Die gläsernen Grossverdiener

In den USA müssen Firmen künftig detailliert bekannt geben, wie viel das Top-Management verdient. Während die Advokaten der Aktionäre jubeln, warnen andere vor dem zusätzlichen Antrieb der Lohnspirale.

Von Peter Hossli

Amerikaner fürchten jedes Jahr denselben Tag – den 15. April. Bis dann muss die Steuererklärung eingereicht sein. Rasch wird klar, ob sie nachzahlen müssen oder der Fiskus etwas zurück erstattet.

Mancher Top-Manager kümmert das wenig. Ihm begleicht die Firma die Steuerrechnung, quasi als Teil des ohnehin satten Lohnes.

Was seit Jahren zwar alltäglich aber geheim war, wird nun öffentlich. Gemäss einer neuen Regelung der amerikanischen Börsenaufsichtskommission SEC müssen Firmen ab Rechnungsperiode 2007 offen legen, wer bei ihnen wie viel verdient.

Wobei es nicht mehr reicht, das Salär anzuführen. Der neue SEC-Chef Christopher Cox hat erwirkt, dass sämtliche Entschädigungen detailliert aufgelistet und publiziert werden müssen. So ist zu demnächst zu erfahren, wie gross der Bonus zum Jahresende ausfiel, wie viele Aktienoptionen und Aktien jemandem zufiel, wie hoch deren realer Wert ist, welche Rente jemand kriegt, oder welche Sonderleistungen einem zustehen.

Die können exorbitant und peinlich zugleich sein. Neben der Steuerrechnung begleichen etliche Firmen ihren Chefs auch die Familienferien, lassen sie privat im Privatjet fliegen oder richten ihnen auch schon mal ein neues Haus ganz neu ein.

Ausgelöst hatte die neue Weisung solche feudalen Zusatzleistungen für Jack Welch. Der ehemalige GE-Chef liess sich nach seinem Rücktritt beispielsweise lebenslang eine Luxuswohnung in New York sowie Zugang zum Firmen-Flugzeug geben. Gewusst hatten es die GE-Aktionäre nicht. Bekannt wurden die dreisten Nettigkeiten nur, weil sich seine Frau von ihm scheiden liess. Um an den Sonderzulagen teilzuhaben, listete die Gattin in der öffentlich zugänglichen Scheidungsklage im Detail auf, was Welch erhielt. Wochenlang war die unver-hältnismässige Gier des abgetretenen Chefs New Yorker Stadtgespräch.

Ab nächstem Jahr müssen die Firmen immer tun, was die Gattin tat. Es gehe ihm keineswegs darum, die Höhe der Kompensationen zu beschneiden, sagte Cox. Schliesslich sei es den Aktionären überlassen, wie sie ihr Personal entlöhnen. «Die Mission der SEC ist Lohn-Klarheit, nicht Lohn-Kontrolle». Investoren sollen auf einen Blick sehen können, die Top-Leute verdienen.

Zusätzlich muss das Entgelt jener Angestellten publik werden, die nicht im Top-Management sitzen, jedoch mehr verdienen als der CEO, der CFO und die drei nächsten Top-Verdiener in der Chefetage. Betroffen sind vornehmlich Sport- oder Medienstars, aber auch erfolgreiche Anleihen-Händler oder Abteilungschefs, die auf Erfolgsbasis honoriert werden. Öffentlich wird beispiels-weise, welche Annehmlichkeiten TV-Star David Letterman von seinem Sender CBS kriegt. Mit 31,5 Millionen Jahressalär verdient er weit mehr als seinen Chef.

Stoppen dürften die neuen Regeln die Lohnspirale kaum. «Aktionäre wissen zwar, was den Chefs bezahlt wird», sagt der Direktor der Abteilung für Unternehmensführung an der Harvard University, Lucian Bebchuk. «Dagegen tun können sie aber sehr wenig.»

Kritiker des SEC-Vorschlags fügen an, die Regeln trieben die Lohnspirale noch an. Künftig müssen Firmen nämlich auch die Leistungsvereinbarungen offen legen. Sieht ein CEO was der Chef bei der Konkurrenz alles kriegt, will auch er mehr.

Stagnieren die Löhne der Angestellten, explodieren jene der Chefs. Zwischen 1990 und 2004 blieb der amerikanische Durchschnittslohn trotz Inflation stets bei rund 27’000 Dollar, errechnete das Institute for Policy Studies. Wohingegen die durchschnittlichen Chefsaläre von 2,8 auf 11,8 Millionen Dollar stiegen.

Ein ähnlicher Trend lässt sich bei den Bonifikationen an der Wall Street erkennen. Die Banken schütteten 2005 Boni in der Höhe von 21,5 Milliarden Dollar aus. Ein Rekord, der selbst das Internet-Blasen-Jahr 2000 in den Schatten stellt. Damals wurden 19,5 Milliarden ausgeschüttet. Liegt der durchschnittliche Bonus der Wall-Street-Angestellten bei 125’000 Dollar, sind Boni in zweistelliger Millionenhöhe beim Topmanager die Regel.