Von Peter Hossli
Beinahe hätte Paris Hilton den nationalen Trend verpasst: Letzte Woche besann sich die reiche Avantgardistin eines Besseren, kehrte doch noch ins Gefängnis zurück und zeigte hinter Gittern Reue – wie immer mehr Amerikaner.
Sind Ende der Neunzigerjahre die Gefangenenzahlen kurz abgeflacht, nehmen sie nun wieder rasant zu. Sieht man von den Metropolen Los Angeles, New York und Chicago ab, verordnen Strafrichter häufiger denn je Zuchthausstrafen. In den USA sitzen rund 2,3 Millionen Menschen, sieben Mal mehr als 1970. Jeder 130. Amerikaner ist eingekerkert. Nimmt man jene, die auf Bewährung sind oder ihre Haft zu Hause verbüssen dürfen, untersteht sogar jeder 35. Amerikaner der Strafjustiz.
Besonders die verschärften Strafen für Drogenhändler und -süchtige lassen die Knastbevölkerung anschwellen. Zudem werden öfter illegale Immigranten und Schwarze inhaftiert. Die Folge: Es herrscht ein akuter Mangel an verriegelten Pritschen. Die staatlichen Zuchthäuser quellen regelrecht über. Sie beherbergen 33 Prozent mehr Häftlinge, als sie fassen können.
Die Privaten operieren günstiger als der Staat
Davon profitieren nun Investoren. Private Gefängnisbetreiber drängen vehement in das rasch wachsende Geschäft, in dem mittlerweile 60 Milliarden Dollar umgesetzt werden. Zum Vergleich: 1980 gaben die USA bloss neun Milliarden Dollar für ihre Häftlinge aus. In den nächsten vier Jahren dürfte die Anzahl Gefangener um weitere 13 Prozent wachsen, berechnete der Thinktank Pew Charitable Trust. Wobei Hotelerbin Hilton den Trend vorlebt: 16 Prozent mehr Frauen sollen bis 2011 sitzen, aber nur 12 Prozent mehr Männer. Die dafür notwendigen Zuchthausbauten und der erweiterte Knastbetrieb sind mit Kosten von 27,5 Milliarden Dollar veranschlagt.
Ein Grossteil des Geldes wird privaten Anbietern zufallen. Sie operieren günstiger als die öffentliche Hand. Der Neubau und der Betrieb eines privaten Knastbettes kosten rund 60 000 Dollar, während einzelne Gliedstaaten dafür im Schnitt rund 80 000 Dollar ausgeben, der Bundesstaat gar 100 000 Dollar. Derzeit unterstehen rund 7,5 Prozent der US-Häftlinge privater Inhaftierung.
Die in Nashville ansässige Corrections Corporation ist am besten positioniert, um den Anteil zu steigern. Sie betreut die Hälfte der privat versorgten Gefangenen in 64 Gefängnissen mit 70 000 Betten. Deren Auslastung liegt bei 90 Prozent. Der Umsatz ist im vergangenen Jahr um 11,6 Prozent gestiegen, und Analysten prophezeien in den nächsten fünf Jahren ein durchschnittliches Gewinnwachstum von stattlichen 17 Prozent. Die hohe Belegungsrate und die fehlenden staatlichen Knastbetten geben der Corrections Corporation viel Macht beim Aushandeln neuer Verträge. Auch deshalb hat sich der Aktienkurs in den letzten zwölf Monaten nahezu verdoppelt.
Viel Freude beschert der Häftlingsboom den Aktionären der Geo Group. Dieser international tätige Konzern nimmt dem Staat in den USA, in Südafrika, Australien und Neuseeland die Betreuung unbequemer Personen ab. Die rund zehntausend Angestellte zählende Firma betreibt höchst einträglich Zuchthäuser und psychiatrische Kliniken. Letztes Jahr stieg bei Geo der Umsatz um 40 Prozent, der Aktienkurs verdreifachte sich. Kein Wunder: Seit sechs Quartalen übertrifft Geo jeweils die Erwartungen der Analysten. Die Bettenbenutzung der Gefängnisse liegt bei sagenhaften 98 Prozent. Geo dürfte zusätzlich von einem anderen Trend profitieren: Immer mehr US-Staaten privatisieren psychiatrische Kliniken in der Hoffnung, Geld zu sparen. Allein 2006 verdoppelte Geo den Umsatz mit psychisch Kranken.
Cornell, der kleinste unter den drei grossen privaten Gefängnisanbietern, beherbergt rund acht Prozent der Gefangenen. Die vornehmlich in den Bundesstaaten Texas und Georgia tätige Gesellschaft hat eben ihre Verträge mit dem FBI verlängert. Die Analysten erwarten Wachstumsraten von jährlich zehn Prozent bis 2012.
Gut bedient mit Knast-Aktien sind die pessimistischen Anleger, die vor einer baldigen Verlangsamung der US-Wirtschaft warnen. Geht es Amerika schlecht, steigt in der Regel die Zahl der Häftlinge.