Von Peter Hossli
Texaner sind anspruchsvolle Leute. «Sie wollen viel Strom, sie wollen ihn billig kaufen, und sie wollen eine bessere Luftqualität», sagt John Wilder, der Chef der texanischen Elektrizitätswerke TXU. «Wir liefern all das – mit Kohle.» Wilder hat im April elf Kohlekraftwerke in Auftrag gegeben, bestehende rüstet er mit neuster Filtertechnik aus. TXU will so den Kohlenanteil verdoppeln, die Umweltbelastung jedoch um 20 Prozent senken. Da dank Kohle die Gewinnmargen steigen, senkt TXU die Strompreise um 10 Prozent.
Texas ist bei weitem nicht allein. Die Kohle erlebt im ganzen Land eine von niemandem erwartete Renaissance. In den USA sind 129 Kraftwerke geplant, bei denen der Dampf für die Turbinen durch Kohlefeuer erzeugt wird. Innert drei Jahren stieg der Preis pro Tonne Kohle von 25 auf zeitweise 60 Dollar. Haben sich die Aktien der Förderer – Peabody Energy, Arch Coal oder Massey Energy – zwanzig Jahre lang seitwärts bewegt, steigen sie nun mächtig. «Das ist ein langfristiger Trend», sagt Paul Forward, Energieanalyst der Investmentbank Stifel, Nicolaus. «Kohle ist die Energiequelle der Zukunft, da sie billig und in den USA in rauen Mengen vorhanden ist.»
In den USA lagert viermal mehr Energie als in Saudi-Arabien – in Form von 275 Milliarden Tonnen Kohle. Die Reserven reichen noch mindestens 250 Jahre, während etwa das Erdgaslager in rund 60 Jahren erschöpft sein wird. «Wer ein Kraftwerk baut, will wissen, dass es in 50 Jahren genug Brennstoff dafür gibt», sagt Forward. «Das garantiert nur Kohle.»
Der kräftige Preisanstieg für Erdgas und Erdöl hat den Boom ausgelöst. Daneben heizt die geopolitische Situation das Interesse an. Die grossen Öl- und Gaslager liegen allesamt in den Händen labiler Staaten. «Die Energiesicherheit wird in den nächsten Jahren daher der wichtigste Punkt der Politik der USA sein», sagt Forward. Kohle spiele eine zentrale Rolle. «Sie ist heimisch und weist eine enorme Effizienz auf.»
Innert zehn Jahren soll der Anteil der Kohle bei der Stromproduktion von 47 auf 53 Prozent zunehmen. «Kohle ist eine entscheidende Komponente im Energiehaushalt der USA», urteilt der Bergbauspezialist der UBS Investment Bank, Generaldirektor Dan Chu. Bis ins Jahr 2030 werde die Nachfrage um 73 Prozent zunehmen, prognostiziert das US Department of Energy, von 1,1 Milliarden auf 1,9 Milliarden Tonnen.
Kraftwerke machen ihre Öfen umweltfreundlicher
Analyst Forward erachtet den Zeitpunkt für einen Einstieg in Kohleaktien als günstig. Der milde US-Winter hat den Kohlepreis gesenkt, auf rund 51 Dollar die Tonne, gefolgt von einem Rückgang der Aktien, was Forward als «kurzfristig» erachtet. «Denn langfristig ist das Potenzial enorm.» Zumal der Lagerbestand tief, die Nachfrage aber anhaltend hoch ist. «Unser Problem ist nicht der Zuspruch», sagt der Sprecher der National Mining Association, Luke Popovich. «Wir müssen schauen, dass wir genügend Kohle fördern und transportieren können.»
Unternehmen, die Kohle mit hohem Schwefelgehalt fördern, sind am besten positioniert. Sie ist billiger und brennt heisser, was zu einer höheren Energieausnützung führt. Die US-Stromproduzenten wollen davon profitieren und rüsten die Öfen ihrer Kraftwerke mit Rauchgas-Waschanlagen aus. Damit lässt sich die Schwefelkohle ordnungsgemäss umweltschonend verbrennen.
Schwefelige Kohle kommt vor allem im Norden des Appalachen-Gebirges vor. Dort sind Firmen wie Foundation Coal und Consol Energy tätig. Die Letztere, eine 1864 in Pittsburgh gegründete Firma, verfügt über die grössten Reserven. Innert Jahresfrist hat sich der Aktienkurs mehr als verdoppelt, auf nun 83 Dollar. Das 12-Monate-Kursziel sieht die Investmentbank Friedman, Billings & Ramsey bei 160 Dollar, zumal 35 Prozent der Kohlekraftwerke mit Filteranlagen ausgerüstet sind. In drei Jahren sollen, unterstützt von einem staatlichen Förderungsprogramm, alle darüber verfügen. «Die Rauchgas-Waschanlage treibt den Aktienkurs von Consol», sagt Analyst Paul Forward. «Ab 2009 wird die Nachfrage nach Schwefelkohle noch höher sein.»
Der Kohleboom geht darüber hinaus. «Jede Firma, die mit Kohle zu tun hat, profitiert vom Trend», sagt UBS-Banker Chu. «Es hängt davon ab, welche Technologie sie anbietet.» In Frage kommen etwa Hersteller von Turbinen – Siemens, General Electric und Alstom. Oder eine Hightechfirma wie Headwaters. Das Unternehmen mit Sitz in Utah ist führend bei der Entwicklung von Technologien, welche die Verbrennung von Kohle umweltfreundlicher gestalten. Headwaters steigert überdies die Effizienz der Kohle, indem sie Abfallprodukte wie Flug- oder Bettasche für das Baugewerbe aufbereitet.
Kohle hat allerdings auch Schwächen. Noch existieren massive Umweltprobleme. «Es gibt keine saubere Kohle», stellt der Klima-Experte Tim Greeff vom Natural Resources Defense Council klar. «Das Kohlendioxid ist hauptverantwortlich für die globale Erwärmung.» Das Schienensystem im Westen des Landes müsste für den Transport dringend ausgebaut werden. Die Arbeit in den Zechen bleibt gefährlich, was die Löhne der Bergleute antreibt.
Der Mangel an Arbeitskräften fällt jedoch weit mehr ins Gewicht. Als die Nachfrage nach Kohle abnahm, wechselte eine ganze Generation den Job. Kohleregionen in West Virginia oder Kentucky locken jetzt neue Arbeiter in die Gruben. Nur wenn genügend Kumpel in die dreckigen Schächte steigen, wird Kohle gewonnen.
Box: Kohle im Tank
1925 haben die deutschen Ingenieure Franz Fischer und Hans Tropsch ein Verfahren entwickelt, beim dem aus Kohle ein hochwertiger flüssiger Treibstoff gewonnen wird. Nazis betrieben damit ihre Panzer. Südafrika verbesserte die Fischer-Tropsch-Synthese während der Apartheid. Nun wollen US-Firmen Kohle verflüssigen. Führend ist die in Denver beheimatete Firma Rentech (RTK). Innert Jahresfrist hat sich deren Aktienkurs vervierfacht. Unlängst präsentierten US-Kohleförderer dem Kongress eine Studie, wonach bis 2010 fünf Prozent der Erdölimporte durch flüssige Kohle ersetzt werden können. Die Industrie hofft, die US-Streitkräfte würden ihre Flugzeuge bald mit Kohle tan-ken. Die Firma Syntroleum (SYNM) arbeitet mit der Flugwaffe an einem Pilotprojekt. Rentabel ist die Umwandlung bei einem Ölpreis von 35 Dollar pro Fass. Derzeit liegt er bei über 70 Dollar. Noch fehlen allerdings die teuren Anlagen, die im grossen Stil Kohle verflüssigen. Investoren fürchten, wieder fallende Ölpreise würden die Profite wieder abwürgen. «Wenn sie glauben, dass langfristig die Preise auf dem aktuell hohen Niveau bleiben, investieren sie», sagt UBS-Banker Dan Chu.