Vom Himmel hoch, da komm ich her

Zwei amerikanische Satellitensender offerieren gegen eine monatliche Gebühr 300 Radiokanäle: Ein Modell mit Potenzial. Nach einem harzigen Jahr sind die Aktien beider Firmen günstig bewertet.

Von Peter Hossli

Es kostet nicht viel, sich endlos zu amüsieren. Je 12,95 Dollar pro Monat verlangen die beiden amerikanischen Satellitenradiosender XM und Sirius. Von der Erdumlaufbahn aus berieseln sie ihre Abonnenten mit klassischer und elektronischer Musik, und dies werbefrei. Allein 14 Rock-Kanäle bietet XM an, Sirius reserviert 11 Stationen für Hip-Hop und Tanzmusik. Elvis, Bob Dylan und die Rolling Stones haben ihre eigenen Kanäle, ebenso bibelfeste Christen, Erotikfreunde, Homosexuelle und Hobbygärtner. Wettervorhersagen sind nonstop zu hören. Live verfolgen Sportfans Football-Spiele und Politikversessene Debatten im US-Kongress.

Bis Ende Jahr dürften rund 14 Millionen Abonnenten das vielfältige Angebot nutzen. Das sind weniger, als Analysten vor zwölf Monaten prophezeit hatten. Sowohl Marktführer XM als auch Sirius vermeldeten in den vergangenen Monaten geringere Zuwachsraten. Just strafte die Börse beide Firmen ab. Innert Jahresfrist fiel der Kurs der Sirius-Aktie von knapp 8 auf unter 4 Dollar. Das XM-Papier halbierte sich von 31 auf knapp 15 Dollar.

Beide Firmen wiegeln ab: Die Investoren hätten zu drastisch auf das geringere Wachstum reagiert. «Ich mag das Business, es generiert langfristig Werte und Cashflow», sagt UBS-Analyst Lucas Binder.

In den USA gibt es zum Neuwagen ein Satellitenradio

Tragbare Satellitenradios könnten dereinst sogar den iPod von Apple bedrohen, glaubt er. Viele Leute hätten kaum Zeit, ihren iPod zu aktualisieren. Für sie seien Satellitenradios, die ständig Neues senden, ideal. Ab Mitte 2007, sagt Binder, dürften Sirius wie XM ihre Probleme beim Verkauf ihrer Empfänger gelöst haben. Für Sirius erwartet er einen positiven Cashflow im vierten Quartal des laufenden und wäh-rend des ganzen nächsten Jahres, «bei anhaltend starkem Wachstum».

Das Potenzial ist enorm. 95 Prozent aller Amerikaner, die älter als fünf Jahre sind, hören regelmässig Radio. Doch nur 30 Millionen tun das per Satellit. Auf den US-Strassen verkehren 230 Millionen Autos, die fast alle ein herkömmliches Radio installiert haben. Das soll sich nun ändern. GM will nächstes Jahr 1,8 Millionen Neuwagen standardmässig mit XM-Empfängern ausrüsten. Etliche Autohersteller bieten die Satellitenradios als separates Zubehör an, wobei XM bei günstigeren Autos wie Toyota oder Honda stark ist und Sirius auf Luxuskarossen von Aston Martin oder Bentley setzt.

Beide Stationen locken die Kunden vornehmlich mit exklusiven Inhalten. Insbesondere Medienstars sollen Hörer zum Satellitenfunk locken. Zu Beginn des Jahres produzierte Sirius die «freizügigste Radiosendung aller Zeiten», wie der vorlaute Radiomacher Howard Stern seine eigene Show bewirbt. Sirius zahlt ihm dafür 500 Millionen Dollar über einen Zeitraum von fünf Jahren. Es scheint sich auszuzahlen. Ungefähr 2 Millionen der total 2,8 Millionen neuen Abonnenten sind Stern-Fans. «Er hat eine enorme Wirkung», sagt Binder. «Stern hat Satellitenradio ins Bewusstsein der Leute gedrängt.»

Die beiden Firmen können sich eine Fusion vorstellen

Weniger Einfluss sagt er Oprah Winfrey voraus, der Königin des Vorabendtalks am Fernsehen. Seit Ende September bietet sie auf dem XM-Kanal Oprah & Friends Ernährungs- und Fitnesstipps, Lebenshilfen und konfliktfreie Unterhaltung an, sie erhält dafür für drei Jahre 55 Millionen Dollar. Der im Vergleich zu Stern magere Lohn lässt sich mit fehlender Exklusivität erklären. Wer Oprah will, kann auch fernsehen. Sterns strenge Sprüche fallen nur auf Sirius.

Binder räumt der Nummer 2 ohnehin die besseren Chancen ein. Noch hält XM mit 7,9 Millionen Abonnenten zwar einen Vorsprung auf die 5,9 Millionen von Sirius. Bis 2010, schätzt Binder, werde Sirius aufholen und danach vorne liegen. Zumal Sirius regelmässig die beliebteren Empfänger lanciert und die lukrativeren Inhalte verbreitet. XM hingegen ist in Klagen verwickelt. Die Firma hat aber engere Kontakte zur Autoindustrie. So liefert XM über 60 Prozent der Radios, die in Neuwagen eingebaut werden.

Eine Fusion ist nicht ausgeschlossen. Zwar müssten kartellrechtliche Hürden genommen werden. Sirius-Chef Mel Karmazin scheint dazu bereit zu sein. «Eine Fusion ist möglich», sagte er letzte Woche in New York an einer Konferenz der Credit Suisse. Binder erwartet die Fusionsgespräche in den nächsten 12 bis 18 Monaten, «initiiert von Sirius».

Etwas allerdings gefährdet die Aussichten der Satellitenfirmen. Ihre Kanäle sind an einem Ort, wo viele Amerikaner gerne Radio hören, kaum zu empfangen: in der Dusche.