Von Peter Hossli
Die Triebfeder der amerikanischen Wirtschaft misst 75 198 Kilometer. So lange ist das nationale Autobahnnetz. Darauf transportieren 3,28 Millionen Fernfahrer rund 84 Prozent der US-Fracht. Sie stillen die Konsumlust, ermöglichen den Internethandel oder transportieren Benzin auch in abgelegenste Dörfer.
Diese stützende Rolle für die vom Konsum abhängige US-Wirtschaft ist gleichzeitig die Schwäche der Trucker-Industrie, die 2005 rund 623 Milliarden Dollar Umsatz erwirtschaftet und 10,7 Milliarden Tonnen Güter transportiert hat. Schlittert das Land in eine Rezession, bricht meist der Konsum ein. Daher leiden die Lastwagenfirmen jeweils härter und länger.
Aufmerksamen Investoren bieten die zyklischen Schwankungen der Transportbranche jedoch lukrative Anlagemöglichkeiten. Je tiefer die Branche fällt, zeigen die langfristigen Zyklen, desto grösser ist der nachfolgende Aufstieg. So erlebte die Industrie zu Beginn der Achtziger- und der Neunzigerjahre, jeweils nach Krisen, regelrechte Boomjahre. Deren Branchenindex legte während jeweils drei Jahren eine um über 50 Prozent bessere Performance hin als der S & P 500.
Transporteure können höhere Tarife fordern
Nun erwarten etliche Analysten analog zu früheren Entwicklungen erneut einen kräftigen Aufschwung. Die Transportbranche darbt nämlich seit Beginn der 2000er-Jahre. 2005 stellten die Camionneure gar einen Pleiterekord auf und verloren rund 10 Prozent ihrer Kapazität. Der rasante Anstieg des Internethandels, welcher zuverlässige und rasche Transporte erfordert, kurbelt nun die Nachfrage wieder an. Um Kosten zu sparen, verkürzen Händler die Lagerhaltung ihrer Güter dramatisch. Deshalb sind sie gerne bereit, für pünktliche Lieferungen happige Aufpreise zu zahlen. «Allein dieses Jahr werden die Frachtpreise um bis zu 8,3 Prozent steigen», schätzt etwa Wachovia-Analyst Justin Yagerman.
Nicht gestiegen sind dagegen die Löhne. Im Gegenteil. Verdienten Fernfahrer während der Neunzigerjahre noch rund sieben Prozent mehr als ähnlich qualifizierte Bauarbeiter, sind es nun fast zehn Prozent weniger. Mickrige Saläre und die Einsamkeit des Jobs veranlassten viele Trucker zum Berufswechsel. Gemäss der American Trucking Association fehlen der Industrie derzeit 20 000 Fernfahrer. Bis 2014 könnten es sogar 110 000 sein. Derweil versuchen Transportunternehmen, ehemalige Pensionäre, Soldaten und Frauen anzuwerben – oder Ehepaare, die sich das Leben in der rollenden Kabine teilen wollen.
Während der Personalmangel zwar die langfristigen Wachstumsaussichten dämpft, gibt er den Firmen Spielraum, die Preise anzuheben. Die Fahrerknappheit sei überdies bereits in die aktuellen Aktienkurse einberechnet, sagt der Transportanalyst von Stifel Nicolaus, David Ross. Hingegen seien die fallenden und somit kostensparenden Treibstoffpreise oder die wachsende Nachfrage nach Transporten noch nicht einberechnet, sagt Yagerman.
Die börsenkotierten Firmen sind am ehesten in der Lage, den stark steigenden Bedarf vor Weihnachten abzudecken. Nicht weniger als 17 Trucking-Aktien stuft der Funds Manager Todd Burchett von Icon Industrials als derzeit unterbewertet ein. Yagerman empfiehlt zwei Papiere für kurzfristig und drei für langfristig denkende Investoren.
Wer auf Nummer sicher gehen will, setzt auf CH Robinson Worldwide, eine global agierende Logistikfirma, die als Broker zwischen Truckern und Händlern agiert.
Wachovia-Analyst Yagerman hält Knight Transportation mit Sitz in Phoenix, Arizona, für die Firma mit dem grössten Wachstumspotenzial. Sie ist schuldenfrei, verfügt über ein starkes Management und weist das beste Ertragsverhältnis der Industrie auf. Zudem expandiert Knight derzeit in den Bereich der Kühltransporte. Die Firma baut ihre regionale Flotte aus und will vermehrt ins Broker-Geschäft einsteigen. «Mit drei Wachstumssegmenten statt nur einem ist Knight jene Kraft, an der sich die gesamte Industrie messen muss», meint Analyst Yagerman.
YRC Worldwide – gebildet durch die Fusion von Yellow und Roadway – gilt als eine sehr preiswerte Trucking-Firma. Yagerman erwartet einen baldigen Auftrieb der Aktien. Das Magazin «Fortune» platzierte den Konzern mit Sitz in Kansas eben erst auf Rang 66 der wachstumsstärksten 100 Firmen.