Von Peter Hossli (Text) und Ed Quinn (Fotos)
Die «Financial Times» hält Robert S. Kaplan, 66, für den einflussreichsten Denker wenn es um Managementfragen geht. Der am MIT ausgebildete Ingenieur lehrt seit 1984 an der Harvard Business School, der angesehenen Ausbildungsstätte für Betriebswirtschafter in Boston. Zusammen mit seinem Kollegen David P. Norten entwickelte er zu Beginn der neunziger Jahre das Führungsinstrument der Balanced Scorecard. Es sollte zu einer der wichtigen Management-Methoden einer ganzen Generation werden. Mit einer Balanced Scorecard soll das Management den gesamten Planungs-, Steuerungs- und Kontrollprozess zwischen kurz- und langfristigen Zielen ausbalancieren. Wobei die monetären wie die nichtmonetären Kennzahlen gemessen werden sollten. Oft wird die Balanced Scorecard mit dem Stakeholder-Ansatz verglichen und als Alternative zum Shareholder-Value-Ansatz gesehen. Kaplan bestreitet dies: «Es geht mir um eine langfristige Maximierung des Shareholder-Values.» Kaplan ist Autor oder Ko-Autor von 12. Sein neustes, verfasst mit Norten, ist eben erschienen: «Alignment: Using the Balanced Scorecard to Create Corporate Synergies».
Professor Kaplan, Henry Paulson hat als Goldman-Sachs-Chef pro Jahr 38 Millionen Dollar verdient. Nun ist er US-Finanzminister und kriegt 150’000 Dollar. Warum tut er das? Es macht ökonomisch keinen Sinn.
Robert S. Kaplan: Henry Paulson hat mehr Geld verdient als er ausgeben kann. Jetzt will er seinem Leben anderswie Sinn geben. Ein Lebenswerk lässt sich ja nicht allein durch das Einkommen beurteilen. Wichtig ist auch, welchen Einfluss jemand auf die Welt und die Menschen auswirkt. Paulson führt zudem jene Goldman-Sachs-Tradition fort, wonach deren Top-Manager für eine Weile der Öffentlichkeit dienen.
War Paulsons Leistung bei Goldman Sachs so viel mehr Wert als sie im Finanzministerium sein wird?
Kaplan: Was ist wertvoller, Luft oder Gold? Ohne Luft kann niemand leben. Wir kriegen sie aber gratis. Gold kostet 660 Dollar die Unze. Nützlich ist es für nur Zahnfüllungen oder Schmuck. Der Preis allein ist nie ein Indikator für das, was einer Person oder der gesamten Gesellschaft wertvoll ist.
Das Magazin «Forbes» publiziert jährliche Listen mit den höchsten Manager-Löhnen. Letztes Jahr war erneut ein Rekordlohnjahr, vor allen in der Ölindustrie und an der Wall Street. Sind Einkommen in zwei- oder gar dreistelliger Millionenhöhe gerechtfertigt?
Kaplan: Sie stellen die falsche Frage. Sie sollte lauten: Wie misst man den Beitrag eines CEOs am erfolgreichen Gedeihen eines Konzern. Es gibt Firmenchefs, die enorm viel Wert kreieren und daher wertvoll sind. Ihnen steht ein entsprechend hohes Gehalt zu.
Dann ist die erbittert geführte Debatte über Managerlöhne weitgehend unnötig?
Kaplan: Sie muss verlagert werden. Oft ist das Gehalt zu sehr Abhängig von der Entwicklung des Aktienkurses. Das ist falsch. Wenn der Ölpreis von 20 auf 75 Dollar steigt, muss ein CEO schon ein ziemlicher Idiot sein, damit Gewinn und Aktienkurs nicht rasant steigen. Das heisst aber noch lange nicht, dass er gleichzeitig echte Werte geschaffen hat. Es würde mehr Sinn machen, das Geld in die Suche neuer Ölquellen zu investieren als es dem Chef zu geben. Schliesslich hat er nichts zum Ölpreis beigetragen.
1992 publizierten Sie erstmals Ihr Prinzip der Balanced Scorecard. Seither wendet eine ganze Generation von Managern dieses Führungsinstrument an. Sie raten, die finanziellen wie die nicht-finanziellen Aspekte einer Firma zu messen. Wie soll demnach die Leistung des Chefs gemessen werden?
Kaplan: Firmen sollten bei der Gehaltsfestlegung stets die Balance zwischen den aktuellen finanziellen Resultaten und den in der Zukunft geschaffenen Werten berücksichtigen.
Und warum passiert das viel zu selten?
Kaplan: Weil die Kontrollorgane versagen. Es braucht endlich vom Management unabhängige Gehalt-Komitees. Oft legt ein Freund des Chefs dessen Einkommen fest. Dabei sollte vornehmlich darauf geachtet werden, ob jemand langfristig denkt.
Wie kann ein Chef langfristig denken, wenn er jedes Quartal Gewinnwachstum vorweisen muss?
Kaplan: Darin liegt das Problem. Viele Manager opfern echte Wertschöpfung zugunsten des Quartalsergebnisses. Sie investieren nicht in die Infrastruktur oder das Personal, sie entwickeln keine neue Produkte oder vernachlässigen die Kunden. Das führt zwar kurzfristig zum Erfolg, schafft aber keinen Wert. Insofern lässt sich anhand des Finanzergebnisses wenig sagen über die langfristige Wertschöpfung einer Firma.
Demnach müssten die meisten Löhne gesenkt werden, da die Manager nicht langfristigen denken?
Kaplan: Zuerst müssen sie Abschied nehmen vom Quartalsdenken. Wer seine Ziele auf 20 Jahre ausrichtet, muss schon mal ein Quartal mit schlechten Zahlen hinnehmen.
Die Finanzmärkte fordern aber gute Ergebnisse im Quartals-Rhythmus.
Kaplan: Manager reden mit zwei Zungen. Sie beschweren sich über die Finanzmärkte, die nur die Quartalszahlen, nicht aber die Zukunft bewerten wollen. Gleichzeitig legen sie den Analysten nur etwas offen: Ebendiese Quartalszahlen. Investoren brauchen jedoch klare Angaben zur langfristigen Strategie, sonst bleibt der Quartalsdruck bestehen.
Solche Transparenz ist eine zentrale Säule Ihres Prinzips. Sie scheint sehr gefährlich – wer die Strategie offen legt, offenbart sie der Konkurrenz.
Kaplan: Niemand kann sich vormachen, die Konkurrenz kenne seine Strategie nicht. Heikel sind allenfalls genau Angaben zu Zahlen. Die lassen sich leicht durch Indexe ersetzen. Für den Erfolg einer Firma ist es aber unabdingbar, dass die Strategie und deren Umsetzung innerhalb der Firma transparent sind. Die Angestellten müssen genau wissen, was der Chef vorhat.
Das birgt das Risiko, dass das Personal die Strategie zur Konkurrenz trägt.
Kaplan: Ein Business führen ist wie Schach spielen. Das Spiel ist grundsätzlich öffentlich. Der Gegner sieht jeden einzelnen Zug. Dadurch wird die gesamte Ausrichtung erkennbar. Es gewinnt schliesslich derjenige, der seine Züge am besten plant und ausführt, der Dinge tut, denen die Konkurrenz nichts entgegensetzen kann.
Mangelt es an Transparenz, weil die amerikanischen Chefs vornehmlich von Eigeninteressen geleitet sind?
Kaplan: Das ist ein europäischer Stereotyp, und er ist falsch. Es gibt nach wie vor wirklich gute CEOs, die sehr viel verdienen, die grossartige Visionen haben und enorme Werte schaffen.
Wer gefällt Ihnen besonders?
Kaplan: Etwa Jack Welch von General Electric.
Er trat 2001 ab und wurde wegen seiner jährlichen Pension von 8 Millionen Dollar kritisiert.
Kaplan: Welch hat enorm viel Wert geschaffen, insgesamt 400 Milliarden Dollar. Es ist ein direktes Resultat seiner Disziplin und Führungsstärke.
Google verkündete vor dem Börsengang, die Firma würde sich dem Quartalsdruck nicht beugen und auch mal schlechtere Zahlen schreiben. Ist Google für Sie die ideale Firma?
Kaplan: Ich weiss nicht, ob sie meinem Prinzip folgt. Das IPO ist aber eine hervorragende Möglichkeit, um eine langfristige Strategie darzulegen. Damit lässt sich früh eine treue Gefolgschaft bei den Analysten und Investoren aufbauen. Wer sagt, «investiert nicht in uns, wenn ihr nicht jedes Quartal ein Plus wollt», der kriegt bestimmt nur langfristig denkende Aktionäre.
Wie kann eine alteingesessene Firma die Anleger auf eine langfristige Strategie trimmen?
Kaplan: Die Ölfirma Mobil adoptierte 1995 unser Prinzip. Das erste Quartal fiel miserabel aus. Alle fürchteten um ihren Job. Darauf rief der CEO sein Kader zusammen. Er gab die ganze Schuld dem warmen Wetter. Die Milde hätte den Verkauf von Erdgas vermindert. Alle anderen Indikatoren, die er messen könne, zeigten nach oben. «Es war ein sehr gutes Quartal», sagt er. Die Leuten waren zwar schockiert, aber sie verstandenen es als wichtiges Signal, dass der Chef es ernst meint mit der langfristigen Ausrichtung. Quartalszahlen sind meist abhängig von Dingen, die niemand beeinflussen kann, sei es das Wetter oder 9/11.
Die Balanced Scorecard ist beliebt bei europäischen Firmen. Gibt es einen kulturellen Unterschied betreffend der Lohnforderungen der Manager?
Kaplan: In den USA ist die Leistung bei der Festsetzung des Gehaltes weit wichtiger als in Europa. Allerdings breitet sich die amerikanische Ansicht in Europa rasant aus. Von einem europäischen Einfluss in den USA ist hingegen nichts zu spüren.
Europäer fürchten sich vor amerikanischen Verhältnissen.
Kaplan: Es ist doch menschlich, wenn die Leute für gute Leistungen mehr Geld verlangen. Der Kapitalismus funktioniert nicht, weil die Menschen heilig sind, sondern weil sie gierig sind. Wer eigennützig handelt, kreiert Werte für alle.
In der Schweiz schreien die Boulevard-Medien auf, wenn die Gehälter der Manager explodieren.
Kaplan: Es ist eine Debatte, die erst so richtig anfängt, zumal in der Schweiz bisher selten aufgrund der Leistung entlöhnt wurde. Unlängst erklärte mir ein Schweizer CEO seine Firmenkultur: Der Chef trabt Ende Jahr beim Verwaltungsrat an, rapportiert ein tolles Geschäftsjahr, eine motivierte Belegschaft und gute Kundenbeziehungen. Am Schluss der Sitzung erhält er vier Prozent mehr Lohn. Im nächsten Jahr trabt er wieder an, muss hohe Verluste vermelden, mürbe Angestellte und verärgerte Kunde. Er erhält wieder vier Prozent mehr Lohn. Eine solche Haltung ist nicht gut.
Was können Europäer von Amerikanern lernen?
Kaplan: Dass Gier gut ist. Dass es okay ist, mehr zu verdienen, wenn man erfolgreich ist. Dass es sich auszahlt, unternehmerisch zu denken und Risiken einzugehen.
Und was können die Amerikaner von den Europäern lernen?
Kaplan: Wie man durch einen ganzheitlichen Ansatz langfristige Werte schaffen kann. Vor allem in skandinavische Firmen kommt mein Prinzip sehr gut an, weil die dortigen Firmen gerne in ihr Personal investieren. Es ist ihnen wichtig, dort gut verankert zu sein, wo sie tätig sind.
Das ganzheitliche Europa hinkt hinter dem gierigen Amerika bezüglich Wachstums und Beschäftigung hinterher. Dann zahlt sich Gier mehr aus?
Kaplan: Es ist nicht nur das. Den Europäern fehlt es an Mobilität innerhalb der wirtschaftlichen Klassen. Die Geschichte des Tellerwäschers, der zum Millionär wird, ist ein zentraler Teil der amerikanischen, nicht aber der europäischen Kultur. Die Klassen sind in Europa viel zu wenig porös. Reiche Europäer sind selten bereit, anderen zu Reichtum zu verhelfen.
Was raten Sie Europa?
Kaplan: Sie müssen ihre Immigrationspolitik ändern. Sie müssen den Immigranten die Möglichkeit geben, sich auszubilden und Werte zu schaffen, wie das in Amerika möglich ist. Meine Eltern wanderten einst mittellos in die USA aus. Durch harte Arbeit konnten sie mir eine Ausbildung am MIT bezahlen. Dank harter Arbeit bin ich heute ganz oben.
Ihr Erfolg lässt sich auf Ihr Prinzip der Balanced Scorecard zurückführen. Schweizer Firmen wie Rivella, Soreno oder CSS wenden sie an. Welche Erfahrungen haben sie damit?
Kaplan: Wir wissen es nicht, da wir in der Schweiz selbst keinen Ableger unserer Beratungsfirma haben. Die Manager lesen unsere Bücher und entwickeln die Scorecard eigenständig. Wir wissen, dass Novartis sie benutzt, dazu ein paar Banken und auch Swiss Re. Allerdings hat die Stärke von Orkanen oder Erdbeben mehr Auswirkungen auf den Geschäftsgang von Swiss Re als die Balanced Scorecard.
Die Swissair setzte ebenfalls darauf – und ging damit kläglich unter. Kugelsicher ist das System also nicht.
Kaplan: Ich kenne Mario Corti persönlich. Er sagte, es gebe keine schlimmere Industrie als die Airline-Industrie. Dagegen kann selbst das beste Management nichts anhaben.
Welche Firmen haben einen wirklich langfristigen und ganzheitlichen Ansatz?
Kaplan: General Electric ist eine wunderbare Firma.
Deren Aktienkurs ist so tief wie seit einem Jahr nicht mehr.
Kaplan: Jack Welch hatte einst die besten Leute geholte und investierte nonstop ins Personal. Er drängte umbarmherzig auf Leistung und die Schaffung von Wert. Sein Nachfolger Jeffrey Immelt führ das Erbe von Welch weiter. Er redet ständig über Innovation. Es ist ihm gelungen, diese riesige Firma sehr mobil zu halten. Damit schafft er langfristig echt Werte.
Eine andere riesige US-Firma ist General Motors. Sie leidet seit Jahren. So viel schwächer kann das GM-Management nicht sein.
Kaplan: GM ist ein Gefangener der Vergangenheit. Die Beziehungen zum Personal sind miserabel. Verlieren die Angestellten das Vertrauen ins Management, lässt sich keine Firma retten. GE hatte dieses Problem nie. In den siebziger und achtziger Jahre hatte GE bessere Manager als General Motors. Hinzu kommt der teure Sozialapparat, den GM aufgebaut hat. Pro Auto muss GM 1500 Dollar mehr für Sozialkosten zahlen als Toyota oder Honda. Schuld sind die Manager, die vor 40 Jahren solche Verträge offeriert haben.
GM mangelt es auch an innovativen Autos. Sie halten Innovation für den Schlüssel des langfristigen Erfolgs. Oft dauert es aber Jahre, bis neue Produkte Resultate tragen. Den Investoren fehlt dazu die Geduld.
Kaplan: Es dennoch nicht zu tun, ist fatal. Als der Deutsche Dieter Zetsche vor fünf Jahren Chrysler übernahm, war er mit ähnlichen Problemen konfrontiert wie General Motors. Es drohten Entlassungen, das Personal war frustriert. Zetsche entwickelte eine Balanced Scorecard – und teilte sie der gesamten Belegschaft mit. Der Kern lautete: Wir müssen Kosten sparen, vor allem aber müssen wir grossartige Autos entwickeln, die Qualität verbessern und die Kunden zufrieden stellen. Vier Jahre später schrieb Chrysler wieder Gewinnen – mit tollen Autos.
Anfänglich wurde Zetsche als Aussenseiter abgelehnt. Warum hatte er Erfolg?
Kaplan: Weil er allen Mitarbeitern seine Strategie mitteilte. Jeder einzelne erhielt eine detaillierte Broschüre, in der alle Ziele aufgelistet waren. Jeder dachte darüber nach, was er zu diesen Zielen beitragen könnte. Einfach genial.
Ein Plan kreiert noch lange keine innovativen Leute.
Kaplan: Als Jack Klinck die Mellon-Bank von Europa leitete, besuchte er oft die Zweigstellen. Beim ersten Besuch legte er seinen Strategie-Plan aufs Pult und fragte, was das sei. «Unser Strategie-Plan», antwortete der Angestellte. Dann musste er ihn erklären. «Und was tragen Sie dazu bei, ihn umsetzen?», fragte Klinck. Der Angstellte verstummte. Danach jagten sich bei Mellon E-Mail-Darstellungen des Klinck-Besuchs. Alle wussten nun, was der Chef erwartet: Einen persönlichen Beitrag zur Mellon-Strategie.
Dann dient die Transparenz der Motivation des Personals?
Kaplan: Man kann das Personal nur motivieren, indem man Hoffnung für die Zukunft verbreitet. Wer nur hört, man müsse sparen, hat bald keine Lust mehr zu arbeiten. Er beobachtet den eigenen Tod in Raten. Oft macht es mehr Sinn, rasch eine Amputation vorzunehmen und das zu behalten, was wirklich wirtschaftlich ist. Nur wenn die Leute eine Zukunft sehen, bleiben sie flexibel und denken ständig darüber nach, wie sie ihre Produkte besser machen können.
Sie sind ständig unterwegs und treffen sich weltweit mit Managern. Welche globalen Trends machen Sie aus?
Kaplan: Wir erleben die schlechtesten und besten aller Zeiten. In den Entwicklungsländern zeigen die Finanzmärkte nach oben, es hat Wachstum, die Armut reduziert sich. Das ist gut. In den Industrieländern, insbesondere in Europa und Japan, ist das fehlende Wachstum das Problem schlechthin. Zumal enorm viele arbeitswillige Menschen auf den Arbeitsmarkt drängen, insbesondere in Asien.
Was bedeutet das enorme Wachstum in China und Indien für Firmen der Industrie-Nationen?
Kaplan: Sie müssen sich überlegen, wo sie noch besser sind als die Inder und die Chinesen. Insofern erachte ich das als Riesenchance. Vor allem Europa kann sich nicht mehr länger isolieren. Der Kontinent, insbesondere Deutschland und Frankreich, ähnelt zunehmend General Motors. Deutsche und Franzosen halten an einer längst vergangenen Zeit fest, in der sie reich und alle anderen arm waren; in der sie Qualität und die anderen Schrott produzierten. Das ist nicht mehr so. Chinesische Firmen produzieren heute bessere Fernseher als deutsche. Chinesen machen bessere Telefone als Nokia in Finnland.
Sie haben die Balanced Scorecard vor 14 Jahren erfunden und sind damit reich geworden. Was hat sie den Firmen gebracht?
Kaplan: Wir wissen, dass das Prinzip funktioniert. Unsere Hall-of-Fame hat bereits 65 Mitglieder, das sind Konzerne, die die Scorecard höchst erfolgreich anwenden. Jedes Jahr kommen rund 20 Konzerne dazu.
Es gibt aber viele, die damit scheitern.
Kaplan: Einige nutzen sie nur zur Festlegung der Gehälter, nicht aber für die Transparenz innerhalb der Firma oder die Motivation. Sie sehen nur die Oberfläche und nicht die tiefe strukturelle Kraft des Prinzips.
Hat die Wissenschaft überhaupt einen Einfluss auf die Wirtschaftswelt?
Kaplan: Kaum. Die Balanced Scorecard ist eine Ausnahme. Sonst kümmert sich die akademische Welt zu wenig um die Praxis. Professoren schreiben ihre Artikel meist für sich selbst. Ich erachte es aber als meine Pflicht, wirklich etwas zu bewirken. Das kommt von meiner Ausbildung als Ingenieur. Ich will nicht einfach Prozesse studieren und sie erklären, ich will sie besser machen und verändern.
Was treibt Sie an?
Kaplan: Die Harvard Business School ist eine Berufsschule. Es werden Menschen ausgebildet, die dereinst Firmen führen. Sie sollen nicht einfach begreifen, was draussen passiert. Ich will sie lehren, besser zu werden als die Generation zuvor. Sie sollen fähig sein, jede Organisation weiter zu entwickeln.
Was bedeutet Ihnen Geld?
Kaplan: Geld macht mein Leben angenehmer. Da ich mich nicht um alltägliche Dinge wie das Schulgeld meiner Kinder oder die Hypothek kümmern muss, kann ich kreativer sein. Geld hilft mir zudem, meine knappe Zeit optimal zu verteilen. Es gibt viele Menschen, die mich für Reden einladen oder als Berater wollen. Wer mir viel zahlen muss, organisiert und bewirbt einen Vortrag besser oder bereitet sich intensiver auf eine Sitzung vor. Rede ich gratis, geben sich die Leute weniger Mühe.
Haben Sie für Ihr Leben eine Balanced Scorecard erstellt?
Kaplan: Nein. Es gibt viele Menschen, die ihre Arbeit und ihre Freizeit balancieren, ebenso ihren Konsum und die Investitionen. Eine Scorecard hilft ihnen, das richtige zu lernen, den richtigen Job zu finden. Ich hingegen habe immer opportunistisch und intuitiv gehandelt. Ich tue, was mich interessiert. Zum Glück hat es funktioniert.
Ein sehr interessantes Interview und das was Kaplan sagt, spiegelt genau meine Sicht der Dinge wider.