Die Amerikaner sind aus dem Häuschen

In den USA sinken die Hauspreise. Das gefährdet nicht nur die Wirtschaft, sondern auch die amerikanische Psyche. Ob im Fernsehen oder auf Partys: Der Hauskauf ist in den USA das dominierende Gesprächsthema. Umso mehr schlagen die sinkenden Hauspreise den Amerikanern nun aufs Gemüt.

Von Peter Hossli

Das sind Kennzahlen, welche die Investoren aufrütteln. Erstmals seit 1993 fallen im August in den USA die Hauspreise wieder. Regelrecht eingebrochen ist die Nachfrage: -17 Prozent bei neuen, -12 bei bestehenden Heimen. Die Ökonomen rätseln nun, ob dies die USA in eine Rezession treibt. Der abflachende Häusermarkt koste ein Prozent Wachstum, schätzte letzte Woche Notenbankchef Ben Bernanke. Jahrelang war der Immobilienboom die Triebfeder der US-Wirtschaft. Seit 2001 wurden 20 Prozent der neuen Jobs im Liegenschaftensektor geschaffen, auf Baustellen, in Maklerbüros oder bei Hypothekarbanken.

Sinken die Preise, fühlt sich Amerika sofort ärmer. Ein Grossteil der Vermögen liegt nämlich in Eigenheimen. Da diese in den letzten Jahren rasant wertvoller wurden – ein Plus von 200 Prozent war nicht selten -, glaubten viele Amerikaner, reicher zu sein. Umgehend gaben sie das teure Haus als Pfand und nahmen Darlehen auf, um Kühlschränke, Farbfernseher oder Autos zu erstehen. Verliert das Pfand jetzt an Wert, würgt dies den Konsum ab. Was bleibt, sind Schulden.

Der Staat fördert den Hausbesitz gezielt

Bereits letztes Jahr bezeichnete der «Economist» den Häuserboom als «grösste Blase der Geschichte». Zwischen 1997 und 2005 stiegen die Hauspreise in den USA durchschnittlich um 73 Prozent. Wenn die Blase platzt, folgt ein Konsumstopp, fürchten Pessimisten. Rasch fallende Öl- und Benzinpreise werden das verhindern, halten die Optimisten dagegen. Eines ist sicher: Sinken die Immobilienpreise weiter, bricht der amerikanische Frohsinn ein. Das eigene Dach über dem Kopf ist nämlich noch immer der Inbegriff des amerikanischen Traums. «American Dream Downpayment Act» nannte Präsident George W. Bush ein 2003 verabschiedetes Gesetz für die erleichterte Aufnahme von Krediten. «Der Staat fördert den Hausbesitz gezielt», sagt der Sprecher der National Association of Realtors, Steve Cook.

Mit Erfolg. 70 Prozent der Amerikaner besitzen ihre eigenen vier Wände, nur 30 Prozent mieten sie. Cook begründet den Hang zum Eigenheim kulturell: «Wir sind ein Land von Immigranten. Erst ein Hausbesitzer hat echte Wurzeln.» Die Wertsteigerung habe den Anteil an Besitzern zusätzlich erhöht. «Viele Amerikaner haben erkannt, dass ein Haus die Altersvorsorge eher sichert als die Börse», sagt Cook.

Zumindest suggerieren dies die Medien. Wie einst beim Internetboom feiern sie jetzt die Instant-Hausmillionäre. Fröhlich feiern die Banken mit – und gewähren selbst insolventen Kunden Hypotheken. So erhielt 2004 beinahe die Hälfte der Erst- und 25 Prozent aller Käufer ein Darlehen gänzlich ohne Eigenkapital.

Ein Verhalten, das den Zeitgeist spiegelt. Immobilien bieten längst nicht mehr nur ein Dach über dem Kopf, sie sind das Hobby, der Fetisch und die Bargeldreserve Amerikas. Ob auf Partys oder in der Arbeitspause – auf kein Thema kommt das Gespräch rascher. Lautete vor Jahren die erste Frage noch «Wo wohnst du?», heisst sie heute «Wann hast du gekauft?». Trumpfte früher einer auf, der in den Achtzigerjahren in Microsoft-Aktien investiert hatte, ist es heute jener, der in den Neunzigern ein Haus kaufte.

Waren die Day-Trader die Mitesser des Internetbooms, schmarotzen jetzt die sogenannten Flippers. Sie besuchen Immobilienpartys, die in Städten mit starkem Preisanstieg wie Miami oder New York zum sozialen Programm gehören. Statt Cocktails zu schlürfen, feilschen die Flippers um rasche Returns. Bauherren verkaufen ihnen noch nicht mal erstellte Behausungen. Umgehend verkaufen die Flippers sie weiter, nicht selten mit einem Gewinn von 100 Prozent. Ein Viertel der 2004 in den USA verkauften Wohnungen waren solche Investitionsobjekte, in Miami gar 70 Prozent. Finden die Flippers nicht auf Anhieb einen Käufer, vermieten sie das Heim oft unter dem Marktwert – in der Hoffnung, dass der Preis weiter steige.

Immobiliensendungen sind ein Quotenhit

Die Vorstellung, das Eigenheim sei der Goldesel unserer Tage, prägt auch das TV-Programm. Nonstop berichtet der Kabelkanal DIY, wie ein Haus gebaut, finanziert, gepflegt, renoviert, abgerissen oder verkauft werden kann. Zur besten Sendezeit – sonntagabends um 20 Uhr vor «Desperate Housewives» – zeigt der Sender ABC jeweils «Extreme Makover: Home Edition». Die Reality-Show folgt Familien, die ihr Haus renovieren. Was ereignislos klingt, ist ein Quotenhit. Mit wöchentlich 18 Millionen Zuschauern landet die Show regelmässig in den Topten aller US-Sendungen. Die Zuschauer lernen, wie eine Renovation den Wert eines Hauses vermehren kann. Wer 100 000 Dollar investiert, lautet die Faustregel, erhöht den Wert um 150 000 Dollar.

Einen Haken hat das Vermehrungsmodell. Wer abkassieren und sein an Wert gesteigertes Haus verkaufen will, muss in eine weniger begehrte Stadt ziehen. Denn die Nachbarhäuser sind zu teuer geworden.