rund 100 US-Städten zündet Fireworks by Grucci die Feuerwerke. «Wir bemalen den Himmel», sagt Firmensprecher Phil Butler. «Für uns ist der 4. Juli wie Weihnachten.»
Weltweit führender Hersteller
Rund 133 000 Tonnen Schwarzpulver gehen an diesem Tag in die Luft. Das meiste davon hat Grucci in Raketen und Knallkörper abgefüllt. Das Geschäft mit Sitz auf Long Island gilt als weltweit führender Feuerwerksfabrikant. Ein Familienbetrieb, der auf eine 130-jährige Geschichte blickt. «Wer irgendwo auf der Welt ein Feuerwerk von hohem künstlerischem Wert will, ruft uns an», sagt Butler. Knapp 100 Kilometer östlich von Manhattan beschäftigt das Unternehmen 140 Personen, «Feuerwerkskünstler», wie Butler sagt. Von Hand füllen sie Sprengkörper ab, die in 85 voneinander getrennten Eisentanks lagern. Verhindern soll das eine verheerende Kettenreaktion, wie sie zuletzt 1983 Fabrik und Lager vernichtete. Zwei Personen starben.
Feuerwerk für Bush-Nachfolger
Was Grucci in den Himmel steigen lässt, gilt als erstklassig. «Pilgern bei der Rockmusik die Fans von Konzert zu Konzert, folgen unsere Fans von Feuerwerk-Show zu Feuerwerk-Show», sagt Butler. Bei seinen drei Hochzeiten heuerte Immobilien-Tycoon Donald Trump die Feuerwerkskünstler aus Long Island an. Grucci zeuselt, wenn ein neuer Präsident ins Weisse Haus zieht. Seit der Amtseinsetzung von Ronald Reagan im Januar 1981 hat die New Yorker Firma alle vier Jahre am Himmel über Washington ein präsidiales Feuerwerk gezündet. Bereits plant Grucci das Feuerwerk für den Nachfolger von George W. Bush.
Kurz nach dem 4. Juli reist eine Grucci-Delegation nach China. Wenn im August die athletische Weltjugend an den Olympischen Spielen um Gold, Silber und Bronze wetteifert, sind Pyrotechniker aus Long Island dabei. Täglich zündet Grucci am Nachthimmel von Peking ein Feuerwerk, Eröffnungs- und Schlussfeiern eingeschlossen. Insgesamt 100 Spezialisten inszenieren das Spektakel. Es werde, sagt Butler, das grösste je inszenierte Feuerwerk werden. Zumindest bis im November, wenn Grucci einen Hotelkomplex mit dem «teuersten Feuerwerk der Geschichte» eröffnen wird, sagt Butler. Wie teuer, sagt er nicht. Die Privatfirma hält Zahlen geheim. Der Jahresumsatz liegt bei schätzungsweise 40 Millionen Dollar.
15 000 Dollar für 7 Minuten Show
Bekannt sind die Preise für herkömmliche Shows. Wer Gäste zwei Minuten lang von Grucci unterhalten will, zahlt dafür 5000 Dollar. Sieben Minuten Grucci-Spektakel gibt es für 15 000 Dollar. Die grösste und längste Show – insgesamt 26 Minuten – kostet 100 000 Dollar. Hinzu kommen Spesen für das Personal sowie Auslagen für die Platzmiete, die Versicherung und eine trockene Halle, in der die Sprengkörper lagern.
Aus Italien eingewandert
Gruccis Vorfahren gründeten 1853 eine erste Feuerwerksfirma im italienischen Bari an der Adria. Um 1870 wanderte die Familie in die USA aus. Sie liess sich auf Long Island nieder und fabrizierte – Feuerwerk. 1929 brannte die Fabrik ein erstes Mal nieder. Während der Depression verminderte die missliche Stimmung die Nachfrage merklich. Da während des Zweiten Weltkriegs nachts keine Lichter brennen durften, produzierte Grucci überhaupt kein Feuerwerk. Ein Auftrag der US Army rettet die Firma vor dem Kollaps. Statt Knallkörper stellte sie Übungsgranaten her. Der Aufschwung nach dem Krieg brachte die Blütezeit. Heute noch produziert Grucci für das Militär. Soldaten, die in den Irak-Krieg ziehen, üben mit Handgranaten, die Grucci aus Schwarzpulver herstellt.
Der Sprengstoff ist das pyrotechnische Grundmaterial. Die bunten Farben liefert ein Gemisch aus Benzin und Chemikalien. Strontium ergibt Rot, Kalzium Orange. Natrium produziert Gelb, Kupfer Blau und ein Barium-Gemisch Grün. Eisenstücke ergeben goldene Streifen, Aluminium-Splitter bespritzen den Himmel silbern.
Es sei kein Zufall, dass Grucci italienische Vorfahren habe, sagt Butler, der mit Firmenchefin Donna Grucci verheiratet ist: «Italiener haben Feuerwerk im Blut.» Zwar wurde Schwarzpulver einst in China entdeckt. Doch die Chinesen verwendeten es zur Kriegsführung und für spirituelle Zeremonien. «In Italien gab es die ersten unterhaltsamen Feuerwerk-Shows.»
Nicht dabei ist Grucci beim am 4. Juli prestigeträchtigsten Feuerwerk. Über dem East River zwischen Manhattan und Brooklyn schiesst die Warenhauskette Macy’s Raketen in die Luft. Millionen schauen zu. Es stört Butler nicht. «Macy’s verlangt, dass man sich um den Job bewirbt, Grucci bewirbt sich nie», sagt er. «Wir sind ausgebucht.»