Atomkraft setzt Anleger unter Strom

Investoren versprechen sich vom AKW-Boom und den steigenden Uranpreisen hohe Renditen. Die Welt habe die Nuklearkraft als grüne Energieform entdeckt, behauptet die Energiebranche voller Zuversicht. Kraftwerksgesellschaften und Uranförderer hoffen auf riesige Geschäfte.

Von Peter Hossli

Zur «patriotischen Pflicht» hat der amerikanische Kolumnist Thomas Friedman den Abbau von Kohlendioxid-Emissionen erklärt. Mit Wind und Sonne allein lässt sich das aber kaum schaffen, schloss bereits 2003 eine Studie des Massachusetts Institute of Technology (MIT). «Wenn wir auf Kernkraft verzichten, ist es nicht möglich, den CO2-Ausstoss zu verringern», so MIT-Professor John Deutch. Falls sich in den USA die nukleare Kapazität jedoch bis 2050 verdreifache, verringere sich die CO2-Emission um einen Viertel.

Der Chemiker Nathan Lewis vom California Institute of Technology hält ein riesiges industrielles Unterfangen für nötig. Wenn die Wirtschaft wie prognostiziert wachse, werde sich der Energiebedarf bis 2050 verdoppeln, von derzeit 13 Terrawattstunden (TWh) auf über 26 TWh. Damit darob das Klima nicht kollabiere, müssten 13 TWh eingespart sowie 13 TWh ohne CO2-Ausstoss fabriziert werden. Das sei möglich, wenn bis 2050 jeden Tag ein Atomkraftwerk ans Netz gehe.

Das beschere der Nuklearenergie eine blendende Zukunft, sagt Keuter, Vizepräsident des Stormerzeugers Entergy. Allein in den USA befänden sich erstmals seit den Siebzigerjahren wieder neue Kernkraftwerke in Bau oder Planung – insgesamt 20, wobei General Electric die meisten Reaktoren bauen dürfte.

Sprach sich nach dem Unfall von Three Mile Island und der Katastrophe von Tschernobyl die Hälfte der Amerikaner gegen AKW aus, sind es nun nur noch 30 Prozent. Auf diese Kehrtwende setzen US-Investoren. «Vor vier Jahren hätte eine Energiefirma mit einem AKW in Planung an der Wall Street wirtschaftlichen Selbstmord begangen», sagt Keuter. «Das ist heute nicht mehr so.» So stieg die Entergy-Aktie in drei Jahren von 50 auf 116 Dollar. Der Grund: Die Firma investiert kräftig in AKW.

Eine einzige Firma beherrscht die Uranvorkommen

Auch der Preis von Uran, dem Primärenergieträger der AKW, legt mächtig zu. War das Pfund im Oktober 2006 noch für 55 Dollar zu haben, kostet es nun mehr als 110 Dollar. Reine Uran-Investitionen bergen jedoch Risiken. Vornehmlich Hedgefonds haben in letzter Zeit Uran vom Markt gekauft und den Preis angetrieben.

Cameco hat davon am meisten profitiert. Die kanadische Minengesellschaft kontrolliert rund 50 Prozent der bekannten Uranvorkommen und beliefert Stromerzeuger in der ganzen Welt. «Der Uranpreis wird wieder fallen», sagt Firmensprecher Lyle Karen. «Derzeit sehen wir dafür aber keine Anzeichen.» Ausserdem schliesse die Firma langfristige Verträge ab. «Die Welt hat die Nuklearenergie als grüne Energieform entdeckt, davon profitieren wir noch Jahrzehnte», sagt Karen. Obwohl der Aktienkurs in den letzten Jahren kräftig gestiegen ist, empfiehlt Analyst Fadi Shadid vom Energieaktien-Broker den Titel von Cameco weiterhin.

Der hohe Uranpreis gefährdet die Wirtschaftlichkeit der Kernenergie allerdings nicht, da die Kosten des Urans nur zwei Prozent der Kosten des Nuklearstroms ausmachen. Die Kapitalkosten für den Bau und die Ausgaben für die Anreicherung des Urans schlagen weit mehr zu Buche.

Diesen Markt für angereicherte Brennstäbe teilen sich weltweit vier Konzerne. Die US-Firma Usec ist am aussichtsreichsten positioniert. Sie hält einen globalen Anteil von 27 Prozent. Konkurrenz fürchtet die Firma trotz AKW-Boom nicht. «Es dauert Jahre, bis jemand eine Lizenz zum Anreichern erhält», sagt Usec-Sprecherin Elizabeth Stuckle. Eine neue Anlage in Ohio werde den rasch steigenden Bedarf decken. Zudem verbrauche diese 95 Prozent weniger Strom, was die Kosten massiv senken werde.