Katie Ford – «Ja, bösartig und gehässig»

Nach welchen Mädchen verlangt der globalisierte Schönheitsmarkt? Katie Ford, Besitzerin der Ford-Models-Agentur, über branchengerecht aufbereitete Busen, die Gesichter der Zukunft und ihren Ärger über sexistische Italiener.

Von Peter Hossli (Text) und Charly Kurz (Foto)

katie_fordFrau Ford, Linda Evangelista sagte einst, nur eine Tages-Gage von mindestens 10’000 Dollar bringe sie aus dem Bett. Was kostet es heute, ein Top-Model aufzuwecken?
Katie Ford: Zu Lindas Zeiten stiegen viele für unter 10’000 Dollar aus dem Bett. Heute macht ein Top-Model 15’000 Dollar pro Tag, allerdings nicht mehr an so vielen Tagen wie damals. Ein gutes, regelmässig arbeitendes Model kassiert zwischen 4000 und 8000 Dollar.

Wie haben sich die Preise seit dem Ende des Supermodel-Zeitalters entwickelt?
Ford: Die Tagesraten sind gleich geblieben oder eher noch gestiegen. Die Arbeit verteilt sich aber auf mehrere Köpfe. Die Zeit mit Linda, Naomi Campbell, Christie Turlington oder Claudia Schiefer war einmalig. Es gab zehn Models, mit denen alle arbeiten wollten. Sie hätten jeden Tag sechs Jobs annehmen können. Das heisst, fünf Kunden waren frustriert. Heute gibt es viel mehr Models, die allerdings weniger oft arbeiten.

Die Supermodels verdienten astronomische Summen. Zahlt es sich noch aus, Model zu werden?
Ford: Es ist ein lukrativer Beruf – wenn man ihn ernst nimmt.

Wer schafft es?
Ford: Die wenigsten. Das richtige Aussehen reicht nicht. Es braucht vor allem Disziplin. Und die Bereitschaft, die Karriere nicht nur auf das Alter zwischen 16 und 22 Jahren auszulegen.

Wie lange dauert denn eine Model-Karriere?
Ford: Früher markierte der dreissigste Geburtstag das Ende einer Karriere. Heute ist es der Todestag.

Das Einsteigealter der Models fällt aber kontinuierlich. Wie jung sollen sie noch werden?
Ford: Sie irren sich. Models werden nicht jünger, sie werden älter. Heute verdienen Models über dreissig am meisten. Die Zukunft für Models über 55 ist bestens.

Es ist doch die Jugend, die verkauft.
Ford: Nicht an Leute, die Geld haben. Die Generation der Baby-Boomer ist mittlerweile 60 Jahre alt geworden. Sie haben Geld und geben es aus.

Seit ein paar Jahren bestimmen Brasilianerinnen den Laufsteg. Wer löst sie ab?
Ford: Vorerst niemand. Brasilien ist ein enorm grosses Land mit Menschen von überall. Das kreiert eine Mischung, die noch lange als spannend gelten wird.

Nicht mehr populär sind amerikanische Models, die Cindy-Crawford- oder Christie-Turlington-Typen. Warum?
Ford: Der Markt bestimmt, was ankommt. Die Werbung, die Trends, die Models passen sich stets der konsumierenden Bevölkerung an. In Amerika wächst die lateinamerikanische Bevölkerung schneller als alle anderen, deshalb gibt es mehr Werbung mit lateinischen Models, die Latinos ansprechen soll. Amerika wird aber nicht nur dunkler, es wird dicker.

Dicke Models?
Ford: Es gibt kein Segment in der Model-Industrie, das derzeit rascher wächst als das Plus-Segment. Mehr als die Hälfte der amerikanischen Bevölkerung trägt extragrosse Kleider. Diese Kundschaft kann man nicht mit einem spindeldürren Model bewerben.

Sie haben letztes Jahr gesagt, irische Models seien zu fett…
Ford: … ich wurde falsch zitiert. Ich habe gesagt, irische Models trainieren ihre Körper nicht gut genug.

Sie fördern damit Mager- und Brechsucht.
Ford: Das sind ernsthafte Krankheiten. Allerdings leiden wir heute weit mehr an Über- als an Untergewicht. Alle Menschen müssen mehr trainieren, nicht nur Models. Nicht Magersucht, Fettsucht ist das Problem.

Amerika bestimmt die Trends, weil die Amerikaner konsumieren wie niemand sonst. Die Zukunftsmärkte liegen aber in Russland, Indien und China. Wie beeinflusst dies das aussehen der zugkräftigen Models?
Ford: Noch ist der Werbemarkt in den USA am grössten. Bald sehen wir aber mehr chinesische und indische Models. Das Model der Zukunft ist eine Mischung aus Europäerin und Inderin.

Welche Namen müssen wir uns merken?
Ford: Von Camila Finn, Eloise, Cameron, Nataliya Gotsii werden wir noch viel hören.

Welchen Einfluss hat eine Model-Agentur auf das Image, das gerade gefragt ist?
Ford: Wir bestimmen das Image nicht, wir erahnen es und trimmen die Mädchen darauf hin. Wir entwickeln ihr Aussehen. Schaffen sie es, im richtigen Moment aufzuspringen, helfen wir ihnen, möglichst lange auf der Welle zu reiten. Wir müssen also Erfolg versprechende Models finden, und sie dann modellieren.

Eine Karriere lässt sich doch nicht planen.
Ford: Model-Karrieren sind komplett geplant. Früh wird entschieden, ob ein Model zuerst auf den Laufsteg steigt, oder in Magazinen oder Katalogen erscheint. Dann werden die Zähne, die Haut, die Brüste oder die Haare auf genau dieses eine Segment ausgerichtet. Wir richten sie zudem auf gewisse Fotografen und Designer aus – und setzen alles daran, ein erstes Ziel zu erreichen. Ist das erreicht, versuchen wir sie eine Weile dort zu halten. Hat sich ein Model auf der ersten Stufe etabliert, bereiten wir die zweite Phase vor, etwa ein Vertrag mit einer Kosmetikfirma. Dann wird weiter expandiert.

Was muss ein Model mitbringen, damit Sie es unter Vertrag nehmen?
Ford: Das ist einfach: Es muss die Bedürfnisse der Katalog-, der Mode-, oder der Kosmetikindustrie erfüllen. Wir sind ein Geschäft, das nur einem Gesetz ausgesetzt ist – jenem von Angebot und Nachfrage. Hinzu kommen Disziplin und Ehrgeiz. Sie müssen bereit sind, fit zu werden und fit zu bleiben. Sie müssen auf uns hören. Es müssen angenehmen Menschen sein. Es ist einfach, den ersten Job zu kriegen, da reicht das Aussehen. Eine Zicke kriegt aber keinen zweiten Job.

Wie wichtig ist Ihr persönlicher Geschmack?
Ford: Er ist irrelevant. Für mich zählt nur der Markt. Wir machen Geld, nicht Kunst. Grunge beispielsweise habe ich verabscheut. Hatten wir etliche erfolgreiche Grunge-Models unter Vertrag? Natürlich.

Welche Frauen gefallen Ihnen?
Ford: Solche, die wie Frauen und nicht wie Kinder aussehen.

Dieter Esch von Ihrer Konkurrenzagentur Wilhelmina beschreibt das Model-Geschäft als «das bösartigste, umkämpfteste, gehässigste und bissigste Business» überhaupt. Stimmt das?
Ford: Natürlich. Aber jedes Business ist hart umkämpft. Bei uns tut es ein bisschen mehr weh, weil es auf jeder Ebene Menschen betrifft.

Wie werden die Schlachten ausgetragen? Was tun Sie, damit Ford das nächste Top-Model kriegt, nicht Elite oder Wilhelmina?
Ford: Wir suchen konstant. Die anderen suchen konstant. Wir bieten den Models mehr Dienstleistungen an. Da es uns seit sechzig Jahren gibt, ist unsere finanzielle Glaubwürdigkeit grösser als bei den anderen Agenturen. Zudem sind wir bekannt dafür, Stars zu machen. Deshalb kommen die Models zu uns

Wie bereitet Sie Models auf das schnelle Geld vor?
Ford: Die wenigsten verdienen schnell viel Geld. Ich besorge aber allen Models einen Finanzberater.

Was machen die Frauen mit dem Geld?
Ford: Die smarten kaufen sich eine Wohnung.

In den neunziger Jahren gingen die besten Models nach Paris, heute kommen sie wieder nach New York. Warum?
Ford: Es gibt nirgends mehr Geld und mehr kreative Menschen. Die Energie ist hier, die Fotografen sind in New York, die Magazine auch. Sie haben Paris verlassen.

Models fürchten sich, nach Mailand geschickt zu werden. Warum?
Ford: Die Mailänder sehen Models als Sexobjekte. Sie akzeptieren sie nicht als Frauen, die einen Job machen, sondern als Frauen, die für Sex zu haben sind. Das ist oft sehr brutal. Früher hatten italienische Designer zudem mehr Geld. Es war eine tolle Stadt, um Models zu entwickeln. Jetzt ist das Geld weg.

Vor ein paar Jahren hatte ein Dokumentarfilm der BBC die Agentur Elite entblösst. Drogen seien überall, dazu sexuelle Ausbeutung, nicht selten mit Minderjährigen. Wie hat der Film die Industrie verändert?
Ford: Es war ein Schock für uns alle. Allerdings hat der Film die amerikanischen Agenturen nicht sonderlich geprägt. Sex mit jungen Models ist hier weit weniger verbreitet und akzeptiert als in den USA. Meine Mutter prägte die hiesige Model-Industrie jahrelang. Sie schützte die Mädchen vor Übergriffen. Dank ihr ist es hier seit langem üblich, dass minderjährige Models von den Eltern begleitet werden.

Gibt es seit dem Film weniger Ausbeutung und Drogen?
Ford: Wir haben seit Jahren keinen Sex-Skandal gehabt. Drogen gibt es überall. In New York und in London weniger als in Paris und Mailand. Wir schicken die Süchtigen sofort zum Entzug.

Kate Moss wurde unlängst beim Koksen fotografiert. Ein PR-Coup? Oder das Ende der Karriere?
Ford: Finanziell ist das für Kate schrecklich. Sie hat viele lukrative Verträge verloren. Während den siebziger Jahren hätte ein solcher Skandal geholfen, ein cooleres Image zu kriegen. Heute leben wir in einer sauberen Zeit. Die Werbekunden akzeptieren das nicht mehr.