Sonnenkraft statt Erdölsaft

Die USA ist der grösste Umweltverschmutzer, doch reiche Anleger stehen auf Umweltinvestments. Amerika denkt grün. In der Prärie spriessen Wind- und Solarkraftwerke. Bauern pflanzen Ethanol. Politiker und Milliardäre wie Bill Gates und die Google-Gründer investieren kräftig in alternative Energie.

Von Peter Hossli

Chancen auf eine Wiederwahl räumte ihm niemand ein. Dann begann Arnold Schwarzenegger über Erderwärmung zu reden. «Sauberer Energie gehört die Zukunft», sagte der einstige Action-Star bei jedem Auftritt. Anfang November bestätigte ihn Kalifornien als Gouverneur. Der Grund für das unverhoffte Comeback: Schwarzeneggers grüne Gesinnung.

Grün wird nämlich ausgerechnet jene Nation, deren Präsident sich vehement gegen das Kioto-Protokoll wehrt und die weltweit am meisten CO2 ausstösst. So fahren Hollywood-Stars in Hybrid-Autos zur Oscar-Party. Bundesstaaten wie Virginia oder Florida gewähren Lenkern sauberer Wagen auf Sonderspuren Vortritt. Die glamourösen Grünen George Clooney, Julia Roberts, Robert F. Kennedy Jr. und Al Gore hob das Hochglanzmagazin «Vanity Fair» aufs Titelblatt, abgelichtet von Starfotografin Annie Leibovitz. Zum kommerziellen Hit geriet Al Gores Erdwärme-Dokumentarfilm «An Inconvenient Truth». Nun gilt er als Anwärter für einen Oscar.

Mit dem «New York Times»-Kolumnist Thomas Friedman hat sich der wohl einflussreichste Schreiber der USA dem Umweltschutz verschrieben. In fast jeder Kolumne drängt er Politiker wie Manager, endlich auf erneuerbare Energien zu setzen und das Land vom Joch der Ölabhängigkeit zu befreien. Das allein gewinne den Krieg gegen Terroristen.

Ein Ansinnen, das zuweilen kuriose Allianzen hervorbringt. Umweltschützer spannen mit evangelikalen Christen zusammen – beide wollen die Welt retten. Autohersteller und Farmer werben für aus Mais destilliertes Ethanol. Hedge-Fund-Manager besuchen mit Hippies Solar-Energie-Kongresse. Bewusst verpassen sich globale US-Konzerne einen grünen Anstrich. Die Bank of America und Google etwa zahlen mit, wenn ihre Angestellten Hybrid-Autos kaufen.

Letztes Jahr gab die öffentliche Hand 17 Milliarden Dollar für alternative Energieprojekte aus, eine Zunahme von fast 90 Prozent. 2006 soll sich die Summe verdreifachen. Mancher Bundesstaat hat den Kampf gegen die Erderwärmung gesetzlich verankert. Deren 22 verlangen, innert zehn Jahren ein Drittel des Stroms durch erneuerbare Energiequellen zu erzeugen. Kalifornien – die grüne Vordenkerin – will die Emissionsvorgaben von Kioto erfüllen. Alle aussichtsreichen Präsidentschaftskandidaten – die Republikaner John McCain und Rudolph Giuliani und die Demokraten Hillary Clinton und Barack Obama – wollen, dass Amerika alsbald als grüne Nation wahrgenommen wird.

Privat ist das bereits so. Risikokapitalisten und Verwalter von Pensionskassen pumpen Milliarden in Firmen, die Solarzellen herstellen, Ethanol produzieren, grünes Bauen ermöglichen oder natürliche Pestizide anbieten. Vervierfacht hat sich seit 2004 die Investmentsumme in grüne Start-ups, von 500 Millionen auf heute zwei Milliarden Dollar, berechnete Venture Business Research. Insgesamt dürften heuer 63 Milliarden Dollar in alternative Energieprojekte fliessen, so New Energy Finance, 2004 waren es noch 30 Milliarden.

Die Nachfrage nach Investmentmöglichkeiten übersteige derzeit das Angebot, sagte Credit-Suisse-Banker Paul T. Ho dem Magazin «Business Week». Deshalb bereite die Bank etliche grüne IPOs vor. An die Börse gelangen mehrheitlich von Bauern gegründete Firmen, die Energie im Getreidegürtel Amerikas fördern. So wird die einstige Kornkammer der Welt zum Energiedepot. Statt zu Tofu oder Polenta werden Maiskolben und Sojabohnen zu Biotreibstoffen verarbeitet. Auf Feldern kurbelt der ewige Präriewind vermehrt Windturbinen an. Von jetzt einem auf 20 Prozent werde der Anteil der Windkraft wachsen, schätzen Analysten.

Dieses enorme grüne Potenzial entdeckend zunehmend Amerikas Superreiche. Unlängst legte sich Warren Buffett MidAmerican Energy zu, den grössten US-Produzenten von Windenergie. Microsoft-Gründer Bill Gates hat über seine private Investmentfirma Cascade einen Viertel an Pacific Ethanol erworben, eine Firma, die Biosprit vertreibt. Jüngst investierten die Google-Gründer Larry Page und Sergey Brin in das Solarzellen-Start-up NanoSolar.

Sie alle wollen Geld verdienen. Ebenso Jeffrey Immelt, der Chef von General Electric. «Grün ist grün» lautet unverhohlen sein Slogan, in Anlehnung an die Farbe des US-Dollars. Zwanzig Milliarden investiert er, um das Konglomerat zum führenden Anbieter umweltschonender Technologien zu wandeln. GE-Ingenieure entwickeln saubere Kohlekraftwerke, neuartige Solarzellen oder hybride und somit saubere Lokomotiven. GE ist führend bei Windenergieanlagen und hat eben Energie effiziente Flugzeug- und Schiffsmotoren lanciert.

Als «positiv für Umwelt-Aktien» stuft die UBS-Analystin Julie Hudson den Erfolg der Demokraten bei den US-Kongresswahlen ein. Sie erwartet Steuererleichterungen für alternative Energiequellen wie Ethanol oder Windkraft. In Folge empfiehlt sich drei Solarzellen-Hersteller zum Kauf: Energy Conversion Devices, MEMC Electronic Materials und Cypress Semiconductor, die Mehrheitsbesitzerin der ebenfalls börsenkotierten SunPower.

Ein «buy»-Rating hält Hudson zudem für die 1994 in San Diego gegründete Biotechfirma Diversa. Sie stellt Enzyme her, welche die Energiebilanz von Biobrennstoffen wie Ethanol erhöhen. Innert Jahresfrist hat sich der Börsenwert mehr als verdoppelt, von unter fünf auf fast elf Dollar. Die Aktie habe noch mehr Potenzial, sagt Analystin Pamela Bassett von Cantor Fitzgerald. Ihr Kursziel: 14 Dollar.