Von Peter Hossli
Rechts neben der Theke im engen Laden in Brooklyn steht eine Kartonkiste. «Please recycle», heisst es handgeschrieben auf einem Schild. Darauf gezeichnet sind die Umrisse eines drahtigen Kleiderbügels. Täglich 500 Stück behängt die chemische Reinigung im Familienbesitz mit Hemden, Blusen und Anzügen. «Wir sind froh um jeden Bügel, den Kunden zurück bringen», sagt die elegant frisierte koreanische Besitzerin. «Wer uns Bügel bringt, kriegt einen Reinigungs-Rabatt.»
Der Drahtbügel – ein an sich banales Alltagsprodukt ist in Amerika rar und teuer geworden. Um happige sechzig Prozent stiegen die Bügelpreise seit Mitte März. Der Grund: Das US-Handelsministerium verlangt für den Import chinesischer Drahtbügel neuerdings einen Zoll zwischen 34 und 221 Prozent. Einhalt gebieten will die Behörde dem vermeintlich aggressiven Dumping chinesischer Fabrikanten. «Das ist ein grosser Sieg für die amerikanische Industrie und für Produkte Made in USA», sagt Milton Magnus, Chef der Kleiderbügelfabrik M & B Hangers in Leeds im amerikanischen Bundesstaat Alabama. «Dank diesen Zöllen überlebt unsere Branche.»
Seit sechs Jahren bekämpft Magnus chinesische Drahtbügel. 2002 reichte er zusammen mit fünf anderen US-Herstellern eine Klage wegen Preisdumping ein beim Handelsministerium. «Wir bezahlten mehr für das Rohmaterial als ein fertiger Kleiderbügel aus China kostete», sagt Magnus. «Die Chinesen betrieben illegales Dumping.» Das Ministerium hiess die Klage damals gut und schlug einen Zoll zwischen 30 und 50 Prozent auf den Import der Billigware aus Fernost.
Von kurzer Dauer war die Freude der Fabrikherren. 2003 legte Präsident George W. Bush – ein Advokat des freien Handels – sein Veto gegen den Bügelzoll ein. US-Fabrikanten würden nach wie vor 85 Prozent des Marktes halten, argumentierte der Präsident damals. Kurz darauf schlossen fünf amerikanische Kleiderbügelfabriken ihre Tore. «Bush war Schuld», sagt Magnus.
Nur noch seine M & B Hangers hielt in den USA die Produktion aufrecht. Profitabel liessen sich dünne Drähte jedoch nicht mehr zu Bügeln drehen. «Gegen die Chinesen konnten wir nicht bestehen», sagt Magnus. Zumal chinesische Kleiderbügel die USA regelrecht überschwemmten. Stammten 2002 knapp 540 Millionen Stück aus China, waren es 2005 bereits eine Milliarde zu einem Preis von 3 Cents pro Bügel. Bis 2007 stieg das Volumen nochmals rasant an auf 2,6 Milliarden Stück. Der Handelswert betrug 68,5 Millionen Dollar. Der Importpreis sank auf durchschnittlich 2,5 Cents. Ein in den USA hergestelltes Exemplar kostete im Schnitt 6 Cents.
Milton Magnus reichte erneut Klage ein. Mitte März urteilte das Handelsministerium in seinem Sinn. Künftig muss etwa die Shanghai Wells Company 34 Prozent Einfuhrzoll entrichten. Auf die noch günstiger produzierende die Shaoxing Manufactured Company entfällt ein Zuschlag von 165 Prozent.
Präsident Bush hält sich vorerst aus dem Kleiderbügel-Streit heraus. Prompt schnellten die Preise in die Höhe. Zur Freude von Bügelkönig Magnus. «Wir sind wieder wettbewerbsfähig», sagt er. Innert zweier Monate verdoppelte M & B Hangers den Personalbestand auf neu hundert Angestellte. Zwei Million Bügel drehen sie täglich aus dünnem und verzinktem Kohlstoffstahl, doppelt so viele wie vor Jahresfrist. «Wir werden noch mehr Leute einstellen», sagt Magnus. «Das Geschäft läuft glänzend, dank guten Preisen.»
Zum Verdruss der etwa 30000 chemischen Reinigungen Amerikas, meist Familienbetriebe, die insgesamt 200000 Leute beschäftigen. Sie bezahlen bereits über 9 Cents pro Bügel. In den nächsten drei Wochen erwarten sie einen weiteren Anstieg um 40 Prozent. Mehrkosten von jährlich 4000 Doller entstehen im Schnitt pro Geschäft. Dabei drücken bereits höhere Energiepreise auf die Gewinnmarge.
Viele chemische Reinigungen ermutigen deshalb ihre Kunden, die Drahtbügel zu recylieren. «Es besteht ein akuter Engpass bei Kleiderbügeln», sagt Mary Scalco, Sprecherin des Drycleaning and Laundry Institutes, dem Branchenverband der chemischen Reinigungen Amerikas. Als Grund für die Notlage nennt sie den weltweit angeschwollenen Stahlpreis. Überdies müssen die Importeure die Zölle am Frachthafen von Long Beach bei Los Angeles in Bar entrichten. Da oft gleichzeitig etliche Container mit Drahtbügeln beladen ankommen, bekunden viele Firmen Liquiditätsprobleme. Just bleibt die Ware wochenlang am Hafen stehen.
In die Bresche springen amerikanische Hersteller. Zwei nach dem Bush-Veto geschlossene Fabriken nehmen die Produktion in Wisconsin und Kalifornien wieder auf. Zudem drängen Anbieter aus Polen, Indien und Mexiko in den lukrativen US-Markt – Kleiderbügel aus diesen drei Ländern erfolgen vorerst noch zollfrei. Bald soll ein neu entwickelter Hänger aus Karton den Notstand lindern. Die Kehrseite: Steigt das Bügelangebot derart rasant, fallen die Preise wieder.