US-Politiker rebellieren gegen staatliche Finanzhilfe

Absturz von Bear Sterns: Die Deutsche Bank zog bei der fünftgrössten amerikanischen Investmentbank den Stecker, indem sie höhere Gebühren verlangte.

Von Peter Hossli

Am Freitagnachmittag setzte in New York gleich bei Börsenbeginn Panik ein. Bear Stearns, ein 85 Jahre altes Traditionshaus, hatte «zu wenig Geld, um die Lichter anzuzünden», wie ein Analyst der Credit Suisse dem «Wall Street Journal» sagte. Das Licht ging an, weil die US-Notenbank zusammen mit J. P. Morgan Chase die fünftgrösste amerikanische Investmentbank über Nacht vor der Pleite bewahrte.

Die staatliche Finanzhilfe stürzte weltweit die Börsen. Zusätzlich unter Druck geriet der US-Dollar. Wer konnte, verkaufte seine Bear-Stearns-Aktien. Sie fielen um fast 50 Prozent. Zu einem Spottpreis ist die Bank nun zu haben. Wert, sagte ein Analyst, hätte nur noch der Hauptsitz, ein protziger, 43-stöckiger Büroturm unweit der Grand Central Station in Manhattan.

Bei Bear Stearns war innert Wochenfrist aus Gerüchten Realität geworden. Seit Tagen warnten Analysten vor Insolvenz. Standfest verneinte die Konzernleitung Liquiditätsprobleme. Es sei «absolut nichts wahr» daran, sagte CEO Alan Schwartz. Der Bank schade die Verbreitung von «Fiktion statt Faktion». In der Tat. Verängstigt zogen Geldgeber ihre Darlehen zurück. Ein Schneeball- effekt setzte ein, als die Deutsche Bank höhere Gebühren verlangte bei Deals mit Bear Stearns. Innert 24 Stunden, sagte Schwartz, ging ihm das Geld aus.

Prompt griff die US-Notenbank ein. Als zu gefährlich erachtete sie den Totalkollaps einer tragenden Säule des amerikanischen Finanzsystems. Vorab redeten die Staatsbanker mit mehreren Banken. Gemäss «Business Week» wählten sie zuletzt J. P. Morgan, weil deren Finanzlage besser sei als jene der Citigroup, Bank of America oder der UBS. Nicht kommentieren wollte die UBS, ob sie mit der amerikanischen Notenbank über die Bear-Stearns-Rettung gesprochen hatte.

Das Risiko trägt allein die Notenbank. J. P. Morgan ist nur Vermittlerin. Das provozierte heftige Reaktionen in allen politischen Lagern. Selbst Konservative verlangten, die in den letzten Jahren deregulierte Hypotheken-Vergabe müsse wieder strenger überwacht werden. «Skandalös» nannte es der liberale Kommentator Robert Scheer, dass der Staat «rücksichtslos handelnde Finanzhäuser» rette, nicht aber die Millionen Amerikaner, die wegen der Kreditkrise das Haus verlieren. «Wenn man Bear Stearns pleitegehen lässt, kollabiert die Wall Street», sagte es pragmatischer der Radiomoderator und Wirtschafskolumnist Matt Miller. Ein verheerender Domino-Effekt drohte. Insbesondere kleineren Banken, die mehrheitlich mit Bear Stearns Geschäfte tätigen, drohte der Bankrott. «Es ist Alarmstufe Rot für die Wirtschaft», so Miller.

Die Notenbank wollte Schlimmeres abwenden. Zwar spricht US-Präsident George W. Bush erst von einer «schwierigen Phase», welche die US-Wirtschaft durchlebe. Diese sei aber «solide und widerstandsfähig». Längst in einer Rezession befinde sich Amerika, sagen hingegen Investment-Guru Warren Buffett und etliche Ökonomen. Es sei nur noch die Frage, ob der Wachstumsstopp von kurzer oder langer Dauer sei. Noch ist auch nicht klar, ob es sich um eine Krise der Liquidität oder – weit gefährlicher – der Solvenz handelt.

Historiker ziehen bereits Parallelen zur Depression Anfang der Dreissigerjahre. So stütze sich die Notenbank bei der jetzigen Finanzhilfe auf ein Gesetz von 1932. Damals führte mit Andrew Mellon ein prominenter Banker das Finanzministerium. Dem steht heute mit Henry Paulson ebenfalls ein prominenter Banker vor. Damals wie heute paarte sich die Bankenkrise mit einer deftigen Währungskrise – ein Indiz für eine wuchtige Rezession. Traditionelle Mittel zur Stabilisierung – Zinssenkungen und Staatsverschuldung – greifen unmerklich. Erwartet werden nun zusätzliche Staatshilfen für das Finanzsystem. Mit dem Risiko, das Vertrauen in die Banken weiter zu untergraben.