Immer schön optimistisch bleiben!

Nervöse Stimmung in Amerika. Die Börse stottert wegen Hausenteignungen und Kaufstopps. Greenspan warnt vor einer Rezession. Ökonomen beruhigen: Vor allem frostiges Wetter habe die Wirtschaft abgekühlt.

Von Peter Hossli

Den Puls Amerikas fühlt man am ehesten in der Wüste. So weit das Auge reicht ragen in Las Vegas die Kranen empor. In die Luft hieven sie Stahlrohre. Behelmte Arbeiter schweissen daraus Wohnblöcke. Vom stockenden Bauboom ist in der Spielermetropole wenig zu spüren. Intakt scheint die Spendierlust. Der Flughafen quillt über mit anreisenden Zockern in kurzen Hosen. Unbekümmert füllen sie einarmige Banditen und bestellen eisgekühlte Drinks. «Nein», sagt ein Poker-Spieler, «die unsichere Börsenlage verdirbt mir den Spass hier nicht.»

Zu Recht, sagt der Chefökonom Michael Englund von der Analysefirma Action Economics. «Grundsätzlich ist die US-Wirtschaft robust.» Die jüngste Korrektur an der Börse sei «prozentuell im Rahmen» und «längst überfällig» gewesen. Nicht amerikanische, globale Indikatoren hätten den Dow-Jones-Index nach unten gezogen. «Die US-Börsen kehren erst dann ins Negative, wenn die fundamentalen Konjunktur-Daten drehen», sagt Englund. «Das sehe ich nicht kommen.»

Erstaunlich positive Worte in turbulenten Zeiten. Eine gefährliche Mischung riss am 13. März den Dow-Jones um 244 Punkte ins Minus. Hausenteignungen stehen im Allzeithoch. Das liess die Aktien der Hypotheken-Firma New Century absacken. «Durchaus möglich» sei es, dass dies die Häuserpreise landesweit um 10 Prozent reduziere, warnte darob der Chefökonom von Merrill Lynch, David Rosenberg. Eine «Wachstumsrezession» drohe.

Leitartikler schreiben das Bersten der Immobilienblase herbei und ziehen Parallelen zum Ende des Internet-Booms. Damals wie heute, so die «New York Times», hätten Finanzinstitute enorme Gewinne erzielt indem sie fragwürdige Wertpapier hochjubelten, damals von Technologie-, heute von Immobilienfirmen. Damals wie heute lockten sie Investoren mit fantastischen Renditen. Damals wie heute schauten die Gesetzgeber weg. Als «gefährlicher für die Märkte als die Buchhaltungsskandale von Enron und WorldCom» stuft der Geschäftsführer der Research-Firma Graham-Fischer, Josh Rosner, die aktuelle Hypotheken-Krise ein.

Zumal die Vermögen der meisten Amerikaner in Eigenheimen liegen. Deren Wert wuchs in den letzten Jahren rasant an. Mancher fühlte sich reich, verpfändete das Haus, kaufte ein Auto, flache Fernseher, flog nach Las Vegas. Der Konsum auf Pump beflügelte die Wirtschaft.

«Hören die Leute, der Häusermarkt stocke, kaufen sie weniger», sagt Ökonom Brian Bethune von Global Insight. Die faulen Hypotheken dürften die Zinsen treiben für die Darlehen, die viele auf ihre Häuser aufgenommen haben. «Fallen die Hypotheken in ein Loch, krachen ein paar Hedge Funds, viele Investoren werden nervös und ziehen ihr Geld ab», skizziert Moody’s-Ökonom Tony Hughes. Die Folge: «Die Kauflust könnte merklich schwinden.» Die Chance für den Gau setzt er bei zehn Prozent an.

Zumindest zückten die Amerikaner im Februar ihre Kreditkarten seltener als im Vorjahr. «Weil es so kalt wie seit 1994 nicht mehr war», beruhigt Ökonom Michael Englund. Statt in die Mall zu fahren, hockten viele zu Hause, schauten fern. «Nun wird es wärmer, der Konsum zieht an.» Zudem hebe die tiefe Arbeitslosenquote die Löhne und die Kauffreude. «In Umfragen geben sich Konsumenten zuversichtlich», so Englund, «das ist der wichtigste Indikator der US-Wirtschaft.»

Zurückhaltend optimistisch ist auch der für die USA zuständige Ökonom der UBS, Jim O’Sullivan. Zwar drossle die Immobilien-Schwäche das Wachstum eine Weile. Rund 10 Prozent des Hypotheken-Kapitals würden aus dem Markt verschwinden. «Das wird den Verkauf von Häusern unweigerlich treffen», so O’Sullivan, «umhauen wird es die Wirtschaft nicht.» Nicht eine Rezession erwartet er, sondern eine weiche Landung. «Kühlt sich die US-Wirtschaft behutsam ab, senkt die Notenbank die Zinsen, das beeinflusst die Börsen positiv.»

Ein ähnliches Bild ergab eine «Wall Street Journal»-Umfrage bei 60 US-Ökonomen. Sie setzen die Chance auf eine Rezession bei 25 Prozent fest, tiefer als Alan Greenspan, der eine Chance von 33 Prozent sieht. Knapp die Hälfte der Fachleute gab an, die US-Wirtschaft verbessere sich in den nächsten 12 Monaten, 27 Prozent erwarten eine Verschlechterung, 22 Prozent eine stabile Entwicklung. Die Aktienkurse werden steigen, so drei Viertel der Experten. Sie sind optimistischer als die meisten Amerikaner. Nur die Hälfte glaubt an ein Dow-Jones-Plus in Jahresfrist.

Solch verkappter Pessimismus drücke auf den Konsum, sagt Brian Bethune von Global Insight. Zuversichtlich ist er trotzdem – wegen des Export-Booms. Der fallende Dollar sowie der Aufschwung in Europa, dem Nahen und Fernen Osten beflügelten die Exportindustrie wie seit Jahren nicht mehr. «Die Börse bleibt volatil, kräftig zulegen werden die Exportfirmen», sagt Bethune.

Dem widerspricht Tony Hughes von Moody’s. «Die US-Wirtschaft ist die Lokomotive der Weltwirtschaft, sie exportiert Wachstum und kann nicht auf andere setzen.» Moody’s erwartet Kurskorrekturen nach unten. Hughes selbst will den Gang der Börse partout nicht prophezeien. «Ich bin ein armer Ökonom, wer etwas über den Dow Jones wissen will, fragt andere.»

Der Hypotheken-Markt

Der Fall der Aktien der Hypotheken-Firma New Century fiel dramatisch aus. Binnen Tagen sackte der Wert von 30 auf unter zwei Dollar ab. Der Grund: New Century gibt Hypotheken an wenig begüterte Häuserkäufer, vornehmlich an Schwarze und Hispanics. Viele erwiesen sich als zahlungsunfähig, ihre Häuser wurden enteignet. Panikartig verkauften Anleger die Aktie. Sie fürchteten, die Immobilien-Blase würde bersten. Analysten bei Lehman Brothers gehen nun von rund 2 Millionen faulen Hypotheken aus. Dem widerspricht Ökonom Brian Bethune von Global Insight. «Die jüngste Krise wird den Rücken des Kamels nicht brechen», sagt er. «Die meisten Kreditgeber sind gut diversifiziert und haben eine solide finanzielle Position.» Betroffen seien allerhöchstens eine Million so genannter Subprime-Hypotheken. Im schlimmsten Fall gingen pro Jahr zwischen fünf und zehn Prozent verloren, also nur rund 50000 bis 100000 Hypotheken. «Ein Markt mit jährlich 1,5 Millionen neuen Subprime-Darlehen verkraftet das.» Generell vorsichtiger walten würden nun alle Kreditinstitute. Die Folge: Jährlich erhalten 200000 Amerikaner keine Hypothek mehr. Ein Klacks, bei 7 Millionen neuen Häuser-Darlehen jährlich. Entspannung kam als die Credit Suisse letzte Woche die Kreditlimite der Subprime-Firma Fremont General just um eine Milliarde Dollar erhöhte.