Von Peter Hossli
Erst seit Alan Greenspan nicht mehr arbeitet, verdient er so richtig Geld. Ende Januar räumte der Chef der US-Notenbank sein Büro. Eine Woche später liess er sich von der Investmentbank Lehman Brothers zum Dinner mit 15 Grosskunden einladen. Zwischen Hauptgang und Dessert suggerierte Greenspan in einer Rede einen weiteren Anstieg der US-Zinsen. Dabei wuchs Greenspans Konto kräftig. Der 80-jährige Pensionär kassierte 250 000 Dollar für den Kurzauftritt. Das stolze Honorar übertrifft seinen vormaligen Jahreslohn bei weitem. Er kriegte gerade mal 174 500 Dollar – nach 18 Jahren an der Spitze der einflussreichsten Notenbank. An der Wallstreet verdienen die Chefs der Investmentbanken jeweils zweistellige Millionenbeträge. Auch der Präsident der Schweizer Nationalbank wird weit grosszügiger entlöhnt. Jean-Pierre Roth, 50, verdient jährlich 592 000 Franken, also rund 452 000 Dollar, mehr als doppelt so viel wie bisher Greenspan.
Allerdings dürfte Roth kaum über 8 Millionen Dollar für seine Lebensgeschichte erhalten. Mit diesen Summen bieten derzeit etliche amerikanische Verlage um die Rechte an den Memoiren des Notenbank-Maestros. Noch steht aus, ob Greenspan sein Buch selber schreiben oder einen Ghostwriter anheuern wird. Zumal ihm Zeit und Musse für das Schreiben fehlen dürften.
Bereits am Tag nach seinem Rücktritt liess er sich als Berater der britischen Notenbank einspannen. In derselben Woche gründete er die Beraterfirma Greenspan Associates. Deren Auftragsbücher quellen bereits über – kein Wunder, bei dem exzellenten Ruf, den Greenspan in weiten Kreisen der Wirtschaft geniesst.
Packt den verschwiegenen Zinsakrobaten nun noch die Gier? Nicht doch. Er tut, was die prominenten US-Beamten meist tun. Sie vergolden sich im Ruhestand den im Vergleich zu Europa unterbezahlten Staatsdienst. Ihre im Zentrum der Macht geknüpften Kontakte nutzen sie, um in der Privatwirtschaft endlich kräftig zuzulangen. Die beiden früheren US-Aussenminister Colin Powell und Madeleine Albright kassieren weit über 100 000 Dollar pro Rede. Als oberste Botschafter der Supermacht kriegten sie jährlich knapp 170 000 Dollar. Dabei trugen sie die Verantwortung für rund 57 000 Angestellte. Zum Vergleich: Micheline Calmy-Rey verdient als Aussenministerin jährlich 412 110 Franken, rund 317 000 Dollar, und steht 1900 Angestellten vor. Powell wird nun im Ruhestand reich. Pro Jahr hält er rund 70 Reden – und lässt es sich dabei gut gehen.
Die «Times» in London publizierte unlängst Auszüge aus seinem Vertrag mit der Agentur Washington Speakers Bureau, die Powell vertritt. Wer den Viersternegeneral zum Vortrag bucht, muss ihm ein Privatflugzeug schicken, «so gross oder grösser als ein Learjet 60». Powell behält sich das Recht vor, das Flugzeug abzulehnen. Die Grösse der Limousine, die ihn abholt, und die Ausstattung des Luxushotels, in dem er und seine Frau zwei Nächte unter einem Pseudonym verbringen, sind vertraglich festgelegt. Zusätzlich verlangt Powell die Begleichung aller Steuern, die man ihm noch auf das Honorar aufbürdet.
Ex-Präsident Bill Clinton bleibt wohl unübertroffen
Powells Vorgängerin versüsst ihre Laufbahn weit über den Redenzirkel hinaus. Madeleine Albright, 68, seit 2001 im politischen Ruhestand, betreibt eine Beraterfirma und verkauft ihren Fundus an globalen Beziehungen. Über die «Albright Group» berät sie Firmen, die sich um Regierungsaufträge bemühen. Sie ist im Nahen Osten, in Europa und in China besonders aktiv – Orte und Länder, in denen ihr als US-Aussenministerin einst die Türen offen standen. Sie verhandelt oft Verträge in Milliardenhöhe. Zuweilen spannt sie mit der Cohen Group zusammen, der Beraterfirma von William Cohen, dem Verteidigungsminister unter Bill Clinton. Nebenbei sitzt Madeleine Albright noch im Verwaltungsrat der New Yorker Börse. Für ihre Memoiren erhielt sie 1,5 Millionen Dollar. Das ist aber noch gar nichts im Vergleich zu Bill Clinton. Dieser kassiert für seine Reden bis zu 400 000 Dollar, gar 12 Millionen Dollar kriegte er für seine Memoiren «My Life».
Rudolph Giuliani kassierte für seine Memoiren ebenfalls Millionen. Niemand nutzt die Politikkarriere einträglicher als der Ex-Bürgermeister New Yorks. Seine staatsmännische Reaktion auf die Terrorattacke vom 11. September polierte nicht nur das ramponierte Image seiner Regentschaft. Sie katapultierte den kantigen Politiker in luftige Salärsphären.
Am 1. Januar 2002, dem Tag nach seinem Rücktritt, gründete der Ex-Bürgermeister Giuliani Partners. Die Firma berät für horrende Honorare hochkarätige Konzerne wie Merrill Lynch oder Purdue Pharma in Sicherheitsfragen und Krisenmanagement. Mexico City heuerte das Team zur Verbrechensbekämpfung an. Einer der Partner Giulianis baute zwischenzeitlich die Polizei von Bagdad auf.
Angenehmer Nebeneffekt sind die wertvollen Kontakte
Als Bürgermeister verdiente Giuliani gerade mal 195 000 Dollar im Jahr. Die lukrativen Staatsaufträge machten ihn nun zum Multimillionär. Nebenbei streicht er 100 000 Dollar pro Rede ein. Mit den satten Gewinnen expandiert Giuliani. Anfang 2004 kaufte er den Investmentarm von Ernst & Young und baute Giuliani Partners zur Investmentbank aus.
Letztes Jahr erweiterte der 61-Jährige seine Beteiligungen um die angesehene texanische Anwaltskanzlei Bracewell & Patterson. Sie erzielt einen Jahresumsatz von 200 Millionen Dollar – und heisst jetzt Bracewell & Giuliani. Zur Kundschaft gehören etwa die Bank of America oder Shell.
Für Giuliani aber ebenso wichtig: Die texanischen Anwälte sind eng mit dem republikanischen Establishment der Südstaaten verbunden und bringen dem New Yorker wertvolle Kontakte, wenn er 2008 wie erwartet das Amt des US-Präsidenten anstrebt. Bis dann wird er genügend Millionen verdient haben, um wieder in den kargen Staatsdienst einzutreten – für 400 000 Dollar jährlich mit Kost und Logis im Weissen Haus in Washington.
Die pensionierten Irakkrieger
Paul Bremer
Statthalter der US-Regierung im Irak vom 11. Mai 2003 bis 28. Juni 2004. Sein Jahresgehalt: 142 500 Dollar.
Heute: Buchvertrag für «My Life in Iraq»: 100 000 Dollar. Pro Rede kriegt Bremer 40000 Dollar.
George Tenet
CIA-Chef von 1997 bis 2004. Geschätztes Jahresgehalt: 150 000 Dollar.
Heute: Buchvertrag über 4 Millionen Dollar. Kriegt pro Rede gegen 100 000 Dollar.
General Tommy Franks
Kommandierte die Invasion im Irak, Jahresgehalt: 153 948 Dollar.
Heute: Buchvertrag für «American Soldier»: 5 Millionen Dollar. Kriegt pro Rede 75 000 Dollar. Franks ist zudem Verwaltungsrat der Restaurantkette Outback und bei der Bank of America.
Ein regulärer US-Soldat verdient monatlich 3637 Dollar.