Parkieren im 18. Stock

Annabelle Selldorf gehört zu den renommiertesten Architektinnen New Yorks. Ihr jüngstes Projekt: ein Autolift entlang eines 19-stöckigen Wohnhauses.

Von Peter Hossli (Text) und Charly Kurz (Foto)

lookat_00025884_preview.jpgEndlich, sie kommt. Eine halbe Stunde hat Annabelle Selldorf die Reporter warten lassen. «Ich hasse ehrlich gesagt solche Interviews», grüsst sie und setzt sich in einen Bürostuhl von Mies van der Rohe. «Das nimmt immer so viel Zeit in Beschlag.» Sie trägt enge Jeans, dazu ein blaues Businessjackett. Zeit hat die deutsche Architektin in New York kaum. Sie gilt als neuer Star unter New Yorks Architekten. Für Kunsthändler verschönert sie Galerien; für wohlhabende New Yorker renoviert und dekoriert sie teure Wohnungen, zudem stattet sie edle Boutiquen aus.

Mit einem baulichen Novum rüttelt ihr jüngstes Projekt derzeit die New Yorker Architekturwelt auf. Entlang eines 19-stöckigen Wohnblocks errichtet sie einen Aufzug, der es den Bewohnern ermöglicht, das eigene Auto in luftiger Höhe direkt neben der Wohnung zu parkieren. Pech haben da die Paparazzo, welche die Stars am liebsten zu Fuss ablichten – in dieses Haus fahren die Berühmtheiten unbesehen.

«Es ist paradox», sagt Selldorf, 47. «Immer mehr Leute ziehen nach New York, die sich ein Auto leisten können, aber es gibt immer weniger Parkplätze.» Zwar sei New York keine Autostadt. «Wer sich aber eine teure Wohnung leistet, besitzt meist doch ein Auto, sei es nur, um samstags ins Landhaus zu fahren.»

auto.jpgDa das Grundwasser unter dem Bauplatz in Chelsea besonders hoch liegt, konnte Selldorf keine Tiefgarage anlegen. «Der Autolift war eine logische Schlussfolgerung» sagt Selldorf. Die Idee gefällt. Obwohl das Haus erst Ende 2008 bezugsbereit ist, sind fast alle 16 Wohnungen verkauft, trotz Preisen zwischen 6,25 und 17,5 Millionen Dollar für das Penthouse mit Dachgarten. Jeder Käufer kriegt zur zweistöckigen und geräumigen Behausung – zwischen 265 und 420 Quadratmetern Fläche – einen Parkplatz mit 33 Quadratmetern.

Sie selbst zieht nicht in den Wohnblock ein. «Ich kann mir das nicht leisten», sagt Selldorf. Allerdings besitzt sie ein Auto und ein Haus auf dem Land. «Ich fahre gerne schnell.» Doch nicht das Auto beschäftigt sie intellektuell, sondern die Frage, wie und wo Menschen leben. Derzeit stellt sie eine Rückwanderung in die Städte fest. «Die Stadtflucht hat nicht funktioniert.»

Sie kam in Köln zur Welt. Ihre erste New Yorker Behausung war eine Kellerwohnung an der Upper Westside, ohne Fenster. Das war vor 27 Jahren. Heute führt sie eine Architekturfirma mit 40 Angestellten, als «gutmütige Diktatorin», wie Selldorf Ihren Führungsstil beschreibt. Sie arbeitet gern im Team, und sie will Mitarbeiter, die «genauso fasziniert sind von einem Projekt wie ich selbst».

Rendering: Hayes Davidson, Courtesy Youngwoo & Associates