Von Peter Hossli (Text) und Charly Kurz (Fotos)
Mit gestrenger Miene sitzt Patti Hunt an der Spitze des ovalen Küchentischs. Kundig beschreibt die Mutter die Lichtführung eines Rembrandt-Gemäldes. Aufmerksam hören Kayla, 10, und Lucy, 9, zu. Patti greift nach einer Bibel und sucht die Stelle, die der holländische Renaissance-Meister auf Leinwand gebannt hat. Langsam liest sie den Gospel vor, die Töchter schreiben mit. «Mama, ich will einen Keks», ruft Raymond plötzlich. Der vierjährige Knabe zeichnete bisher wortlos. «Bald essen wir zu Mittag», wiegelt die Mutter ab. Trotzig wirft der Bub die Kreide zu Boden und beginnt zu schreien. An Unterricht ist nun nicht mehr zu denken.
Die Szene ist typisch im Hunt-Haus. Wie bei rund zwei Millionen US-Familien lernen die Kinder daheim. Sie leben in Littlestown, im US-Staat Pennsylvania. Die Mutter, eine 38-jährige ehemalige Lehrerin, schult sie. Sie hat den Lehrplan erstellt. Die Geschwister bilden die Klasse. Die Küche dient als Schulzimmer. Keine andere Bildungsform gewinnt in den USA derzeit mehr an Beliebtheit. Um jährlich fünfzehn Prozent steigt die Anzahl zu Hause geschulter Kinder. Fallen Lerntrends oft auf spezifische Gruppen, führen viele Gründe zu Hausunterricht. Linke wie Rechte tun es, Liberale wie Konservative. Religiöse wollen den Kindern Gott nahebringen. Viele bemängeln die Qualität der Schulen. Mütter Hochbegabter oder von Kinderstars lehren ebenfalls zu Hause. Patti Hunt möchte den Sexualunterricht in den eigenen vier Wänden abhalten. Vor allem aber will sie die «bestmögliche Ausbildung für die Kinder », sagt sie. Besser als jede Lehrkraft kenne sie deren Bedürfnisse.
Wer sich für ein Thema interessiert, lernt einfacher
An der Wand hängen Karten mit den Umrissen von Pennsylvania und den USA, dazu ein Dutzend fotokopierter Gemälde von Rembrandt. Auf dem Gestell stapeln sich Mathematik- und Biologiebücher. «Meine Kinder lernen zu Hause mehr, als sie in der Schule lernen würden», sagt Hunt. Sie hat ihr blondes Haar zu einem Zopf geknotet. Statt stur dem staatlichen Curriculum zu folgen, lehrt sie, was die Töchter wissen wollen. «Wer an einem Thema interessiert ist, lernt es», sagt sie. Hingegen büffle man an Schulen oft nur auf Prüfungen. «Ist der Test vorbei, ist das Wissen weg.»
Studien geben ihr Recht. Erwachsene Amerikaner, die ihre Bildung zu Hause erfahren haben, lesen öfter, schauen weniger fern, sind aktiver am politischen und gesellschaftlichen Leben beteiligt als der Durchschnitt, ermittelte Brian Ray, ein Soziologe der Oregon State University. Sie gehen ebenso häufig ans College und haben keinerlei Probleme, eine Stelle zu finden, sagt Ray. Bei Prüfungen schneiden sie zwischen 15 und 30 Prozent besser ab, wobei der Bildungsgrad der Eltern keine Rolle spielt. Wer zu Hause lernt, stellte Ray fest, hat oft weniger soziale, psychische oder emotionale Probleme. Aktiv rekrutieren deshalb viele US-Universitäten zu Hause geschulte Jugendliche.
Just betritt der Vater die Küche. Brian Hunt, 41, ist eben aufgestanden. Für die Feuerwehr von Baltimore steuert der kräftige Mann Einsatzwagen. Nach der 24-Stunden-Schicht hat er drei Tage frei. Am Nachmittag nimmt er seine Töchter im eigenen Lastwagen mit und erledigt Transporte. Beide können den Laster selber lenken. Homeschooler lernen neben dem Abc oft den Beruf der Eltern, «wie eine Lehre nebenbei», sagt er.
Tochter Kayla mag Hausunterricht, «weil es weniger lange dauert als die Schule». Zwei bis drei Stunden täglich sitzen die Mädchen konzentriert am Tisch, sechs Stunden müssten sie die staatliche Schulbank drücken. Fehlt die Lust zum Lernen, bleiben die Bücher geschlossen. Kinder im Alter von 8 bis 17 Jahren müssen in Pennsylvania unterrichtet werden. Pflicht sind 180 Schultage pro Jahr. Einmal jährlich werden zu Hause Geschulte von einer amtlichen Lehrkraft geprüft.
Kritiker werfen ein, Homeschooler seien sozial isoliert. «Darum sorge ich mich nicht », sagt Hunt. Kayla, die einst Weltallforscherin werden will, trägt im Karate einen schwarzen Gürtel. Lucy nimmt Tanzstunden. Alle zwei Wochen trifft sich der Hausunterricht-Verbund der 4000 Einwohner zählenden Stadt Littlestown – siebzig Familien mit 250 Kindern kommen dann zusammen. «Wir spielen mit Kindern, die wir mögen», sagt Kayla, «nicht mit solchen, mit denen uns der Schulvorstand in ein Zimmer sperrt.» Eine «künstliche Sache» nennt die Mutter die Institution Schule. Nirgends sonst kämen nur Gleichaltrige zusammen. Doch lernt man nicht von Gleichaltrigen? «Was denn?», wirft der Vater ein, «Drogen, Sex, Gewalt, davor will ich meine Kinder schützen.»
Ohne Nachteile sei der Heimunterricht nicht. «Wir sind ständig pleite», sagt er. Mit nur einem Einkommen und drei hungrigen Kindern sei der Alltag finanziell kaum zu bewältigen. Doch der Vorteil einer besseren Ausbildung wiege diesen Engpass auf.
Jessica bestimmt, was sie lernen will
Es regnet in Strömen. Das ausgefranste blonde Haar klebt an der Stirn von Jessica Kjellberg. Über die Wangen rinnt Wasser. Selbstsicher steht sie auf einem Pier am Hudson River in Manhattan. Sie hält zwei knapp 50 Zentimeter lange Rohre aus Bambus in den Händen. Gezielt drischt sie auf die Stangen ein, mit denen ihr Sparringpartner auf sie schlägt. Die Kälte treibt sie an. «Wir trainieren bei jedem Wetter », sagt Jessica. «Wenn Du ums Überleben kämpfst, kannst Du das Wetter nicht wählen.»
Kampfkunst steht auf dem Lehrplan der 16-jährigen New Yorkerin. Täglich trainiert sie mindestens eine Stunde. Nicht ein Lehrer hat das festgelegt – Jessica bestimmt, was sie wann lernen möchte. «Ich lerne immer nur, was mich gerade interessiert », sagt sie beim Gespräch in einem Café. Seit der dritten Klasse war sie nicht mehr in der Schule. «Es war mir zu laut, es hatte zu viele Leute, ich war unglücklich, die Lehrer taten nichts anderes, als Chaos zu bändigen.» Sie wollte sich vertiefen, die Lehrer dagegen streiften den Stoff nur.
Jessica und ihre Zwillingsschwester Caroline galten als schwierig. Ihre Eltern nahmen sie aus der Schule. «Meine Töchter waren unabhängige Kinder, im Klassenzimmer mussten sie alles immer in der Gruppe erledigen», sagt Mutter Penny Kjellberg, eine 53-jährige Unternehmerin. Ihr Mann ist Anwalt, die Familie lebt in Manhattan. Anfänglich lehrte die Mutter zu Hause, mit Hilfe eines online bestellten Curriculums. Der Erfolg blieb vorerst aus. «Es war, als ob wir die Schule nur nachahmten», sagt sie. Die Familie entdeckte das Buch «Discover Your Child’s Learning Style». Darin propagiert Autorin Victoria Hudson, Kinder lernten am meisten, wenn sie entscheiden, was sie wann lernen möchten. Die Kjellbergs heuerten Tutoren an für Mathematik – und überliessen den Rest den beiden damals elfjährigen Mädchen.
Ein Thema nicht nur lernen, sondern erleben
Am Anfang des Schuljahrs setzt sich die Mutter mit den Töchtern hin und legt grob die Lernziele fest. Dann sind die Kinder auf sich alleine gestellt. «Je weniger ich sage, desto mehr lernen sie», sagt Mutter Kjellberg. «Sie machen alles freiwillig.» Mit Erfolg, belegen die Standardtests, die beide stets mit Glanzresultaten ablegen. Zum Schwänzen verleitet die Freiheit nicht. «Meine Zeit ist mein Leben, das will ich nicht vergeuden», sagt Jessica, «was ich tue, macht Spass.» Letzten Sommer etwa erfuhr sie von einem Falkner, der in Manhattan im Central Park mit Greifvögeln arbeitet. Sie beobachtete und fütterte die Tiere. Ihr Interesse wuchs. Sie reiste aufs Land und verbrachte eine Woche im Wald. «Packt mich ein Thema, lese ich nicht nur darüber, ich lebe es, ich war eine Falknerin.» Sie nimmt Singstunden. Ihr Kampfkunst-Lehrer ist ein klassisch geschulter Schauspieler, der ihr Leselisten erstellt. Naturwissenschaftliche Kurse besucht sie am Museum for Natural History. Will sie den Urknall studieren, geht sie ins Planetarium. «New York ist voller Wissen, ich kann es einfach aufsaugen.» Zu Hause ist sie selten, stattdessen streift sie wissbegierig durch die Strassen.
«Das reale Leben stählt Dich fürs reale Leben», sagt Jessica. Ihre Eloquenz ist bestechend. Was sie sagt, scheint durchdacht. «In der Schule ist erfolgreich, wer Antworten gibt, welche die Lehrer erwarten, in der realen Welt muss man eigene Schlüsse ziehen.» Ihre Mutter sieht sie nicht als Lehrerin. «Sie ermöglicht mir das Lernen.» Zumal sie ihr zutraut, richtige Entscheide zu fällen. Vorschriften hat sie wenige. Sie muss öfters anrufen und zeitig zu Hause sein. Sonst kann sie tun, was sie will. «Meine Eltern wissen, dass ich die Freiheit nicht missbrauche», sagt sie. «Warum sollte ich?» Sie sagt nein zu Drogen. «Der Druck an Schulen ist hoch», sagt sie. «Um menschlich zu werden, drehen viele durch; ich habe keine Regeln, also muss ich sie nicht brechen.»
Häusliche Schulkammer mit drei Pulten
Die enge Landstrasse schlängelt sich entlang sanfter Hügel an der Grenze zwischen Connecticut und New York. Schnee liegt auf den Dächern der aus Holz gezimmerten Häuser. Die Tür des Hauses der Familie Reale führt direkt ins Wohnzimmer. Natürliches Licht dringt kaum in den Raum. Ein rosarotes abgewetztes Sofa, ein Computer und ein riesiger Fernseher bestimmen das Innere. Gleich nebenan wärmt ein Holzofen eine kleine Kammer. Sie ist bestückt mit drei Pulten. An der Wand hängen ein Periodensystem der chemischen Elemente, eine Skizze eines elektrischen Kreislaufs und eine Übersicht über die Handzeichen der Gebärdensprache.
Hier, im häuslichen Klassenzimmer, schult Elizabeth Reale, 41, fünf Kinder. Sie führt sie in die Biologie von Fröschen ein und klärt sie auf über die Geschichte der Siedler im 19. Jahrhundert. Sie bringt ein Heft zu Giuseppe, einen hageren siebenjährigern Knaben. Sachte kritzelt er 4 + 2 = 6 auf eine leere Seite. «Sammy, wenn wir zwei Kuchen durch sieben Leute teilen, wie viele Stücke kriegt jeder ?», fragt sie ihren 9-jährigen Sohn, der in der hinteren der zwei Reihen sitzt. Sammy denkt nach. Gleich daneben versucht Nellie, 11, den Umfang eines Kreises zu berechnen. Hat ein Kind eine Frage, eilt die Mutter herbei und hilft. Sind die Aufgaben gelöst, fährt sie fort. «Wir sind zielorientiert», sagt die Mutter.
Sie unterrichtet zu Hause, «weil ich meine Kinder vor den Gefahren der Schule schützen will», sagt sie. Ihre älteste Tochter, die heute 18-jährige Bridgette, ging in den Kindergarten und die erste Klasse. Damals stieg die Zahl der Schiessereien auf Schulhöfen rapide an. Reale nahm Bridgette nach Hause und schulte sie bis zum High-School-Abschluss. «Alle sagen, es gebe keine Waffen an ihrer Schule, aber das haben schon Eltern gesagt, deren Kinder erschossen wurden.»
Frühmorgens fährt Reale ihre älteste Tochter in die benachbarte Stadt zur Arbeit. Dann stellt sie den drei jüngsten Rechenaufgaben oder sie lässt sie etwas lesen. Sie wendet sich Maggie zu, der 14-jährigen Tochter, die Zoologie studieren möchte. Gemeinsam büffeln sie Latein-Vokabeln. Selten dauert der Schultag länger als drei Stunden, «was völlig reicht, das Pensum zu bewältigen», sagt Reale. Da sie die Kinder beinahe eins zu eins betreut, «behandle ich den Stoff effizienter als in einem Klassenzimmer mit dreissig unterschiedlich begabten Schülern».
Die Kinder stimmen zu. Bridgette, die Älteste, mag Heimunterricht, «weil wir deshalb unseren Eltern nahestehen; wer in die Schule geht, kennt Vater und Mutter kaum». Giuseppe «macht es Spass», wenn Mama unterrichtet. Maggie ist froh, «keinen fixen Stundenplan zu haben». Nellie möchte «immer in der Nähe von Sammy sein», sagt sie. Ihr Bruder Sammy ist behindert. Wie viele Mütter kranker Kinder zieht Reale es vor, ihn selbst zu schulen. «Ich kann ihm mehr abgewinnen als eine Lehrerin, ich weiss, was er braucht», sagt sie. Sass er im Kindergarten noch stumm in der Ecke, spricht Sammy nun fliessend und nimmt selbstbewusst am Unterricht teil.
Nach der High School arbeitete Reale in einer Bar und als Gehilfin eines Zahnarztes. Mit 23 gebar sie das erste Kind. «Das Lehren kam natürlich», sagt sie. Anfänglich hätte sie Lehrpläne und Schulbücher gekauft. Sie schickte Hausaufgaben zum Korrigieren ein, «um sicher zu gehen, dass die Kinder etwas lernen». Mittlerweile lässt sie sich nicht mehr dreinreden. Den Lehrplan passt sie den Berufszielen der Kinder an. Für den Biologie-Unterricht von Maggie bestellt sie schon mal eine tote Ratte, die sie gemeinsam sezieren. Da Bridgette eine Bäckerei führen will, integriert sie Buchhaltung ins Rechnen. An der Küchenwand kleben massstabsgetreu die Planeten des Sonnensystems – Giuseppe will Astronom werden und auf dem Ring des Saturns spazieren. Statt in der Turnhalle Bällen nachzueilen, steigen sie öfters auf den nahe gelegenen Hügel. «Ich bereite meine Kinder nicht aufs College, sondern aufs Leben vor », sagt Reale.
Jährlich gibt sie 200 Dollar aus für Bücher, Stifte und Hefte. Ein Klacks angesichts der 30 000 Dollar, die Privatschulen im Jahr kosten. Da die Kinder nicht täglich in neuen Kleidern zur Schule gehen müssen, ist der Hausunterricht günstiger als die Staatsschule. «Manchmal sind wir den ganzen Tag im Pyjama», sagt Reale, die sich als konservativ bezeichnet. Sie zieht Ronald Reagan als Präsident Bill Clinton vor. Die schulischen Ideen von Hillary Clinton – Kinderhorte für alle – sind ihr zu links. Abschaffen will sie das staatliche Schulsystem aber nicht. «Es gibt viele Leute, die nicht Hausunterricht machen können, es braucht sehr viel Hingabe und Geduld, und man muss Kinder mögen.»
Gemeinsam lernen ohne Altersschranken
Es ist fünf nach zwölf, erst zwei Kinder sitzen auf den farbigen Stühlen in der Bibliothek von North White Plains. «Homeschoolers kommen immer zu spät », sagt Christina Payne. Sie lacht und weiss, dass an ihrem Witz viel wahr ist. Payne hält in der hell erleuchteten Bücherei einen Erzählkurs ab. Damit, wie sie sagt, «Kinder lernen, öffentlich zu reden». Den Kurs erteilt sie kostenlos. Im Gegenzug schickt sie ihre Kinder zu Eltern, die unentgeltliche Stunden in Mathematik oder Naturwissenschaften anbieten.
Gemächlich treffen sie nun ein, insgesamt fünf Familien und ein Dutzend Kinder. Knaben sitzen neben Mädchen, die älteste ist 14, der jüngste erst 5. Es sind Kinder, die in Westchester County – einem wohlhabenden liberalen Vorort von New York – zu Hause in die Schule gehen. Im Chor wärmen sie die Stimmbänder, mit Versen bringen sie Mundwinkel und Zungen in Fahrt.
Payne reicht ein Buch herum, aus dem alle ein paar Zeilen vorlesen. Den Älteren gelingt es etwas besser als den Jüngeren. Verspricht sich ein Kleiner, hilft die Grosse. «Bei uns gibt es keine Altersgrenzen», sagt Lucy Albert, ein keckes 14-jähriges Mädchen mit langem braunem Haar und Zahnspange. «Knaben lernen mit Mädchen, Kinder mit Teenagern.»
Sie ist die Älteste von vier Kindern, drei Mädchen und einem Knaben. Ihre Mutter Erynn Albert schult Lucy, Mary, 11, John, 9, und Jane, 6, zu Hause, «und vor allem unterwegs», wie sie sagt. Morgens pauken sie Rechnen und Schreiben, nachmittags fährt die Mutter im Minivan nach Manhattan – zur Theaterprobe, zum Geigenunterricht, in die Musikstunde, ins Museum. Drei sind Teil des Kinder- Ensembles der Lincoln Oper.
Eine Schule haben sie alle nie besucht. «Irre» seien ihre leistungsorientierten Freunde in New York geworden, als es darum ging, die Kinder einzuschulen, sagt Albert. Schon im Vorschulalter hatten die Kleinen strenge Prüfungen für gute Schulen absolviert. Enorme Summen gaben Eltern für Privatlehrer aus, damit die Kinder die Tests bestanden. «Diesem Stress wollte ich weder mich noch meine Kinder aussetzen», sagt die Mutter. Sie gab den Job als Lehrerin für Lernbehinderte auf und begann, die eigenen Kinder zu schulen. «Das erschien mir natürlicher, als sie zur Schule zu senden.»
Ihrem Mann sei sie sehr dankbar, dass sie so viel Zeit mit den Kindern verbringen könne. Ihr Gatte ist Künstler und handelt mit Fruchtsäften. Sie würde die Kinder nie zur Schule schicken und arbeiten wollen, sagt Albert, 39. «Ich würde sie vermissen.» Sie beschreibt sich als progressiv und liberal. Gleichwohl will sie ihre Kinder von negativen Einflüssen der Populärkultur schützen. «Wir wählen, auf was wir uns einlassen.» So gefällt es ihr, dass ihre Kinder anziehen, worauf sie Lust haben, und nicht, was die Clique ihnen vorschreibt. Lucy, die Regisseurin werden möchte, ist froh, keiner festen Gruppe anzugehören und keinen Trends folgen zu müssen. «Wir denken nicht ständig an iPods, Mode oder die neusten Mobiltelefone», sagt die 14-Jährige. Schulhof-Slang kennt sie nicht. «Ich spreche Englisch», sagt sie.
Als «Homeschooler» einen Schülerwettbewerb gewonnen
Zu Beginn des Schuljahres teilt die Mutter der Schulpflege jeweils schriftlich mit, sie unterrichte die Kinder. Sie schickt einen Lehrplan ein und legt alle drei Monate Bericht ab. Wie detailliert sie das tun muss, sagt ihr niemand. Frei ist sie bei der Wahl des akademischen Stoffs, solange sie Mathematik, Sprachen, Wissenschaft und Geschichte behandelt. Niemand schreibt ihr vor, wie sie das machen soll. So gilt eine Reise nach Gettysburg als Geschichtsprojekt über Abraham Lincoln und den Sezessionskrieg.
Problemlos sei das Leben der Hauslehrerin jedoch nicht, gibt Albert zu. Ständig hätte sie Angst, ihre Kinder lernten zu wenig. Vor allem dann, wenn sie hört, wie lange andere in der Schule sitzen und wie viel Hausaufgaben sie erledigen. Erleichtert war sie, als ihre Kleinen unlängst mit einer Gruppe von Homeschoolers die «Odyssey of the Mind» gewinnen konnten, einen Wettbewerb für Schüler, der die Kreativität testet.
«Grosse Befriedigung» spürt die Mutter und Lehrerin, wenn sie ihre Kinder auf der Bühne sieht. Es ist abends um halb sieben, ein langer Tag mit Museumsbesuchen und Musikkursen neigt sich dem Ende zu. In einem eierschalenfarbenen, hohen Raum an der School for Strings in Manhattan sitzen fünf Kinder im Halbkreis vor einem Lehrer. Zwischen den Beinen eingeklemmt haben alle ein Cello. «Wer möchte Solo spielen?», fragt der Lehrer. Mary Albert streckt den Cellobogen in die Höhe. Virtuos legt die 11-Jährige Bachs Menuett Nr. 3 hin. Hernach verneigt sie sich höflich. Und die Mutter applaudiert.
Die Lösung für alle Kinder ist Unterricht zu hause bestimmt nicht. Trotzdem finde ich, dass es auch in Europa erlaubt sein sollte. Ich hätte mich gefreut so eine möglichkeit zu haben. Schule war für mich immer quälerei, obwohl ich eigentlich spaß am lernen hatte. hätte ich die möglichkeit gehabt mir den stoff selbst bei zu bringen und für fächer in denen ich schwächer war vielleicht einen nachhilfelehrer gehabt, ich glaube ich hätte zeugnisse voller einsen gehabt. die gefahr die ich bei soetwas sehe, ist dass die kinder die zu hause unterrichtet werden zu wenig kontakt zum echten leben haben. deswegen ist unterricht nur zu hause auch keine gute lösung. aber mal ein jahr pause von der schule einzulegen und zu hause selbstständig zu lernen finde ich wäre für manche kinder optimal.
@Gina
Du schreibst, “die gefahr die ich bei soetwas sehe, ist dass die kinder die zu hause unterrichtet werden zu wenig kontakt zum echten leben haben.” Diese Gefahr sehe ich beim Lesen des Artikels nicht. Ganz im Gegenteil. Was ist denn das “echte Leben”? Die Kunstwelt Schule ist es meiner Meinung nach nicht. Das echte Leben findet außerhalb des Schulgebäudes statt.
“die gefahr die ich bei soetwas sehe, ist dass die kinder die zu hause unterrichtet werden zu wenig kontakt zum echten leben haben.”
das echte Leben? Meinst du den Druck der Clique, das Stillsitzen und sich Themen anhören müssen, die einen nicht interessieren? Meinst du, sich immer als Außenseiter fühlen zu müssen, weil man z.B. kein Ass im Weitsprung ist oder weil man nicht raucht, so wie die “Coolen” oder die erniedrigenden Sprüche, weil man sich die teuren Markenkleider nicht leisten kann?
Ich war eine gute Schülerin, immer bei den besten dabei. Ich lernte abends vor der Klausur und vergaß danach alles wieder. Ich habe wenig bis garnichts aus der Schule mitgenommen. Heutzutage lerne ich, nur noch Dinge, die mich interessieren und das mit großem Erfolg.