Von Peter Hossli (Text) und Charly Kurz (Foto)
Der Agent des neuen US-Sportidols Ben Roethlisberger, Ryan Tollner, sagt, was er plant: «Ben ist in Amerika ein Superstar, nun soll er es weltweit werden. Den Anfang machen wir in der Schweiz.»
Sein kräftiger Schützling reist nächsten Monat nach Lauperswil ins Emmental. Dort soll er zwar erfahren, von wo aus seine Vorfahren 1873 nach Ohio ausgewandert waren, doch der Hauptgrund der einwöchigen Reise ist ein anderer: «Wir wollen international tätige Firmen finden, die Ben als Werbeträger verpflichten», gibt Tollner unumwunden zu. «Auf seiner Reise in die Schweiz soll Ben eine möglichst grosse Medienpräsenz erreichen und als positive Figur auffallen.» Tollner will für Roethlisberger Konzerne gewinnen, die in der Schweiz wie in den USA verankert seien. «Am liebsten wäre uns ein Uhrenhersteller oder eine Bank», sagt Tollner. «Wir sind offen für alles.»
Bei möglichen Sponsoren gibt man sich noch bedeckt. «Wir sponsern keine Einzelsportler», sagt UBS-Sprecher Rudolf Bürgin. Es sei eher «fraglich», ob Roethlisberger in die Sponsoringstrategie der Credit Suisse passe, sagt Sprecherin Jolanda van de Graaf. Und: «Es ist im Moment nicht geplant, die Engagements auszuweiten, somit auch nicht auf American Football.» Ruth Stadelmann, Sprecherin des auch in den USA tätigen Milchkonzerns Emmi, bezeichnet das Wurf-Ass hingegen als «interessante Figur»: «Er vertritt Schweizer Qualitäten hervorragend. Ob daraus etwas entsteht, können wir jetzt noch nicht sagen.»
Die Organisation, die Roethlisberger in die Schweiz bringt, gibt sich aber ahnungslos. «Er sucht klar keine Sponsoren in der Schweiz», sagt Christian Bächler, der für das Projekt Swiss Roots die Reise des Sportlers koordiniert. «Ben freut sich einfach, die Leute seines Ursprungslandes kennen zu lernen.»
Teure Schweiz? Macht nichts, Ben hat genug Geld verdient
Genau darum geht es Swiss Roots, einem vom Schweizer Konsulat in New York initiierten Projekt (siehe Box). Eine Million Amerikaner schweizerischer Herkunft soll dieses Jahr ihre Wurzeln entdecken. Als Swiss-Roots-Sympathieträger amtet Roethlisberger, der im Februar die Pittsburgh Steelers zum Gewinn des Superbowls geführt hatte, dem wichtigsten US-Sporttitel.
Big Ben, so sein Kosename, weiss wenig über die Schweiz. «Man hat mir immer gesagt, mein Name sei Swiss-German, also dachte ich, meine Vorfahren kämen aus Deutschland», sagt er. Er setzt seinen 196 Zentimeter grossen und 110 Kilogramm schweren Körper auf einem dünnen Stuhl auf dem Trainingsgelände der Steelers in Pittsburgh. Das Haar hat er nicht gewaschen, am Kinn spriessen die Stoppeln.
Seine Antworten sind knapp, lieber stellt er die Fragen. «Gibt es in der Schweiz Terroristen?», will er etwa wissen. Oder: «Welche Währung hat denn die Schweiz?» – «Für einen Dollar kriegen Sie rund 1.30 Franken.» «Ist das Leben dort teuer?» – «Fast alles kostet mehr als in den USA!» «Macht nichts, ich habe ja genug Geld.»
Es ist kein Bluff. Vor zwei Jahren unterschrieb der Neuprofi Roethlisberger einen sechs Jahre laufenden Vertrag mit den Pittsburgh Steelers, der ihm insgesamt 14 Millionen Dollar bringt. Bei der Vertragsunterzeichnung erhielt er einen einmaligen Bonus von 9 Millionen Dollar. Bereits in seinem ersten Jahr als Profi schloss er zusätzliche Werbeverträge in der Höhe von rund 4,5 Millionen Dollar ab.
So wirbt Roethlisberger für Nike oder den Suppenfabrikanten Campbell. Es gibt ein Beef Jerkey und eine Barbecue-Sauce, die seinen Namen in den hintersten Winkel der USA tragen. Gegen Bezahlung liess er sich in der Talkshow von David Letterman den Bart abschneiden – mit Klingen von Gillette.
Der Gewinn des Superbowls habe den Wert der Marke Roethlisberger «astronomisch vervielfacht», sagt Agent Ryan Tollner. Roethlisberger dürfte in den nächsten zwei Jahren Werbeverträge in der Höhe von 20 Millionen Dollar pro Jahr abschliessen, schätzt der Agent. Das würde sein Jahresgehalt auf 24 Millionen Dollar erhöhen – mit einem Namen, den in Amerika niemand richtig ausspricht und den fast alle falsch buchstabieren.
Er selbst gibt sich bescheiden. «Ich bin mit wenig aufgewachsen, deshalb schätze ich alles Geld, das ich habe», sagt Roethlisberger. «20 Millionen Dollar, das tönt nach viel, was das wirklich bedeutet, verstehe ich nicht.» Er kaufe sich bevorzugt DVD-Filme sowie Autos. Sechs Wagen stünden in seiner Garage, vier amerikanische sowie ein BMW und ein Mercedes. «Ich habe einen Auto-Fetisch», gesteht der Hüne. Gerne hätte er noch einen Ferrari, «doch dafür sind die Strassen von Pittsburgh zu holprig». Und er finde es schade, dass der Porsche Carrera für seinen langen Körper «schlicht zu klein» sei.
Roethlisberger muss sich ohnehin hüten, europäische Autos zu preisen, denn Agent Tollner steht vor dem Abschluss eines millionenschweren Werbevertrags mit einer amerikanischen Autofirma. Hinzu kämen Verträge mit einem Mobiltelefonanbieter und einem «Riesen aus der Nahrungsmittelindustrie», so Tollner.
Trotz seines Millionenvermögen lässt sich Roethlisberger seine Reise ins Emmental – und zu potenziellen Schweizer Sponsoren – bezahlen. Ein Honorar kriegt er von Swiss Roots nicht, dafür rund 50 000 Franken vergütete Reisespesen. Roethlisberger und seine Familie werden First Class fliegen, in Luxushotels absteigen und sich per Limousine durchs Land chauffieren lassen.
Die Kosten übernehmen Sponsoren wie etwa die Fluggesellschaft Swiss, verbunden mit der Auflage von Tollner, nicht mit dem Gesicht Roethlisbergers zu werben. Denn das Geld und die Sachleistungen der Sponsoren gehen direkt an den Verein Swiss Roots: So stellt die Airline den Roethlisbergers als Swiss-Roots-Sponsor zwar Erstklass-Billette aus. Damit werben, dass der lange Quarterback in bequemen Swiss-Sesseln über den Atlantik fliegt, darf die Airline aber nicht. Dasselbe gilt für die Luxushotels, in denen die Familie absteigen wird. Nicht einmal die Zeltfirma, die in Lauperswil zu Ehren des Gastes aus Amerika die Festwirtschaft aufbaut, darf den Gast erwähnen.
Roethlisberger selbst kümmert das nicht. «Das Geschäftliche besorgt mein Agent», sagt er. Seine Aufgabe sei es einzig, ein positives Image abzugeben. «Ich will als Mensch gelten, der keine Drogen nimmt und keinen Ärger macht. Kinder sollen davon träumen, einmal so zu werden, wie ich es bin.» Also genauso reich und erfolgreich.
Swiss Roots
Bei der letzten amerikanischen Volkszählung gab eine Million Amerikaner an, sie hätte Schweizer Wurzeln. An sie wendet sich das vom Schweizer Konsulat in New York initiierte Projekt Swiss Roots. US-Bürger sollen im laufenden Jahr speziell auf ihre Schweizer Ahnen aufmerksam gemacht werden. Auf der Website www.swissroots.org können Swiss-Americans nach dem Ursprung ihres schweizerischen Namens suchen und Nachrichten mit möglichen Verwandten austauschen. Ein historisches Postauto der Schweizer Post reist durch die USA und wirbt ebenso für die Schweiz wie für durchs Jahr verteilte Veranstaltungen. Als Höhepunkt gilt eine am 29. Juli beginnende Ausstellung im Einwanderermuseum auf Ellis Island in New Jersey, das sich mit der Immigration aus der Schweiz befasst. Swiss Roots arbeitet mit einem Budget von rund 1,2 Millionen Dollar. Dafür kommen Präsenz Schweiz, Schweiz Tourismus, Pro Helvetia sowie wenige private Sponsoren auf. Neben dem Footballer werben etwa die Sexberaterin Ruth Westheimer oder der unverwünstliche General-Motors-Manager Bob Lutz für das Projekt.
Der Quarterback
Pro Mannschaft stehen bei einem American-Football-Spiel elf Spieler auf dem Platz. Die zentrale Figur jedes Teams ist der Quarterback, der Spielmacher. Er berührt den ovalen Ball bei jedem Spielzug. Als letzter Mann der angreifenden Mannschaft hat er die Übersicht und versucht, frei stehende Läufer anzuspielen. Sie sollen den Ball über die Linie des Gegners tragen und so einen Touchdown erzielen. Quarterbacks sind meist kleiner und leichter als die anderen Spieler. Dafür zeichnen sie ein phänomenales Auge sowie ein genauer, schneller Wurfarm aus. Die Passqualitäten sind das entscheidende Mass bei der Beurteilung der Qualitäten eines Quarterbacks. Zudem muss er die Mannschaft in kritischen Situationen führen und zusammenhalten. Da protzige Verteidiger sie abschirmen, ist ihre Verletzungsgefahr geringer. Der Quarterback verdient am meisten, weil die Teams der National Football League ihre Mannschaften jeweils auf seine Person abstimmen. Dem Klischee nach ist der Quarterback der Highschool-Mannschaft jeweils mit der Schönheitskönigin liiert. �