Cowboy-Methoden

Die Schweizer Botschaft in Washington ist empört über die Verhaftung eines Schweizer Bankiers in Miami.

Von Peter Hossli

Es war Ende April am Flughafen von Miami. Martin Liechti, Privatbanker der UBS, hatte wahrscheinlich eben das Flugzeug verlassen und sich in die Reihe gestellt, um in die USA einzureisen. Nachdem er den Schweizer Pass gezeigt hatte, wird ihn ein Zöllner in einen fensterlosen Raum gebeten haben. Was nachher geschah, darüber besteht Gewissheit: Liechti, Leiter der Abteilung Wealth Management International Americas, wurde verhaftet und in die Obhut des US-Justizdepartments übergeben.

Gleichentags informierten die US-Behörden das zuständige Generalkonsulat über die Festnahme, sagt die Sprecherin der Schweizer Botschaft in Washington, Emilija Georgieva. Ob es sich beim UBS-Banker wie zuerst von der «Financial Times» berichtet tatsächlich um Martin Liechti handelt, will sie nicht bestätigen. Im Rahmen des konsularischen Schutzes hatte die zuständige Vertretung Kontakt mit dem Betroffenen. Da die Inhaftierung von «kurzer Dauer» gewesen sei, sah das Konsulat von einem Besuch ab. Nach «ein paar Stunden schon» kam der Banker frei, auf Kaution, sagt Georgieva. Die USA verlassen darf Liechti vorerst aber nicht. Er wird als «material witness» befragt, das heisst als Zeuge, der Tatbestände einer Strafuntersuchung klären soll. Ob die UBS die Kaution bezahlt hat, will UBS-Sprecher Serge Steiner «nicht kommentieren».

Zwei verschiedene US-Behörden untersuchen die UBS. Das US-Justizdepartement will gemäss UBS-Aussagen wissen, ob die Bank zwischen 2000 und 2007 ihren amerikanischen Kunden half, mittels grenzüberschreitenden Geldtransfers Steuern zu hinterziehen. Die Börsenaufsichtskommission prüft, ob UBS-Kundenberater im selben Zeitrum ohne nötige Lizenz an US-Kunden Anlagetipps weitergaben. Das US-Justizdepartment gibt sich verschlossen. «Wir können zu diesem Zeitpunkt leider nichts sagen», sagt Sprecher Charles Miller. Er will nicht einmal bestätigen, dass die USA gegen die UBS ermittelt.

Bei der Schweizer Botschaft ist man empört über das Vorgehen der Amerikaner. «Die Schweiz ist der Meinung, dass solche Angelegenheiten über die gut eingespielten Amts- und Rechtshilfekanäle gelöst werden sollten», sagt Sprecherin Georgieva. «Bis anhin ist in Bern kein Gesuch auf Amts- und Rechtshilfe eingegangen.»

Tatenlos schaut die Schweiz nicht zu. Ein «hochrangiger Vertreter» der Botschaft in Washington sprach gemäss Georgieva persönlich beim US-Justizdepartment vor, um sich über die Umstände der Verhaftung zu erkundigen. Das Gespräch hätte auf «gleichwertiger diplomatischer Ebene» stattgefunden, sagt die Sprecherin. Ohne nennenswerte Resultate. «Die Amerikaner haben die schweizerische Vorsprache zur Kenntnis genommen.» Auch das Bundesamt für Justiz in Bern bestätigt, dass im Fall UBS/Liechti bisher kein Rechtshilfeersuchen eingegangen ist.

Dabei besteht zwischen den USA und der Schweiz ein bilaterales Kooperationsabkommen. Insbesondere bei Steuerbetrug leistet die Schweiz auf Antrag der USA Rechtshilfe, jedoch nicht bei Steuerhinterziehung. Nur wenn die USA gegen leitende Personen des organisierten Verbrechens ermitteln, gewährt die Schweiz diesbezüglich Rechtshilfe. Das sei «äusserst selten», so das Justizdepartement in Bern.

Schlagzeilen machte am Freitag die Schweizer Gratiszeitungen «CashDaily». Demnach drohe der UBS der «Entzug der Bankenlizenz». Das Blatt stützt sich auf vermeintliche Aussagen des Rechtsprofessors der Columbia University und Bankenfachmanns John Coffee. «Ich habe bisher über diesen Fall mit keiner Schweizer Zeitung gesprochen», sagt Coffee. Er hätte einzig mit einem deutschen Reporter des «Handelsblattes» geredet, sagt er. «Der hat mich falsch zitiert, ich habe die Möglichkeit des Entzugs der Bankenlizenz nie erwähnt, das halte ich bei der UBS für ausgeschlossen.» Zumal die beiden untersuchenden Stellen keinen Austausch mit jener Behörde pflegten, die Banklizenzen vergibt, sagt Coffee.

Eine Bagatelle sei die Festnahme aber nicht. «Liegen genügend Beweise vor, um einen hochrangigen Bankier festzuhalten, muss von einer ernsthaften und weit fortgeschrittenen Strafuntersuchung ausgegangen werden», sagt Coffee. Die UBS werde eine Strafanzeige dann abwenden, wenn sie ein so genanntes Deferred Prosecution Agreement akzeptiere, sagt Coffee. «Ohne eine Schuld einzugestehen muss die Bank voll kooperieren, allenfalls eine Busse zahlen und Beweise zu irregulärem Verhalten von Angestellten offen legen.» Er vermutet, dass gegen einzelne UBS-Banker, nicht aber gegen die UBS Anklage erhoben wird.

Wohl mit Hilfe der Aussagen von Liechti. Seit mehreren Wochen wird er nunmehr vernommen. Dass er dabei Namen von US-Kunden ausplaudert und damit das Bankgeheimnis verletzten würde, erwartet die UBS nicht. «Wenn ausländische Behörden Auskünfte zu Kunden von einer Schweizer Bank wollen, dann müssen sie ein Rechtshilfegesuch an die Schweizer Behörden stellen», sagt UBS-Sprecher Steiner.

Grundsätzlich gilt: Schweizer Banker, die im Ausland festgehalten werden, dürfen die Namen ihrer Kunden nicht preisgeben. Tun sie es trotzdem, droht ihnen eine Strafuntersuchung in der Schweiz. Banken haben zudem Sicherheitsvorkehrungen getroffen, um die Weitergabe von Informationen schützen. Selbst ein hochrangiger Banker wie Liechti hat nur beschränkten Zugang zu Kundendaten.