Mr. Foxman, seit dem Erdgas-Deal mit Iran übt Ihre Organisation, die Anti-Defamation League, mit Zeitungsanzeigen und Leitartikeln massiv Druck aus auf die Schweiz. Planen Sie weitere Aktionen?
Abraham Foxman: Vorerst warten wir ab, bis die bisherigen Aktionen richtig gegriffen haben. Wir kriegen täglich viele unterstützende E-Mails. Darin wird uns gedankt und Kritik an der Schweizer Regierung geübt.
Welche Ziele verfolgen Sie mit Ihrer Organisation?
Foxman: Wir wollen die Heuchelei der Schweizer Regierung blossstellen. Es ist moralisch höchst fragwürdig, zum jetzigen Zeitpunkt mit Iran einen neuen Deal einzugehen.
Die amerikanische Aussenministerin Condoleezza Rice ist weit weniger kritisch. Irrt sie sich?
Foxman: Wir fragen die Aussenministerin nicht, ob sie mit uns einverstanden ist. Sie fragt uns ja auch nicht. Manchmal sind wir gleicher Meinung, manchmal nicht. Jetzt sind wir uns nicht einig.
Ihre Kritik entbehrt der juristischen Grundlage. Beim Erdgas-Deal zwischen der Schweizer EG Laufenburg und der iranischen Gasgesellschaft NIGEC wurde der Iran Sanction Act keineswegs verletzt.
Foxman: Untergraben wird aber die moralische Absicht hinter den Sanktionen. Es ist sehr traurig, dass sich die Schweiz mit Paragrafen verteidigt und sagt, sie habe keine Gesetze gebrochen. Vor 60 Jahren hat die Schweiz ihre Neutralität ebenfalls juristisch begründet – obwohl sie alles andere als neutral war.
Die Schweiz ist längst nicht das einzige westliche Land, das mit Iran wirtschaftliche Beziehungen pflegt.
Foxman: Die Schweiz stärkt die Beziehungen zu einem Zeitpunkt, in dem die ganze Welt weiss, dass Iran Hamas und Hisbollah trainiert und finanziert, Israel zerstören sowie Atomwaffen bauen möchte. Wir verurteilen den Zeitpunkt schärfer als den Deal an sich. Wäre er vor fünf Jahren getätigt worden, würden wir anders darüber reden. Heute ist aber bekannt, dass Iran den Antisemitismus staatlich sanktioniert und den Holocaust leugnet. Offenbar war all das der Schweizer Regierung egal.
Sie kritisieren die Regierung der Schweiz, dabei wurde das Geschäft von einem Unternehmen abgeschlossen.
Foxman: Falsch. Die Kantone haben den Deal ausgehandelt, die Landesregierung hat sie vertreten. Wäre es ein privater Deal gewesen, wäre die Aussenministerin nie nach Teheran geflogen, um den Vertrag zu unterschreiben.
Bundesrätin Calmy-Rey hat den Deal nicht unterschrieben. Zudem: Iran exportiert Erdöl nach Japan, nach Italien und nach Frankreich. Unterstützen diese Länder Terroristen?
Foxman: Ja, klar. Auch Deutschland unterstützt mit Iran eine Regierung, die Terroristen hilft. Die Schweiz ist also nicht allein. Sie ist aber das einzige Land, das jetzt einen neuen Deal eingegangen ist. Ausgerechnet die Schweiz, die das moralische Gewissen der Welt sein will! Will sie sich etwa mit Japan messen? Ich kann es mir nicht vorstellen.
«Energia News» berichtet, dass Israel indirekt über Rotterdam iranisches Erdöl importiert. Ist das wahr?
Foxman: Es ist ein Unsinn, dass Sie darüber sprechen. Ölimporte sind für Israel überlebenswichtig. Die Schweiz aber kauft iranische Energie, auf die das Land nicht angewiesen wäre. Das Gas wird gewinnbringend an europäische Länder weiterverkauft.
Nochmals: Importiert Israel iranisches Öl?
Foxman: Israel kauft das Öl, das es kriegt. Es kauft ägyptisches und norwegisches Erdöl, und es kauft Öl auf dem offenen Markt, das iranisch sein könnte.
Dann fördert Israel den Terrorismus?
Foxman: Nicht bewusst. Aber alle, die Erdöl kaufen, helfen indirekt Terroristen. Es ist eine Frage des Bewusstseins und der Wahl. Israel kann nicht auf Erdöl verzichten. Die Schweiz hätte aber die Wahl gehabt, den Deal nicht abzuschliessen.
Der libysche Staatschef Muammar al-Gaddafi gab zu, direkt in Terroranschläge involviert gewesen zu sein. Gleichwohl kaufen westliche Länder libysches Erdöl, auch die USA.
Foxman: Wir sind dann unabhängig von Diktatoren und Staaten, die Terroristen sponsern, wenn wir kein Erdöl mehr kaufen müssen. Immerhin hat Gaddafi sein nukleares Arsenal dezimiert. Muammar al-Gaddafi ist nicht der netteste Kerl, aber er hat sich verändert – und er ist nicht Mahmud Ahmadinedschad. Iran ist stolz darauf, Terroristen zu unterstützen.
Abraham Foxman (68) ist der Direktor der Anti-Defamation League (ADF), einer amerikanischen Menschenrechtsorganisation, die sich gegen den Antisemitismus einsetzt. Mit Inseraten in der Weltpresse hat die ADF der Schweiz vorgeworfen, mit dem Gas-Deal mit Iran den Terrorismus zu sponsern.