«Ich bin daran, wieder Kind zu werden»

Der Formgestalter Karim Rashid hat viel erreicht und noch mehr vor: Er will die Lust wecken zu leben.

Von Peter Hossli

Endlich. Er kommt. 45 Minuten hat er den Reporter warten lassen – «er trifft sich länger mit dem Buchhalter», sagt die Assistentin. Sie serviert Cappuccino. 45 Minuten in einem Schaufenster, das gegen die 17. Strasse im New Yorker Quartier Chelsea offen ist und als Sitzungszimmer dient. Vorbei eilende Passanten stoppen und äugen kurz rein, angezogen vom grellen Neonlicht und bunten und runden Designer-Objekten. Der Blick richtet sich auf türkisfarbene und orange Plastikstühle, vor allem aber auf das Regal auf Bauchhöhe, auf dem dicht beieinander 100 jener amorphen Dinger stehen, die allesamt Karim Rashid gestaltet hat. Schuhe, Parfümflaschen, ein Schachset, eine Flasche WC-Reiniger, ein Pfeffer- und ein Salzstreuer. «Es tut mir leid, ich bin sonst nie zu spät», sagt Rashid, dessen lang gezogene und weiche Gestalt gleichsam an seine Produkte gemahnt, sie aber in Präsenz bei weitem übertrifft. Aus dem nahezu perfekt ovalen Kopf lugen aufmerksame Augen hervor, zusätzlich betont von einer bauchigen Brille. Das Haar ist kurz geschnitten, der Ansatz auf Rückzug. Weisse, eng anliegende Jeans und ein weisses Kurzarmhemd mit dem rosa Schriftzug «Karim» umhüllen den fast zwei Meter langen Körper.

Sind seine Objekte fliessend starr, ist er rastlos. Selbst wenn er sitzt, bewegt sich alles. «Ich arbeite immer, auch während dieses Gesprächs», sagt Rashid. Er lässt sich ein Glas Wasser bringen, schlürft kurz daran, greift zur Mitte des Tisches, wo fünf seiner Bücher liegen. Das Neuste greift er sich und blättert darin, in «Design Your Self», eine Anleitung, wie man «leben, lieben, arbeiten und spielen» soll. Karim Rashid, der wirbligste und ruheloseste und für viele einflussreichste industrielle Designer der Gegenwart, gestaltet neuerdings den gesamten Lebensalltag. Es reiche nämlich nicht, ein Designer-Sofa in die Stube zu stellen. Wer ein gestaltetes Leben führen will, hat Rashid auf 300 vielfarbig gedruckten Seiten niedergeschrieben, müsse alle Belange gestalten.

Rashid rät etwa, die Wohnung und den Schreibtisch zu entrümpeln, Beziehungen und Jobs zu verlassen, die mehr anstrengen als bereichern, den sicheren Tod nicht nur zu akzeptieren sondern die darauf folgende Bestattung minuziös zu planen. Täglich soll man Neues lernen und den Körper bewegen. Schliesslich empfiehlt er viel Schlaf und jeden Tag Sex. Was für ihn, der mit einer Computer-Künstlerin verheiratet ist, angeblich monogam lebt und 30 Wochen im Jahr reist, kein Problem sei. «Sex kann man bekanntlich auch alleine haben.»

Sicher. Aber ist das Design? Oder gehört das Buch, wie Kritiker zuweilen sagen, doch eher in die «Sorge Dich nicht, lebe»-Ecke? «Ich will alles designen», wehrt sich Rashid. «Als Designer ist es meine Aufgabe, das Leben aller zu berühren und es besser zu machen. Wenn ich jemandem erkläre, er brauche nur eine und nicht acht Kreditkarten, gestalte ich seine Finanzen. Das ist Design. Ich editiere den Alltag. Editieren ist eine zentrale Form jeder Design-Arbeit.» Dazu gehöre etwa, dass man die Farbe des Kühlschranks bewusst wähle oder zwei Stunden vor dem Zubettgehen nichts mehr trinke – damit die Nacht ohne Pinkelpause verläuft.

Ist es nicht anmassend, nach Möbeln, Hotels in Griechenland oder Restaurants in Philadelphia jetzt Fitnesstipps abzugeben oder ein einfaches und rasches Pasta-Rezept – Garnelen, Tomaten und Rucola – als Anregung für ein stromlinienförmiges Dasein zu verbreiten? «Ich bin extravertiert genug, um zu sagen, was ich will. Ausserdem haben wir in den USA Meinungsfreiheit», sagt Rashid.

Nicht solche Selbstsicherheit, Frustration trieb ihn anfänglich an den Schreibtisch. «Zur Jahrtausendwende kam bei mir die grosse Krise», sagt Rashid. Er war dick. Litt an Allergien. Fühlte sich überarbeitet. Verlor den Fokus. «Ich wusste nicht mehr, warum ich lebe, was meine Vision wirklich war.» Rashid wandte sich Existenzphilosophen zu, Heidegger und Sartre, insbesondere dem postmodernen Franzosen Jean Baudrillard, den er bewundert und als theoretische Basis seines Schaffens sieht. «Ich führte eine philosophische Diskussion über die Existenz – und entschied mich dann gegen einen akademischen Wälzer.» Stattdessen lieferte er ein schnell geschriebenes Pamphlet gegen den Ausstieg ab. Ein Kurzsatzbuch, um in der komplexen, von Medienbildern überfluteten Welt stressfrei bestehen zu können – und trotzdem 70 Stunden die Woche zu arbeiten. «Wir leben im 21. Jahrhundert», sagt Rashid, «die Globalisierung existiert, ebenso der konstante Konsum, die Geschwindigkeit, die Reize der Medien. Wer sich darin bewegen will, der muss lernen, die wichtigen von den unwichtigen Dingen zu trennen, muss ständig reduzieren, muss das Essentielle finden.»

Nicht auf der Yoga-Matte oder in der abgelegenen Wildnis von Montana, sondern im Hier und Jetzt. «Es ist pervers, wie sehr wir das Wochenende verherrlichen», sagt Rashid. «Fünf Tage hast Du Dauerstress, hasst Deinen Job, Deinen Chef – und legst Dich dann ins Thermalbad. Das ist genauso abartig wie der 6-Tage-Sünder, der sonntags beichtet.» Statt wegzurennen müsse jeder darüber nachdenken, wie er den Alltag nahtlos gestaltet. «Das ist mein Hauptanliegen.»

War es schon immer. Mit vier hätte er eine Offenbarung gehabt, sagt Rashid, heute 46. Der Sohn eines Ägypters und einer Engländerin zeichnete eine Kirche ab und realisierte, dass ein Strich hier, ein Balken dort, ein Anbau, einen komplett anderen Effekt haben kann. Ständig beobachte er seinen Vater, ein Set-Designer, der nach dem Wegzug von Kairo nach London keine Arbeit fand, und jede Woche die Möbel der Wohnung neu arrangierte. Später zog die Familie nach Kanada. In Ottawa studierte Rashid industrielles Design. Beim italienischen Designer Ettore Sottsass absolvierte er in Mailand unentgeltlich ein eineinhalbjähriges Praktikum. Zurück in Kanada heuerte er bei KAN Industrial Designers an, einer Allzweckfirma. Rashid entwarf für sie Bohrmaschinen, ersetzte die Briefkästen der kanadischen Post, für Toshiba gestaltete er eine Stereoanlage, für das kanadische Zollamt einen Apparat, der feinste Heroinpartikel erkennen kann. Zehn Jahre lang lernte er jedes Material, jedes Produktionsverfahren kennen. Kein anderer Designer versteht so gut, was es braucht, um ein Produkt von der Idee auf die Regale zu bringen. Noch immer tourt er zuerst die Fabrik eines Kunden, bevor er einen Auftrag annimmt, um zu erfahren, wozu sie technisch im Stande ist. Er besucht die Verkaufsorte – Geschäfte, Boutiquen, Supermärkte – um zu verstehen, wie das von ihm verlangte Produkt dereinst feilgeboten werden soll.

Zu Beginn der neunziger Jahre verliess Rashid Kanada, zog südwärts, und unterrichtete in Providence am renommierten Rhodes Island School of Design – bis er wegen «Differenzen über Lehrmethoden», so die Schulleitung, entlassen wurde. 1993 folgte er dem Bruder – ein Architekt – und der Schwester – eine Sängerin – nach New York. Vorerst blieb er tatenlos. Hunderte von Design-Studien sandte er an alle namhaften europäischen und amerikanischen Möbel- und Modefirmen. Interesse zeigten nur die Zweitklassigen.

Den Durchbruch bescherte ihm, bezeichnend, ein Abfallkübel. Für die kanadische Firma Umbra gestaltete er aus Plastik einen runden Mülleimer mit hochgezogenem Griff, vermenschlichte ihn mit dem Namen Garbo – und landete einen Hit. Seit 1995 sind fast zehn Millionen Stück des von Kritikern als erotisch bezeichneten bunten Kessel verkauft worden, für jeweils 12 Dollar. Das machte Umbra zur weltweit bekannten Marke und Rashid zum Star und Propheten einer neuen Design-Philosophie: Dem Blobismus, dem Design der runden und organischen Formen und knalligen und grellen Farben.

Kunden stehen seither Schlange, seien es Sony und Toyota in Japan, Artemide und Armani in Italien, Estée Lauder und Coca-Cola in den USA. Für mehr als 300 Firmen hat er bisher Produkte entworfen, 2000 seiner Entwürfe gingen in Produktion. Zehn Mal so viele endeten als Studien, sagt Rashid, der meist so genannte FMCGs gestaltet, fast-moving consumer goods, also Konsumgüter mit kurzer Verfallzeit. Berühmt sind seine Verpackungsmaterialen und Mausmatten, er hat eine rosarote Festplatte aus Gummi gestaltet, Taschen und Rucksäcke, Kreditkarten und Kugelschreiber. Er verwendet Plastik, das spiegelt, und Gummi, in den man am liebsten reinbeissen würde. Ecken und Kanten vermeidet er, «weil der menschliche Körper keine gerade Linie hat». Gestaltet er ein Möbelstück, überlegt er stets, ob es bequem genug für spontanen Sex wäre.

Die Natur mag er nicht. «Sie ist bereits gestaltet, damit kann ich nichts mehr anfangen.» Er hingegen will «alles berühren und alles gestalten.» Und zwar alles gleichzeitig. Fünfzig Projekte haben er und sein Team aus zwölf Designern und vier Praktikanten jederzeit am Laufen.

Erstaunlich für einen, der rigoros eine «dematerialisierte Welt» fordert. Weniger ist mehr lautet sein Mantra. CDs besitzt er keine mehr. Bücher und Büchergestelle verschenkte er. Er hat ein einziges Paar Schuhe, das er, falls es regnet, mit einem Überzug aus Plastik versieht. Er reist mit nur einem Anzug und trägt nur weisse, rosa und silberne Kleider. Ist es nicht ein Widerspruch, Tausende von Produkten zu gestalten und eine entmaterialisierte Welt zu predigen? «Es ist mein Job, Dinge zu kreieren. Es ist meine Pflicht, smarte und schöne Dinge zu schaffen. Wenn ich ein smartes und schönes Objekte schaffe, das drei hässliche und dumme ersetzt, bin ich zufrieden.» Jeden Morgen steht er auf und sehnt sich danach, etwas Neues zu gestalten. Warum, wenn weniger doch mehr ist? «Weil ich es muss». Er lehnt sich zurück. «Das ist mein Talent, ich bin besessen davon, die Welt zu beeinflussen, in jeder Kategorie und Disziplin.»

Selbstbewusst und völlig frei von Ironie titelte er ein früheres Buch mit Bildern seiner Objekte und Essays zu Design mit «I Want to Change the World», ich will die Welt verändern. Für diese unverfrorene Ruhelosigkeit hagelt es oft arge Kritik aus der Design-Welt. Er arbeite zu viel, sei selbstverliebt, bediene zu viele Kunden, habe zu viele Produkte in Produktion. «Das ist einfach lächerlich», sagt Rashid, der gelassen und ein bisschen überheblich wirkt, wenn er Kritik begegnet. Die Konsumgesellschaft sei längst eine Realität. Jährlich kämen beispielsweise 10’000 neue Möbel auf den Markt und hunderte neuer Autos. «Die Verfügbarkeit von Produkten ist ein zentraler Bestandteil des Alltags geworden», sagt Rashid. Jeder Designer müsse sich entscheiden, ob er für eine Welt gestalten wolle, in der gekauft, weggeworfen und wieder gekauft werde. «Ich will das.»

Gerade weil die Lebensdauer der einzelnen Produkte so kurz geworden sei. «Wenn ich etwas nur ein paar Monate besitze bevor ich es ersetze, muss das Erlebnis mit diesem Produkt umso reicher sein.» Etwa das Mobiltelefon, dessen Design und Entwicklung er achtzehn Monate betreut hat, das aber nur sechs Monate im Verkauf sein wird. Oder Autos, die heute niemand mehr kaufe, sondern nach drei Leasing-Jahren wieder weiter gereicht würden. «Die kurze Dauer, die wir mit Autos verbringen, muss grossartig sein, das Auto muss sicher, schnell, bequem und effizient sein. Es muss den Nerv der Zeit treffen.»

Unbedingt. Nichts verachtet Rashid mehr als Nostalgie. Autos wie der PT Cruiser von Chrysler sind ihm ein Gräuel. Ebenso Hollywood-Filme, die auf alten Fernsehserien Jahren basieren. «Weisse und dicke 55-jährige Männer geben solches Zeugs in Auftrag. Warum? Weil es sie an ihre Zeit als Teenager erinnert. Sie sagen, ‹das war die beste Zeit meines Lebens›. Grauenhaft. Das macht mich regelrecht depressiv. Warum bist Du überhaupt noch am Leben, wenn Deine beste Zeit vierzig Jahre zurück liegt? Deine beste Zeit ist heute und morgen.»

So unbeschwert sehen und erleben meist nur Kinder. «Weil sie frei sind von der Last der Geschichte», sagt Rashid. Künstler, die er verehrt – Picasso, Miro oder der Schriftsteller Saint-Expuéry – hätten zum Lebensende wieder wie Kinder sehen können. «Sie liessen sich nicht mehr von Konventionen, sondern nur noch vom eigenen Staunen lenken», sagt der Designer. «Ich bin daran, wieder zum Kind zu werden.» Nicht Windeln will er sich umbinden, sondern die Welt «hyper-bewusst» wahrnehmen, als sehe er alles zum ersten Mal. Diesen Thrill hätte er zwischenzeitlich verloren. «Er ist aber absolut notwendig, um Produkte zu kreieren, die anderen solche Momente der Existenz bescheren», sagt Rashid, der versucht, sich «von jeder Referenz zu lösen» – und damit zweierlei anstrebt. «Ich will Dinge produzieren, die eine emotionale Ästhetik vermitteln, also schön sind, und solche, die bessere und neuartige Erlebnisse erzeugen.»

Hoffnung setzt er auf die virtuelle Welt. Bereits jetzt bescherten Videospiele oder die Arbeit mit hochwertiger Software reichere Erlebnisse als die physikalische Welt. Mehr Freiheit biete der virtuelle Raum, mehr Individualismus, mehr Demokratie, mehr Gemeinschaft. Rashid sieht das als einzigartige Chance. Da die reale Welt ins Hintertreffen gerate, sei sie gezwungen, endlich Fortschritte zuzulassen. «Obsessive Typen wie ich dürfen die reale Welt besser machen, weil uns die virtuelle Welt sonst zurücklässt.» Das sei der Grund für die hohe Qualität und die weite Verbreitung zeitgenössischen Designs, sagt Rashid. Wer stundenlang am Computer dreidimensionale Modelle entwickle und sich dann umdrehe und einen Schluck Wasser aus einem Glas genehmige, sei enttäuscht von der Banalität des Glases. «Wir müssen das Glas aufregender gestalten, damit das Erlebnis des Trinkens so aufregend ist wie die Arbeit am Computer.»

Gab es nicht schon gutes Design, bevor die reale Welt mit Nullen und Einsen in Konkurrenz trat? «Sie meinen die fünfziger Jahre? Geschichte ist Fiktion. Abgesehen von Eames, ein paar Skandinaviern und vielleicht Olivetti gab es damals nichts.» Zwar habe die US-Möbelfirma Herman Miller versucht, Design demokratischer zu machen. «Es gelang ihnen nicht. Nur in wenigen Stuben standen Eames-Stühle. Vielleicht zwei Prozent der Architektur war von Modernismus ge-prägt.» Jetzt hingegen spriessten und wucherten allenthalben schöne Formen, hochwertige Bauten, gescheite Materialien. «Design war nie demokratischer als heute.»

Ohnehin leben wir gemäss Rashid in der besten aller Zeiten. «Die Medien übersteigern die Probleme», sagt er. «Es gibt weniger Kriege, die Pest war schlimmer als HIV/Aids, mehr Menschen haben Zugang zu sauberem Wasser als je zuvor, die Armut nimmt ab.» Den brodelnden und blutigen Konflikt zwischen Islam und Christentum hält der Nonstop-Optimist für eine «chaotische Übergangsphase, die sich legen wird und dann in eine grenzenlose Welt» münde.

Gelingen soll das Dingen, die die Lücken schliessen zwischen virtueller und realer Welt. Etwa dem iPod. Einem Gerät, das viel Freude bereite, formschön sei und nahtlos funktioniere. «Konsumenten erwarten bald von allem, was sie kaufen, dass es so schön und einfach zu bedienen ist wie ein iPod», sagt Rashid, handele sich um Türschlösser, Toiletten oder Toaster. Das zwinge Firmen, pausenlos innovativ zu sein. Ein 25-Jähriger, der das Gros seiner Arbeit auf einem weissen iBook von Apple erledige, damit drahtlos im Internet surfe, Filme schneide und Fotos bearbeite, akzeptiere es nicht, wenn der Wasserhahn klemmt.

Eine Verschmelzung der virtuellen und der physikalischen Welt strebt er an. Autositze und Steuerräder, die sich automatisch den Hintern, Rücken und Händen des Lenkers anpassen. Ein Badezimmer, dessen Boden die perfekte Temperatur abgibt. Ein Kühlschrank, der nicht nur weiss, was in ihm noch frisch ist, sondern Rezepte ausdruckt aufgrund dessen, was noch essbar ist. Kleider, die bei Kälte wärmen und bei Hitze kühlen. Ein Chip im Zeigefinger, der als Kreditkarte, Ausweis und Schlüssel dient. Ein Chip im Ohr, mit dem man telefonieren und Radiohören kann. «Eine Welt, die so eingerichtet ist, damit ich die beste Version meiner selbst sein kann.»

Rasant treibe die Gesellschaft dorthin, sagt Rashid. Die Internet-Generation kreiere eine «hyper-kommunikative Welt, die erstmals wirklich zusammenrückt, in der man gleichzeitig und kostenlos mit fünfzig Menschen reden kann». Der grenzenlose Zugang zu Informationen reisse Grenzen nieder, verbanne Ignoranz und Arroganz. Das bringe hervor, was Rashid predigt: Eine Horde von Individualisten, die dann isst, wenn sie Hunger hat, schläft, wenn sie müde ist, ständig kreativ ist und überall jederzeit arbeite. «Es ist egal geworden, wo man sich aufhält.» Isoliert das die Menschen nicht? «Wir essen zwar nicht mehr gemeinsam zu Abend, aber es entfalten sich echte individuelle Persönlichkeiten, die nicht mehr unter dem Einfluss von Normen, von Eltern oder der Kirche stehen, sondern die sich aufgrund der frei zugänglichen Informationen selber entscheiden, was gut oder schlecht für sie ist.»

Die Wurzeln seiner Utopie für eine «neue, freie und demokratische Welt» siedelt Karim Rashid in seiner Kindheit an. Er wuchs in einem angelsächsischen Milieu in Kanada auf, hatte einen ägyptischen Namen und sprach kein Wort arabisch. «Mir schlugen ständig allerlei Vorurteile entgegen. Mein Vater nahm mich früh auf Reisen mit, zeigte mir die Welt. Mir wurde klar, dass sie Eins werden muss. Deshalb will ich die Welt besser machen.»

Was treibt ihn sonst an? «Ich will mich selbst verwirklichen», sagt er, ohne zu überlegen. Da ist er sich sicher. Einst war es das Ego, das er befriedigen wollte, dann das Geld, das ihm fehlte. «Heute tue ich es nicht mehr, um etwas zu kriegen, sondern nur noch, weil ich es muss. Der Rest interessiert mich nicht mehr. Insofern bin ich an einem kathartischen Moment angelangt.» Genug Preise hat er eingeheimst, seine Sachen stehen in den Sammlungen aller wichtigen Kunstmuseen. Auf der New Yorker Madison Avenue und online betreibt er Shops. «Ich bin heute entspannt und völlig frei von Stress», sagt Schwerarbeiter Karim Rashid.

«Okay, good-bye, ich muss heute noch viel erledigen.» Er steht auf und schiebt den langen Rumpf zur Tür. Noch eine Frage? Rashid nickt. Was bedeutet Ihnen Geld? «Es ist ein Paradox», sagt er und setzt sich nochmals hin. «Geld gibt mir ein bisschen Freiheit, ein bisschen Komfort, aber es gibt mir nicht, was ich wirklich will. Was bin ich, wenn ich heute viel Geld, morgen aber keinen Kunden habe, der mir einen Auftrag gibt? Nichts.»�