Von Peter Hossli
Vier faktische Fehler fand ein ABC-Reporter am Freitag in einer 23 Worte zählenden Aussage von Ex-Präsident Bill Clinton. Darauf verschickte die Presseabteilung von Barack Obama eiligst die angeblichen Falschaussagen an weitere Journalisten. Wenige Tage zuvor war bekannt geworden, dass Obamas Wahlkampfteam während eines Auftritts des Ex-Präsidenten an der Indiana University Tickets für ein Rockkonzert verschenkte. «Foul», rügte der Sprecher von Hillary Clinton.
Derart trivial zanken sich die verbliebenen Demokraten im US-Wahlkampf nun schon seit Monaten. Zum Verdruss der Wähler, wie eine neue Umfrage der Nachrichtenagentur AP belegt: Lag Obama im Februar landesweit 10 Prozent vor John McCain, sind nun beide gleichauf. Der Vorsprung von Hillary Clinton, im Februar bei 5 Prozent, schmolz auf 3 Prozent. Alarmierend für die Demokraten: Viele Anhänger von Clinton und Obama sagen, dass sie McCain wählen würden, sollte ihr Favorit die Kandidatur verpassen.
John McCain nutzt das Patt, um klassische Themen der Demokraten zu besetzen. Beflissen redet er über Erderwärmung. Amerika müsse aussenpolitisch «öfter auf andere Länder hören», sagt er. Zudem umgibt er sich mit hochkarätigen Leuten, welche die Wahl entscheiden könnten.
Als Geldsammler verpflichtete McCain Mercer Reynolds (62), einen Investor aus Ohio, der in der Schweiz kein Unbekannter ist: Reynolds vertrat die USA zwischen 2001 und 2003 in Bern als Botschafter. Bei der schweizerischen Geschäftswelt kam der schlanke, stets smart gekleidete Multimillionär bestens an. Zumal der Silberhaarige exzellente Kontakte zur US-Wirtschaft und zum US-Präsidenten vermitteln konnte. Reynolds gilt als Förderer von George W. Bush. 1984 kaufte er Bushs marode Ölfirma Arbusto Energy auf, was den Jungunternehmer vor der Pleite bewahrte. Fünf Jahre später servierte Reynolds Bush den einträglichsten Deal seines Lebens: Er kaufte das Baseballteam der Texas Rangers und liess Bush daran teilhaben. Beim Verkauf 1998 war Bushs Investition von 600 000 Dollar auf 16 Millionen gestiegen.
Der als stiller Schaffer und vifer Vermittler geltende Reynolds sammelte zwei Jahre später das Geld für Bushs erfolgreiche Bewerbung fürs Weisse Haus. Der Präsident verdankte es ihm mit dem Botschaftsposten in Bern. Er rief Reynolds zurück, um 2004 das Kapital für seine Wiederwahl einzutreiben. «Niemand schafft es besser, das Portemonnaie anderer für Wahlspenden zu öffnen, als Reynolds», sagt ein Schweizer Diplomat in den USA. Meisterhaft schart der fünffache Vater Freunde um sich, die wiederum Freunde ermutigen, die legal zulässige Summe von 2300 Dollar pro Kandidat zu spenden. Insgesamt sammelte Reynolds für Bush 273 Millionen Dollar – ein Rekord für US-Wahlen.
Den will er nun übertreffen. Insbesondere soll Reynolds die Geldbeutel reicher Konservativer öffnen. Lange Zeit misstrauten sie dem zuweilen als liberal geltenden McCain. «Reynolds kennt alle Bush-Geldgeber, er bringt sie zu uns», sagte hoffnungsvoll ein Berater McCains der «New York Times». Das ist nötig. Denn noch ist Barack Obamas Kasse mit 234 Millionen Dollar dreimal praller gefüllt als jene von McCain.
Von Reynolds Nähe zur Macht profitiert auch die Schweiz. So amtet er seit neustem als Vorsitzender der American Swiss Foundation in New York. Die Stiftung setzt sich auf höchster Ebene für den politischen und wirtschaftlichen Austausch zwischen den USA und der Schweiz ein. «Reynolds hat unser Ansehen gestärkt», sagt Faith Whittlesey, die Ehrenvorsitzende der Foundation, die unter US-Präsident Ronald Reagan als US-Botschafterin in Bern amtete.
Der Schweizer Botschafter in Washington, Urs Ziswiler, bezeichnet Mercer Reynolds als «einen der am besten vernetzten Republikaner». Zudem sei Reynolds ein «engagierter Fürsprecher für die Schweiz» und «sehr wichtig für die Beziehungen zwischen den USA und unserem Land». Seine Ziele erreiche Reynolds, so Ziswiler, «weil er diskret handelt und seine Person stets zurückstellt».
Vizepräsident mit Schweizer Wurzeln?
US-Vizepräsidenten haben oft nur eine Pflicht: Sie besuchen Staatsbegräbnisse von Diktatoren. Die Wahlstrategen von John McCain aber wollen mit einem Vize antreten, welcher viele Schwächen des 71-jährigen Senators aus Arizona ausgleichen kann. Als Anwärter mit den besten Voraussetzungen wird Rob Portman gehandelt, ein Jurist, dessen Vorfahren aus Herbetswil im Kanton Solothurn in die USA zogen. Mit seinem jugendlichen Aussehen kann Portman durchaus mit Barack Obama mithalten. Der 53-Jährige ist fast zwanzig Jahre jünger als McCain. Konservative, die McCain nicht trauen, schätzen Portmans Aversion gegen Steuern. Der tief religiöse Politiker mobilisiert landesweit christliche Wähler. Wichtiger ist aber: Portman ist in Ohio aufgewachsen und hat den Staat während zwölf Jahren im US-Kongress vertreten. Damit könnte er McCain im Herbst das Präsidentenamt bescheren. Schliesslich muss in Ohio gewinnen, wer ins Weisse Haus will.