Von Peter Hossli
Die mehrtägige Orgie auf Firmenkosten ist legendär. Die Boulevardpresse beschimpft ihn immer noch vulgär als «Sau». Wie sonst niemand symbolisiert Dennis Kozlowski, einst Tyco-CEO, den betrügerischen Boss der jüngsten amerikanischen Firmengeschichte. Er prasste, klaute, fälschte und kriegte dafür acht Jahre Zuchthaus. Doch das Konglomerat, dem der Weisskragen-Räuber fast eine halbe Milliarde Dollar abluchste, boomt. Die Tyco-Aktie stieg von unter 10 auf zeitweise über 35 Dollar seit dem demütigen Abgang von Dennis Kozlowski im Juni 2002.
Die Aktie der Spitalkette Healthsouth schoss noch dramatischer in die Höhe. Deren Chef Richard Scrushy wurde im Frühling 2003 angeklagt, den von ihm gegründeten Konzern um 2,7 Milliarden Dollar betrogen zu haben. Die Aktie stürzte prompt von über 70 auf unter einen Dollar ab. Mittlerweile steht Scrushy unter Hausarrest. Er bezahlte vor Kurzem eine Busse von 81 Millionen Dollar. Die Healthsouth-Aktie stieg auf zeitweise 26 Dollar und steht nun bei 19 Dollar. Da geplant ist, unrentable Teile abzustossen, erwarten Analysten einen weiteren Anstieg.
Zwar haben die Kollapse bei Enron und Worldcom Dutzende von Milliarden vernichtet. Halunken und Betrüger in der Chefetage bieten aber nervenstarken Investoren öfter lukrative Anlagemöglichkeiten. Zumal es immer mehr werden. Derzeit verlieren Firmenchefs in den USA wegen unlauteren Gebarens drei Mal häufiger ihren Job als noch vor zehn Jahren. Seit den Buchhaltungsskandalen gehen Ankläger resoluter gegen sie vor. Selbst bei halbwegs gesunden Unternehmen fallen die Aktien beim ersten Anzeichen einer Untersuchung. Ist die jedoch mal abgeschlossen und sind neue Chefs am Werk, greifen die Anleger rasch wieder zu, insbesondere bei intakten Firmen.
Das ist höchst lukrativ, aber risikoreich. Das Timing ist wichtig. Zudem sollte der Grund für den Absturz analysiert werden. Als Faustregel gilt: Je perverser der Firmenchef war, desto rascher ist die Erholung. Agiert einer unanständig, absurd oder ausgefallen, liefert er der Presse zwar hübsche Schlagzeilen, bei der Firma selbst richtet er selten wirklich schweren Schaden an.
Tyco ist auf dem Weg der Besserung
Kozlowski betrog zwar und bewies schlechten Geschmack – er kaufte auf Firmenkosten Duschvorhänge für 6000 und Schirmständer für 15 000 Dollar und installierte auf einer Party eine Wodka urinierende David-Statue -, Tyco ging aber nicht zugrunde. Die Firma hatte stets genügend Geld, um den Bankrott abzuwenden: Ein Indikator, dass ein von einem dubiosen Chef heimgesuchter Konzern gesundet. Letzte Woche zahlte Tyco fast drei Milliarden Dollar, um Klagen von Aktionären zu begleichen. Das macht den Weg frei, um Teile zu verkaufen, was die Aktie weiter beflügeln dürfte.
Von Bankrotteuren sollte man hingegen die Finger lassen. Ordnet ein Konkursrichter ein Chapter-11-Verfahren an, verfallen die alten Ak-tien meist und werden durch neue ersetzt, wie zuletzt bei der Fluggesellschaft Delta.
Hohe Renditen bringen Strafuntersuchungen, die im Sand verlaufen. Zwei Jahre lang bezichtigte der damalige New Yorker Staatsanwalt Eliot Spitzer den Chef der AIG, Henk Greenberg, des Betrugs. Genüsslich breiteten Wirtschafts- und Boulevardpresse jede noch so unbedeutende Episode aus dem Verwaltungsrat des Versicherungskolosses aus. Greenberg verliess Mitte März 2005 geächtet die Firma, für die er seit 1962 gewirkt hatte. Spitzer liess sämtliche Anklagepunkte fallen.
Die AIG-Aktie, vor Beginn der Untersuchung bei 70 Dollar, sank zeitweise auf 45 Dollar und verlief jahrelang im Zickzack. Wenn die Investoren das Gefühl hatten, dass das Gröbste vorbei sei, schlug der Preis aus. Kaum hatte Spitzer wieder ein neues Detail zu Greenberg veröffentlicht, fiel er wieder. Abgesehen vom Imageschaden litt AIG aber nur unmerklich. Nun steht der Kurs bei 72 Dollar.
Die Absetzung oder die Verhaftung eines Firmenchefs beschleunigt oft den dringend nötigen Umbau im Management. So wurden dem Qwest-CEO Joseph Nacchio im Sommer 2002 Betrug und Insider-Handel vorgeworfen. Die Aktie sank auf unter einen Dollar. Ein neues Team durchforstete die Bücher des Telecomriesen und fand Milliardenverluste. Sie machte aber nicht Pleite. Mittlerweile steht die Aktie bei fast zehn Dollar. Die Firma schreibt schwarze Zahlen und gilt als Übernahmekandidat. Und Nacchio? Diesen April befand ihn eine Jury des Betrugs und der Abwicklung von Insider-Geschäften schuldig. Nun wartet er auf das Strafmass.
Der Enron-Trader
Als «vielleicht grössten Skandal der amerikanischen Wirtschaftsgeschichte» titulierte die «New York Times» die Pleite beim Energiehändler Enron. Dessen CEO Jeffrey Skilling sitzt eine Strafe von 24 Jahren ab. 4000 Enron-Angestellte verloren ihr Pensionskassenkapital. Doch längst nicht alle beziehen Sozialhilfe.
Der Trader John Arnold galt bei Enron als Wunderkind. Kurz nach dem Kollaps startete er in Houston den Hedgefonds Centaurus Energy, der sich auf den Handel von Energieprodukten spezialisierte. Als Anfangskapital diente ihm ein Bonus von 8 Millionen Dollar, den er einst bei Enron erhielt. Mit Enron-Handelsmethoden erwirtschaftete der mittlerweile 33-jährige Trader im vergangenen Jahr für sich selbst zwei Milliarden Dollar – und steht an der Spitze der von «Trader Monthly» erstellten Liste der weltweit erfolgreichsten Trader.