Das Geschäft läuft wie geölt

In den USA werfen die Ölgiganten ein Auge auf kleine Energiefirmen. Der anhaltend hohe Ölpreis füllt die Schatullen der US-Energiekonzerne. Nun halten sie nach kleinen Konkurrenten Ausschau. Ein idealer Moment, um von anstehenden Übernahmen zu profitieren.

Von Peter Hossli

Die Angriffe auf die amerikanische Energiebranche fallen heftig aus. Ihre Rekordgewinne – Exxon Mobil erwirtschaftete im letzten Jahr 36 Milliarden Dollar Gewinn – seien «schlicht abscheulich», klagte im Kongress ein Parlamentarier. Sofort reagierten die um ihr Image bangenden Erdölriesen. Exxon und Chevron-Texaco versprachen dem Publikum, die dank hohem Ölpreis prall gefüllten Kassen zumindest teilweise zu leeren und neue Energiequellen zu suchen.

Weil solche nicht einfach zu finden sind, spüren nun viele Konzerne lukrativen Übernahmeobjekten nach: hauptsächlich kleineren Unternehmen, die unerschlossene Ölfelder kontrollieren. Es ist nämlich weit billiger, Öl zu kaufen als es selbst zu entdecken.

Anadarko Petroleum löste bereits Mitte Juni ein Fusionsfieber aus. Der texanische Öl- und Erdgasförderer kaufte für 23,3 Milliarden Dollar gleich zwei Energiekonzerne, Kerr-McGee und Western Gas Resources. Anadarko zahlte einen Aufpreis von 40 Prozent. Die Aktien der Branche zogen prompt an. John Maloney, CEO von M & R Capital Management, erwartet eine «Anzahl womöglich grosser Akquisitionen» im Energiesektor. Die Welle wird vom anhaltend hohen Ölpreis, den soliden Gewinnen – Exxon Mobil verzeichnete im zweiten Quartal ein Gewinnwachstum von 36 Prozent – und der nicht abflauenden Nachfrage nach dem klebrigen schwarzen Rohstoff getrieben.

Die Bullen unter den Analysten halten Ölaktien daher, trotz des Höhenfluges der letzten Monate, nach wie vor für unterbewertet. Sie widersprechen der Sicht, wonach auf den rasanten Anstieg des Rohölpreises von knapp 20 Dollar im Jahr 2002 auf jetzt fast 75 Dollar ein baldiger Preiskollaps folge. Der Krieg zwischen Israel und der Hisbollah unterstreicht die unsichere Lage im Nahen Osten. Das hält den Ölpreis ebenso hoch wie das Chaos im Irak, die Drohgebärden des venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez oder die Instabilität in Nigeria, dem grössten Ölproduzenten Afrikas.

Enorme Reserven im Golf von Mexiko

Wer das Risiko überblickbar halten möchte, setzt auf eher kleinere Produzenten. Deren Wachstumspotenzial ist enorm, gleichzeitig mangelt es ihnen an der Finanzkraft, um als Käufer aufzutreten. Der in Houston beheimatete Förderer ATP Oil and Gas scheint besonders attraktiv. Die Firma hat bloss 48 Angestellte und erzielte letztes Jahr einen Umsatz von knapp 150 Millionen Dollar. ATP kontrolliert allerdings enorme Mengen an noch nicht ans Netz angeschlossenen, aber gesicherten Öl- und Gasreserven in der Nordsee und im Golf von Mexiko. Der Cashflow dürfte sich bereits in zwei Jahren vervielfachen, werden doch dann die ATP-Gasfelder in der Nordsee an die Pipelines angebunden. Analyst Maloney schätzt, dass die ATP-Aktie im Falle einer Übernahme von rund 40 Dollar auf 73 Dollar steigen wird.

Der in Oklahoma City beheimatete Öl- und Gasförderer Chesapeake Energy beschäftigt knapp 3000 Angestellte. Die Deutsche Bank empfahl dessen Aktie unlängst zum Kauf. Analyst Maloney hält sie bei einem Kurs von knapp über 32 Dollar für unterbewertet. Ein Übernahmeangebot könnte bei 50 Dollar liegen. Auch Aubrey McClendon, CEO von Chesapeake, glaubt an die Firma. Er hat kürzlich zusätzlich eine Million Aktien von Chesapeake erworben und dadurch seinen Anteil an der Firma auf fast 7 Prozent erhöht.

Dicke Geschäfte mit dem Bohrmaterial

Beim Goldrausch verdienten allerdings nicht die Goldsucher am meisten, sondern die vielen Lieferanten von Werkzeugen. Wer nach diesem Prinzip investiert, sollte auf Nabors Industries setzen, eine texanische Ausrüsterfirma mit rund 22 600 Angestellten. Die Broker UBS und Calyon Securities legen den Investoren die Aktie ans Herz und halten den Konzern für einen Übernahmekandidaten.

Nabors ist geografisch breit diversifiziert: Die Firma liefert Bohrmaterialien für Quellen in den USA und Kanada sowie im Nahen Osten, Afrika und Lateinamerika. Dank der hohen Nachfrage aus den aufstrebenden Industriestaaten hat der Konzern im zweiten Quartal einen Gewinnsprung von 46 Prozent geschafft. Gemäss dem Sprecher von Nabors stehen der Firma sechs Quartale mit «gutem Wachstum» innerhalb den USA bevor und «prozentual höhere Raten» im Ausland.

Dies, falls der Ölpreis stabil hoch bleibt oder – wie das einige Energieanalysten prophezeien – sogar die 100-Dollar-Marke durchbricht. Bedeutende Produzenten wie Saudi-Arabien hätten allerdings etwas dagegen einzuwenden, aus Furcht vor alternativen Energien. Setzen diese sich vermehrt durch, will das Königreich den Preis massiv senken. Die Saudis können Öl zu Produktionskosten von einem Dollar pro Fass aus dem Boden pumpen. Wenn der Preis rapide fiele, dann würde sich auch die Fusionsdynamik verändern. Potenzielle Käufer würden so schnell zu Übernahmeobjekten. Ein zu rascher Kursanstieg bei kleinen Firmen wiederum würde diese zu Käufern machen, da sie Akquisitionen «günstiger» mit eigenen Aktien tätigen könnten.