Der Outsider

Der demokratische Präsidentschaftskandidat Barack Obama hat auf traditionelle Netzwerke verzichtet – und gerade deshalb gute Chancen.

Von Peter Hossli

sonnenkoenig.jpgBarack Obama ist ein Mann ohne Beziehungen zur traditionellen Macht. Trotzdem wird er im November wohl zum mächtigsten Mann der Welt gewählt werden und Geschichte schreiben als erster schwarzer Präsident der USA. Besser als jeder andere Politiker versteht der 46-jährige Senator aus Illinois wie heute wirkungsvolle Geflechte entstehen. Geknüpft werden sie nicht mehr in verrauchten Hinterzimmern, sondern online mittels sozialen Netzwerken. Nicht der charismatische Kandidat, seine ausgeklügelte Website MyBarackObama.com bildet den Kern der als richtungweisend geltenden Kampagne. Online treffen sich Millionen von Gleichgesinnten. Sie tauschen Informationen aus, kündigen Veranstaltungen an, sie chatten, sie verlinken, sie offerieren freiwillige Dienste. Vor allem aber spenden sie hier das nötige Kapital für Obamas Wahlkampf – bisher fast 200 Millionen Dollar mehrheitlich kleiner Spenden. Hetzten Konkurrenten von einer Geldsammel-Party zur anderen, trieb er allein im Februar 55 Millionen Dollar ein, ohne einen einzigen Fundraiser zu besuchen.

Noch glänzt die Hülle, nicht der Inhalt. Der in Hawaii und Indonesien aufgewachsene Sohn einer US-Anthropologin und eines kenianischen Ökonomen verspricht erst etwas: Veränderung.

Seine Mitstreiter

Obama möchte Washington ändern und vom Joch der Lobbyisten befreien. Zudem setzt er auf eine ölunabhängigere Energiepolitik. Es sind Ansinnen, die New Yorks unabhängiger Bürgermeister Michael Bloomberg teilt. Seit einem gemeinsamen Frühstück in New York tauschen sie regelmässig Ideen aus. Edward Kennedy gilt als politischer Ziehvater. Der Senator aus Massachusetts sieht in Obama den legitimen Erben seines ermordeten Bruders John. Financier und Philanthrop George Soros ist angetan von seiner Absicht, die USA zu öffnen. Soros öffnet ihm Kontakte zur Hochfinanz. Als Architekten des glänzenden Wahlkampfes gelten zwei Politberater und Freunde aus Obamas Wahlheimat Chicago: David Axelrod und David Plouffe. Der 38-jährige Ökonomieprofessor und Zentrist Austan Goolsbee von der University of Chicago liefert ihm wirtschaftspolitische Ideen. Goolsbee drängt darauf, wie in den neunziger Jahren das Defizit im Staatshaushalt zu mindern. Zum Wirtschafteam zählt auch Jeffrey Liebman von der Harvard University. Nachdem Samantha Power Hillary Clinton als «Monster» verunglimpfte, trat die Harvard-Professorin und Pulitzerpreis-Trägerin als aussenpolitische Beraterin zurück. Ein Platz in seinem Kabinett ist ihr aber sicher.

Seine Widersacher

Die beiden Radio-Talker Rush Limbaugh und Sean Hannity – Lautsprecher des konservativen Amerikas – prangen ihn als ultraliberalen Politiker an, der Staatsquote und Steuern erhöhen wird und der Wirtschaft gegenüber feindlich gesinnt ist. Letzten Februar kritisierte Obama ExxonMobil und den CEO des Ölkonzerns, Rex Tillerson, für «exzessive Gewinne». Zu Recht bangt die Ölbranche, Obama würde erneuerbare Energiequellen fördern. Robert Portman, einst US-Handelsminister und möglicher Vizepräsidentschaftskandidat von John McCain, bezeichnete ihn an einem Abendessen in New York unlängst als «handelsfeindlich». Noch hofft Vorwahl-Gegnerin Hillary Clinton auf das Amt der Vizepräsidentin. Ihr Gatte Bill fürchtet hingegen, der vife Obama könnte seine historische Bedeutung schmälern.

Sein Wirtschaftsdraht

Die Risikokapitalisten Mark Gorenberg und Steve Spinner sammeln für ihn im Silicon Valley und online Geld. Seit der Musikproduzent David Geffen den Clintons die Freundschaft aufgekündet und Obama in dessen Villa in Malibu hofiert hat, steht der liberale Teil der Unterhaltungsbranche hinter ihm. Im November 2005 lud der reichste Mann der Welt Obama in seine Stube nach Nebraska. «Du bist der begehrteste Mann der Welt», grüsste ihn Investor Warren Buffett. Zu seinen Freunden zählen Chris Hughes, Mitbegründer von Facebook, der Internet-Browser-Erfinder Marc Andreessen und der Chef des Hedge Funds Citadel Investment, Kenneth Griffin. Letzte Woche nannte ihn Medienzar und «Wall Street Journal»-Besitzer Rupert Murdoch «einen Rockstar» und prognostizierte seinen Wahlsieg. «Ich will ihn unbedingt treffen», so Murdoch.

Sein Privatleben

Gattin Michelle und er absolvierten die Harvard Law School. Beim ersten Rendez-vous sahen sie Spike Lees Film «Do the Right Thing». Im Jahr 2000 betrug das Familieneinkommen 240’000 Dollar. Letztes Jahr verdienten sie 4,2 Millionen Dollar, hauptsächlich mit Tantiemen aus Obamas Büchern. Mit den beiden Töchtern Malia, 9, und Sasha, 6, bewohnen sie ein Haus in Kenwood südlich von Chicago. Michelle brachte den nicht religiösen Barack zur evangelikalen United Church of Christ. Deren umstrittener Pastor Jeramiah Wright ehelichte das Paar und taufte die Kinder. Obamas Eltern trennten sich als er zwei Jahre alt war.

Seine Hobbys

Pokerfreunde beschreiben ihn als «vorsichtigen», «konzentrierten» und «fiskalisch konservativen» Gambler. Mit Bier und Zigaretten zockte er mit Mitgliedern des Senats von Illinois, insbesondere mit dem Demokraten Terry Link und dem Republikaner Bill Brady. Seine Frau stimmte der Präsidentschaftskandidatur erst zu, nachdem er die Zigaretten mit Nicorette-Kaugummi ersetzte. Er ist ein leidenschaftlicher Basketballspieler. Während der Kampagne wirft er mit dem persönlichen Assistenten Reggi Love Körbe. Chicagos Bürgermeister Richard Daley hofft, dass Obama mit Basketball-Legende und Freund Michael Jordan die olympischen Spiele in die Windy City bringt.