Die Krux mit den Clintons

Barack Obama muss entscheiden, ob er Hillary Clinton den Posten als Vizepräsidentin anbietet. Gemeinsam könnten sie Geschichte schreiben. Oder untergehen.

Von Peter Hossli

obama_clinton.jpgAm Donnerstagabend bestieg Barack Obama eine gepanzerte schwarze Limousine, die ihn von Virginia zum Flughafen von Washington hätte bringen sollen. Mit dem Pressecorps würde der demokratische Präsidentschaftskandidat nach Chicago fliegen. Zwar kam das trotzige Gefährt beim Dulles Airport an. Doch Obama entstieg ihm nicht.

Er war seiner Entourage entwichen, um heimlich Hillary Clinton zu treffen. Eine Stunde redeten die beiden privat in der Stube von Senatorin Diane Feinstein. Sie tranken nur Wasser.

Sonst ist wenig bekannt über das tête-à-tête der Stars der demokratischen Partei. Klar ist: Clinton und Obama wogen die Aussicht ab, für die Präsidentschaftswahlen im November ein «dream ticket» zu bilden. Er als Kandidat für das höchste Amt im Land, sie als sein Vize.

Die Idee macht Sinn. Gemeinsam würden ein schwarzer Mann und eine weisse Frau Geschichte schreiben. Erringen sie den Wahlsieg, heben sie Amerika selbst für jene zum Land der unbegrenzten Möglichkeiten, die vom demokratischen Prozess lange ausgeschlossen blieben.

Clinton, die Obama am Samstag in einer Rede ihre volle Unterstützung zusagte, will den Vizeposten unbedingt. Es wäre für die 60-jährige Senatorin aus New York die letzte Chance auf einen Platz im Zentrum der Macht.

Für Obama liegen die Vorteile auf der Hand. Mit der Paarung könnte er 18 Millionen US-Wähler besänftigen, die in den Vorwahlen Clinton bevorzugt hatten. Das ist daher wichtig, weil in Umfragen viele Clinton-Anhänger angaben, sie würde ihre Stimme im Falle einer Kandidatur Obama Senator John McCain geben – oder gar nicht wählen. Sie ist populärer als er in so genannten Swing States, in den Wahl entscheidenden Staaten mit eher armer, ländlicher und weisser Bevölkerung. Unterliegt Obama Konkurrent McCain gemäss Umfragen in West Virginia, Florida und Ohio, würde Clinton dort gewinnen. Rein rechnerisch braucht Obama Siege in mindestens zwei dieser drei Staaten, um im November zu gewinnen. Clinton könnte im mittleren Westen, in Florida und in den Appalachen die nötige Anzahl Wähler mobilisieren, die Obama den Sprung ins Weisse Haus bescheren.

Bei einflussreichen Wähler-Segmenten – ältere Frauen, Arbeiter, Juden und Latinos – ist Clinton beliebter als Obama. Überdies scheint die zentristische Wirtschaftspolitik Clintons mehrheitsfähiger als die eher linken Positionen Obamas bei Budget-, Handels- und Steuerfragen. Mehr Wähler trauen ihr als ihm zu, das Land aus der drohenden Rezession zu ziehen.

Hierin liegt die Gefahr für Obama: Clinton könnte ihn in den Schatten stellen. In ihrer Gegenwart fühlt er sich unwohl. Stand er bei TV-Debatten neben ihr, wirkte er unsicher, ja schüchtern. Oft fehlen dem sonst eloquenten Redner in ihrem Beisein die passenden Worte. Wie derzeit Vizepräsident Dick Cheney, sagen Analysten, würde die machthungrige Hillary Clinton das traditionell einflussarme Vizepräsidentschaftsamt mit möglichst viel Macht ausfüllen wollen. Ein Obama-Clinton-Ticket widerspräche zudem dem angestrebten Generationenwechsel. Wie seit 1980 stets stünde erneut eine Person namens Bush oder Clinton zur Wahl.

Auf dem Spiel steht Obamas Ruf als selbstständiger Machthaber. Die Wahl des Stellvertreters gilt als erste und mitunter wichtigste Entscheidung eines Präsidentschaftskandidaten. Sie gilt als Test der Weitsicht und der Originalität. Beugt sich Obama dem Druck der Clintons und nominiert Hillary halbherzig, haftet an ihm der Ruf des Erpressbaren.

Zu Recht fürchtet Obama überdies die unvermeidbare Nähe zu Ex-Präsident Bill Clinton. Wiederholt fiel der Hillary-Gatte im Wahlkampf unangenehm auf. Verbal griff er die Presse an. Er widersprach Hillary in Reden. Einzelnen Aussagen war Rassismus zu entnehmen. Bill Clinton bangt, der Generationen und Ideale verbindende Obama erreiche, woran er scheiterte: Die USA ins 21. Jahrhundert zu führen. Hat Obama Erfolg, würde Clintons historische Bedeutung schwinden.

Bleibt der Bimbo-Faktor. Affären mit «mehreren Frauen» hätte Bill Clinton auf der Wahltournee gehabt, berichtet das angesehene US-Magazin «Vanity Fair» in der Juni-Ausgabe. Zu Wort kamen zwar nur anonyme Quellen. Der Artikel offenbarte aber das Restrisiko, das ein Pakt mit den Clintons birgt.