Der Glamourboy soll die Pleiteliga retten

Die US-Fussballliga startet dieses Wochenende und soll den Durchbruch schaffen. Bislang war sie ein Flop. Jetzt aber springen Sponsoren und das TV auf. Vorerst wird aber nur Altstar David Beckham profitieren.

Von Peter Hossli

Wer wenig einnimmt, gibt wenig aus. Jahrelang leitete dieser Grundsatz die amerikanische Fussballliga Major League Soccer (MLS). Per Dekret beschränkten Teambesitzer die Löhne der Spieler auf jährlich 350 000 Dollar. «In Europa ruinieren die Saläre die Teams», erklärt MLS-Sprecher Will Kuhns. Dafür kicken dort die besseren Fussballer, und die Stadien sind voll. Das haben die Amerikaner nun kapiert. Also hoben sie die Lohnobergrenze teilweise auf. Nun darf pro Team ein Spieler unbeschränkt viel verdienen. «Damit locken wir die guten Leute, ohne die Budgets zu sprengen», sagt Kuhns.

Als Erster profitiert David Beckham davon. Ab August zahlt Galaxy Los Angeles dem schussstarken Mittelfeldspieler 250 Millionen Dollar, verteilt auf fünf Jahre. Da lastet einiges auf ihm. «Beckham muss die Branche retten», schrieb die «New York Times». Bruce Hudson, Sportmarketing-Direktor von Anheuser-Busch, sagt, die Verpflichtung sei das grösste finanzielle Risiko in der Geschichte der Liga. «Aber nichts hat unserem Fussball weltweit mehr Aufmerksamkeit gebracht als er.»

In dieser Fussballliga macht kein Team einen Gewinn

Die MLS, 1995 nach der WM in den USA gegründet, ist ein Flop. Die Stadien sind halb leer. Das angepeilte Zuschauerwachstum von 10 bis 15 Prozent blieb aus. Letzten November, als die Houston Dynamos den MLS-Cup gewannen, liefen bloss 800 000 Fernseher, ein Minus von 20 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Dagegen guckten 140 Millionen Amerikaner den Superbowl. Die MLS veröffentlicht keine finanziellen Zahlen. «Kein Team macht Gewinn», sagt ein angesehener Fussballberater, der nicht namentlich genannt werden will. Bis 2004 soll die Liga 350 Millionen Dollar verloren haben, schätzt «Business Week».

Nun bringt Beckham, was dem US-Fussball gefehlt hatte: Stars und Geld. Wenn diesen Samstag die Teams von Washington und Denver die Saison eröffnen, überträgt die Sendekette ABC live – und zahlt der MLS dafür Lizenzgebühren von 20 Millionen Dollar. Die Kameras folgen den Spielern bis in die Umkleidekabinen. «Das freut uns sehr», sagt Hudson von Anheuser-Busch. Seit elf Jahren sponsert der Budweiser-Brauer die MLS. «Jetzt dürften die Gelder üppiger fliessen.»

Drei der dreizehn Teams tragen Werbung auf den Trikots, womit die MLS die einzige US-Sportliga ist, die das erlaubt. Das Beckham-Team Galaxy erhält von der börsenkotierten Firma Herbalife, die Fitmacher vertreibt, 5 Millionen Dollar. «Wir haben 1,5 Millionen Vertreter in 64 Ländern», sagt Herbalife-Sprecher George Fischer, «wir sind so international und vielfältig wie der Fussball.» Da Galaxy zusätzlich in Mexiko, Europa und Asien Spiele austrage, erhalte Herbalife weltweit Aufmerksamkeit. Der Energydrink-Fabrikant Xango zahlt Real Salt Lake 4 Millionen Dollar. Die Bank of Montreal drückt den Spielern des Toronto FC das BOM-Logo auf die Brust. Zwei Teams – Red Bull New York und Chivas – gehören Getränkefirmen, bei denen das Firmen- und das Klublogo auf den Leibchen identisch sind.

Fussball werde eine der grossen Sportarten in den USA, sagte MLS-Chef Don Garber. «Wann, kann ich jetzt nicht sagen, aber es wird uns gelingen.» Zumal endlich neue Stadien die Liga wirtschaftlich stabilisieren würden. MLS-Partien in zu grossen, umfunktionierten Football-Arenen ähneln Geisterspielen. Nun sind sechs reine Fussballstadien fertig, denen Konzerne die Namen geben. Beckham trägt die Heimspiele im Home Depot Center aus. Im Pizza Hut Park kickt der FC Dallas, Chicago Fire spielt im Toyota Park. Der Red Bull Park ist 2008 fertig.

Beim Bau der Arenen sind deutsche Experten behilflich. Mit der Bundesliga haben die Amerikaner eine Zusammenarbeit bei der Entwicklung von Spielern und bei der Vermarktung und der Fernsehübertragung vereinbart. Mit der mexikanischen Liga kreiert die MLS eine Art Champions League, bei der die vier Top-Teams beider Ligen gegeneinander spielen. Damit sollen noch mehr lateinamerikanische Fans vor den Fernseher und in die Stadien gelockt werden. «US-Fussball ist für uns deshalb interessant, weil er die vielen Hispanos anspricht», sagt Bruce Hudson von Anheuser-Busch. 20 Prozent der amerikanischen Bevölkerung – 60 Millionen Menschen – sind Latinos.

Beckham will an diese ran. Schwindet sein Markenwert in Europa, peilt er nun Nord- und Südamerika an, auch im gesamten Unterhaltungsbereich. «Kalifornien ist die ideale Basis, eine Medien- und Werbekarriere zu lancieren»», sagt der Marketingberater Andy Milligan. Es war nicht ein Sportagent, der Beckhams Vertrag aushandelte, sondern die Talentagentur Creative Artists Agency, die Tom Cruise oder George Clooney vermarktet. Gerüchteweise will die Agentur auch den zurückgetretenen französischen Fussballstar Zinédine Zidane holen.

Die Löhne sind zu niedrig, um grosse Talente anzulocken

Der US-Fussball hofft nicht zum ersten Mal auf ausländische Stars. In den Siebzigerjahren setzte die 1968 gegründete North American Soccer League auf Pelé, Beckenbauer oder George Best. Sie füllten ein paar Stadien, ihre Saläre trieben die Liga 1984 in die Pleite. Daher zeigen sich US-Kommentatoren nicht optimistisch. «Fussball ist in Amerika eine Randsportart», sagt der für Fussball zuständige Redaktor beim Magazin «Sports Illustrated», Hank Hersch. «Beckham ist ein Schritt in die richtige Richtung, es braucht aber viele Beckhams, um Fussball zu etablieren.»

Nach einem Jahr werde der Enthusiasmus wohl abklingen, sagt ein Fussballberater. «Beckham ist keine Tormaschine, Amerikaner wollen aber Tore sehen.» Zudem seien die Klubs nicht bereit, mehr Geld in gute Spieler zu investieren. «Die Löhne sind zu niedrig, um Talente anzulocken», sagt der Berater. «Die MLS ist wie ein Konzern, der zu wenig in neue Produkte investiert.» US-Fussballfans würden daher die deutschen, englischen oder argentinischen Ligen verfolgen. Amerikaner mögen Sportarten dann, wenn sie die besten seien, sagt Sportredaktor Hersch. «Sind wir mal Weltmeister, setzt sich bei uns der Fussball auch durch.»

Dass das noch lange dauert, glauben die Amerikaner, die im Ausland in Fussballteams investierten. Jüngst kauften US-Milliardäre die englischen Klubs Manchester United, Aston Villa und Liverpool.

Die Bälle und Pucks äufnen sein Konto

Das Sportimperium des Milliardärs Philip Anschutz

Ab August dirigiert David Beckham das Mittelfeld von Galaxy Los Angeles. Das Team ist Teil des weit gefächerten Firmenimperiums des US-Milliardärs Philip Anschutz. Dessen Anschutz Entertainment Group (AEG) gehören drei der dreizehn MLS-Teams und etliche Sportstadien, etwa das Staples Center, in dem die Los Angeles Lakers Basketball spielen. Der 67-jährige Anschutz ist zudem der grösste MLS-Teilhaber. Er liess zwei der sechs reinen US-Fussballarenen bauen. Bis vor Kurzem gehörte ihm die Hälfte aller Teams. Um seinen Einfluss zu mindern, zwang ihn die Liga, die New York Metro Stars an den österreichischen Energydrink-Riesen Red Bull zu verkaufen. Anschutz besitzt zusätzlich Eishockeyteams in den USA und die Hamburg Freezers und die Eisbären Berlin in Deutschland. Hierzulande war Anschutz kurze Zeit Besitzer des Eishockeyklubs Servette-Genf.

Seine AEG ist der zweitgrösste Konzert- und Eventveranstalter der USA. So vermarktet der Konzern Stars wie Kayne West, Prince, Justin Timberlake oder Paul McCartney. Die Firma besitzt mit Regal Cinemas auch die grösste Kinokette des Landes und produziert selbst Filme und Fernsehserien. In Berlin und im Millennium Dome von London entstehen derzeit Hallenstadien, die für Sport und Musik genutzt werden können. Anschutz, der mit einem Vermögen von 7,8 Milliarden Dollar auf Platz 31 der Liste der reichsten Amerikaner steht, verdiente sein Geld mit Ölplattformen und Landverkäufen. Den Einstieg ins Showgeschäft brachte ihm 1968 eine brennende Ölquelle. Er heuerte den legendären Feuerwehrmann Red Adair an. Um dessen horrendes Honorar zu zahlen, verkaufte er die Filmrechte der Löschaktion an die Produzenten eines John-Wayne-Films.

Anschutz ist ein erzkonservativer Evangelikaler. Über eine Stiftung setzt er sich dafür ein, dass an den amerikansichen Schulen nicht Darwins Evolution, sondern der biblische Kreationismus gelehrt wird. Zudem finanziert er Bürgerinitiativen, mit denen gleiche Rechte für die Homosexuellen verhindert werden sollen. Ironisch fast, dass der bei Schwulen so beliebte Beckham jetzt für einen Schwulenhasser arbeitet.