Die Königin der Uno

Von Peter Hossli (Text) und Stefan Falke (Fotos) Ist es der Elfenbeinturm der Uno? Oder die mangelnde Erfahrung mit der Presse? Zumindest überlässt Sheikha Haya Rashid al-Khalifa nichts dem Zufall. Alle Gesprächsthemen will die neue Präsidentin der Uno-Vollversammlung vorab sehen. Nie eine angenehme, aber keine seltene Bitte. Befremdlich dann der Gesprächsverlauf. Vor der dunkelhaarigen Anwältin aus Bahrain ausgebreitet liegt eine Menge beschriebener Blätter. Nach jeder Frage sucht Sheikha Haya die passende Passage – und liest sie stoisch vor. Findet sie die Antwort mal nicht auf Anhieb, legt sich beklemmende Ruhe ins enge Büro der New Yorker Uno-Mission von Bahrain. Bis eine leere Phrase es bricht. Etwa: «Die Vereinten Nationen sind ein Ort der Hoffnung.» ...

Von Peter Hossli (Text) und Stefan Falke (Fotos)

_dsc0162a.jpgIst es der Elfenbeinturm der Uno? Oder die mangelnde Erfahrung mit der Presse? Zumindest überlässt Sheikha Haya Rashid al-Khalifa nichts dem Zufall. Alle Gesprächsthemen will die neue Präsidentin der Uno-Vollversammlung vorab sehen. Nie eine angenehme, aber keine seltene Bitte. Befremdlich dann der Gesprächsverlauf. Vor der dunkelhaarigen Anwältin aus Bahrain ausgebreitet liegt eine Menge beschriebener Blätter. Nach jeder Frage sucht Sheikha Haya die passende Passage – und liest sie stoisch vor. Findet sie die Antwort mal nicht auf Anhieb, legt sich beklemmende Ruhe ins enge Büro der New Yorker Uno-Mission von Bahrain. Bis eine leere Phrase es bricht. Etwa: «Die Vereinten Nationen sind ein Ort der Hoffnung.» Oder: «Die Uno wurde errichtet, um Gefahren abzuwenden.»

Dabei braucht sich Sheikha Haya nicht zu verstecken. Mit ihr steht erstmals seit 37 Jahren wieder eine Frau an der Spitze der Vollversammlung, das größte wenn nicht einflussreichste Organ des Staatenbundes. Erstmals fällt einer arabischen Frau diese Würde zu, einer Pionierin, wahrlich. Sheikha Haya, im Oktober 54, war die erste Anwältin ihres Landes, die erste Beraterin am Königshof, in Paris erste Botschafterin Bahrains, die erste Bahrainerin, die eine Anwaltskanzlei gründete und erfolgreich führt. Vergönnt blieb ihr nur die eigene Familie. «Dafür fehlt mir die Zeit», sagt sie. Sie bedauert es nicht. «Ich bin glücklich darüber», sagt sie, wohl wissend, dass ihr als Mutter nur das Haus und nicht die Welt offen geständen wäre.

_dsc0130a_2.jpgSheikha Haya ist, was paradox tönt – eine islamische Feministin. «Ich unternehme alles für Gleichheit zwischen Frauen und Männern», umschreibt sie ihr politisches wie persönliches Ziel. «Meine Wahl ist ein Signal an den Okzident wie den Orient», sagt sie. «Frauen können auf höchster Ebene dieselben Ämter führen wie Männer.» Ihre Präsidentschaft offenbare zudem Bah-rain als «Gesicht des offenen Islams», ein stabiler Inselstaat am persischen Golf mit hoch entwickeltem Finanzwesen und Respekt für Menschenrechte. So dürfen Bahrains Frauen seit vier Jahren wählen. «Weitere arabische Länder werden folgen», ist sie überzeugt. Ihr Optimismus gründe auf tiefes Vertrauen in die Vernunft – und die Religion. Nicht etwa der Koran diskriminiere nämlich Frauen, sondern seine uralte Auslegung. «Wir müssen die Texte so lesen, damit sie heutigen Bedürfnissen entsprechen.» Nicht westlicher Gesinnung beuge sie sich damit, sondern juristischer Logik. «Es ist unsinnig, die Handels- und Finanzgesetze dem 21. Jahrhundert anzupassen, privat aber auf die Scharia zu setzen.»

Nie habe sie ihr Haar oder das Gesicht verhüllt. Sie trägt in New York wie in Manama Hosenan-züge, heute einen weißen. Ursprünglich mit Abscheu hätte Bahrains Anwaltszunft sie aufgenom-men. Sie begegnete ihr, wie Frauen das oft tun: Mit Fleiß. «Ich musste besser sein als die an-deren», sagt sie. Heute zählt ihre Kanzlei 14 Anwälte, die Handelsverträge oder Bankgeschäfte abwickeln. Ein prominenter Klient: Das verschmähte Pop-Idol Michael Jackson, das seit 2005 in Bahrain lebt.

Flink pendelt sie zwischen Diplomatie und Jurisprudenz. «Als Anwältin bin ich frei, als Diplomatin wähle ich die Worte und den Ort, wo sie fallen, gezielt.» Ein Jahr lang wird sie die Vollversammlung präsidieren – und will vor allem Vertrauen schaffen. «Die Uno erfüllt ihre Pflicht nicht», sagt die Diplomatin undiplomatisch deutlich. Zu groß sei das Misstrauen unter den 192 Mitgliedstaaten. «Nur wenn wir einander wieder vertrauen, funktioniert die Uno.» Insbesondere die fünf Vetomächte des Sicherheitsrats müssten vermehrt Rücksicht nehmen auf kleinere Staaten. So könne etwa der jüngste Krieg im Nahen Osten – sie nennt ihn «ein großes Desaster» – nur beendet werden «wenn beide Seiten einander verstehen». Die wichtigste Zerreißprobe ihrer Amtszeit dürfte die Wahl des Nachfolgers von Vollsekretär Kofi Annan werden. Als erste Präsidentin überhaupt kann Sheikha Haya den Veto-Staaten Namen unterbreiten.

Auf ihrem Pult liegen drei Bücher bekannter amerikanischer Evangelikaler. Sie lese sie, um die USA besser zu verstehen. Die Uno selbst hält sie für einen Ort, «wo Religion nicht hin darf, sonst wird sie unbrauchbar». Glaube sei etwas Persönliches. «Gefährlich wird es, wenn Menschen meinen, sie sprechen zu und für Gott.» Solche Angriffe auf religiöse Lenker trugen ihr einst den Ruf einer «Anwältin des Teufels» ein.

Privat gibt Sheikha Haya wenig Preis. Sie entstammt der al-Khalifa-Familie, die Bahrain seit dem 18. Jahrhundert regiert, ihr Urgroßvater von 1869 bis 1932. Sie wuchs als Prinzessin auf, «ohne mich als Prinzessin zu fühlen». Sie besuchte öffentliche Schulen, führte ein «normales Leben». Im Winter fuhr sie mit fünf Geschwistern in die Wüste, im Sommer ans Meer.

Läuft das Uno-Mandat aus, will sie zurück. Als erste Königin Bahrains? Sie lächelt, endlich. «Nein, das erlaubt unsere Verfassung nicht.» Kräftig drückt sie beim Abschied die Hand. «Adieu, Madame Präsident». Sie korrigiert. «Ihre Exzellenz, bitte.» �