Diese Rendite ist ja göttlich

Biblische Grundsätze sind den amerikanischen Evangelikalen auch bei der Geldanlage heilig. Amerikas Christen entdecken die Börse. Biblisch ausgerichtete Fonds boomen. Firmen, die sich für gleiche Rechte von Schwulen einsetzen, kommen als Anlage nicht in Frage, Rüstungskonzerne durchaus.

Von Peter Hossli

Arthur Ally versteht sich als Anleger Gottes. «Die Richtlinien meiner Investitionen setzt die Bibel», sagt der Präsident des Timothy Plans, einem christlichen Fondpaket. «Die Bibel ist Gottes Wort, sie irrt nie.» Von Florida aus führt Ally neun verschiedene Investmentfonds. Er verwaltet 460 Millionen Dollar von 35000 Anlegern, die alle ihren Glauben mit dem Geldbeutel bekräftigen wollen.

Spezialisten sortieren Anlagen aus, die nicht biblisch sind. Keinen Platz haben da etwa Firmen, «die den homosexuellen Lebensstil» fördern, sagt Ally. Er wirft Spitäler aus dem Portfolio, die Abtreibungen vornehmen. Ebenso verzichtet er auf Hersteller von Verhütungs- und Suchtmitteln. Weder in Tabak- und Alkoholfirmen noch in Betreiber von Kasinos investiert der Timothy Plan. Tabu sind Verleger von Pornografie oder Unterhaltungsfirmen, die «gegen die Werte von gesunden Familien» verstossen würden, sagt Ally. Nicht in Frage kommen daher die meisten Hollywoodstudios, da sie Schwule und Lesben in TV-Serien integrieren. Ausgeschlossen sind Hotelketten, die Gästen per Pay-per-View Sexfilme anbieten.

Keine Mühe bekundet Ally hingegen mit Rüstungskonzernen – trotz vermeintlich pazifistischer Lehre Jesu. «Die Bibel sagt mehr über Gottes Urteil als über seine Liebe», sagt Allly. «Waffen und Kriege sind dazu da, sich gegen reale Gefahren zu verteidigen.» Ausdrücklich fordere Gott die Gläubigen in der Bibel auf, «Waffen in die Hand zu nehmen, um Heiden auszulöschen». Er investiere auch in Firmen, die vom Irakkrieg profitieren. «Wir wehren uns dort gegen Terroristen, die Amerika zerstören wollen.»

Arthur Ally gilt als Pionier christlicher Fonds. Er gründete den Timothy Plan 1992 als Pensionskasse für Pastoren. «Wir konnten es den Priestern nicht zumuten, dass sie Gottes Wort von der Kanzel predigen und dann in Abtreibungsfabriken investieren.» Mittlerweile führt er in einer online publizierten «Hall of Shame» 472 amerikanische Firmen, die nicht nach biblischen Grundsätzen operieren. Die meisten davon behandeln Homosexuelle gleichwertig.

Dass damit nicht die bestmögliche Rendite erzielt werde, störe seine Investoren nicht, sagt Ally. «Es ist wichtiger, dass ihr Geld nicht in Teufels Hand fällt.» Immerhin: Der Timothy Plan erwirtschaftete in den letzten fünf Jahren eine Durchschnittsrendite von 16,3 Prozent.

Religiöse Fonds wachsen in den USA so rasch wie die inbrünstige Jesus-Verehrung. Sinn- und Kapitalsuchende berät etwa die Firma Compassionate Capitalist. Deren Chef war einst Pastor und liess sich zum Finanzplaner umschulen. Er schlägt gläubigen Kunden fast zwanzig christliche Fonds vor – mit viel sagenden Namen: Noah Fund, Shepherd Values Fund, Thrivent Financial for Lutherans. Wurden im Jahr 2000 noch 2,37 Milliarden Dollar christlich verwaltet, sind es nun über 16 Milliarden, ein Plus von fast 700 Prozent. Zur selben Zeit nahm das in allen US-Fonds gehaltene Kapital um 25 Prozent zu.

Der Boom reflektiert den religiösen Trend in den USA. Gemäss einer Gallup-Umfrage bezeichnen sich 46 Prozent aller Amerikaner als Evangelikale, als freikirchliche Christen, die Jesus als ihren Retter sehen. Sie verstehen die Bibel als wörtlich wahr. So akzeptieren bloss 13 Prozent aller Amerikaner die Evolutionstheorie von Charles Darwin. 55 Prozent, so eine CBS-News-Umfrage, schreiben Gott die Schöpfung der Menschen zu.

Diese bibeltreuen Christen wähnen das Abendland in Gefahr, seit der oberste Gerichtshof 2003 ein texanisches Gesetz gegen gleichgeschlechtlichen Sex als illegal bezeichnet hat. Vornehmlich republikanische Politiker verknüpfen seither Wahlgänge erfolgreich mit Abstimmungen zum Verbot gleichgeschlechtlicher Ehen.

Der traditionelle Bund fürs Leben zwischen Mann und Frau ist sodann wichtigste Leitlinie des Ave Maria Funds, eines 2001 von Katholiken im US-Bundesstaat Michigan gestarteten Fonds. «Eine Liebesgemeinschaft, die Gott nicht absegnet, ist ein Schlag ins Gesicht von Katholiken», sagt George Schwartz, der die sechs Fonds des Ave Maria Fund managt. Er siebt Firmen gezielt aus, die nicht verheirateten Paaren – ob hetero- oder homosexuell – die selben Sozialleistungen gewähren wie Ehegatten. Als sich der US-Pharmakonzern Eli Lilly entschied, künftig die Lebenspartner ihrer Angestellten die Krankenkasse zu zahlen, verkaufte der Ave Maria Funds sofort alle Eli-Lilly-Aktien.

Wie andere christliche Fonds filtert Schwartz Firmen aufgrund von Abtreibung, Verhütungsmittel oder Pornografie. Insgesamt verzichtet er auf rund 400 Firmen, wovon 300 dem S&P-500-Index angehören. Es seien hauptsächlich «grosse Konzerne, die politisch korrekt agieren müssen», sagt Schwartz, also gleichgeschlechtliche Paare nicht diskriminieren würden.

Schwartz’ katholischer Beirat, angeführt vom Erzbischof der Diözese Detroit, toleriert aber Alkohol, Tabak – und Rüstungskonzerne. So hält der Fund grosse Anteile an U-Boot- und Panzerbauer General Dynamics. «Mit Waffen verteidigen wir die US-Verfassung, dagegen sind wir Katholiken nicht», sagt er.

Zudem hilft es der Performance. In den letzten fünf Jahren stieg der Ave Maria Fund um 72,4 Prozent, wohingegen der S&P-500 zur selben Zeit um bloss 15,8 Prozent anstiegen ist. Ein Leistungsausweis, der Kapital anziehen soll. «Wir wollen möglichst gross und einflussreich werden», sagt Schwartz. «Verwalten wir mal mehrere Milliarden Dollar, können wir vielen Firmen biblisches Wirtschaften aufzwingen.»

Box: Vice Fund
Dem Laster würden die Menschen immer frönen, sagt Hedda Nadler, Sprecherin des Vice Funds. «Selbst in schwersten Krisen trinken und rauchen wir, wir setzen uns ins Kasino, und Kriege führen wir auch immer.» Insofern sei der Vice Fund eine «sichere Anlage». Der knapp 60 Millionen Dollar umfassende Vice Fund investiert fast ausschliesslich in Alkohol- und Tabakhersteller, Rüstungskonzerne sowie Betreiber von Spielkasinos. Mit beachtlichem Erfolg. In den letzten drei Jahren erzielte er durchschnittlich eine jährliche Rendite von 18.9 Prozent. Im Fünfjahres-Vergleich mit dem katholischen Fond schneidet der Laster-Fond besser ab. So legte der Vice Fund um 87 Prozent zu, während der Ave Maria Fund ein Plus von 71 Prozent schaffte.