Von Peter Hossli
Die Revolution soll am nächsten Montag beginnen. Das zumindest verspricht die Webseite von Howard Stern, dem lauten, frechen, oft vulgären amerikanischen Radio-Talker. Eine geballte, zum Himmel reckende Faust kündet an, worüber die US-Medien seit Monaten in grossen Lettern berichten. Am 9. Januar geht Stern, der selbst ernannte «King of all Media», bei Sirius auf Sendung, einer der beiden Satelliten-Radiostationen in den USA.
Lostreten will Stern «die freizügigste Radio-Sendung aller Zeiten», mit verbalen Angriffen auf die Starken und die Schwachen, mit zügellosem Sex, albernem Toilettenhumor und respektlosen Salven gegen die Macht. Die Badezimmer-Olympiade gewinnt, wer am weitesten Pinkeln kann.
Stoppen kann die Albereien niemand. Satelliten-Radio wird im Gegensatz zu terrestrisch verbreiteten Kanälen nicht reglementiert. Alles ist erlaubt. Endlich könne er wieder richtig loslegen, sagt der König der intelligenten Vulgarität mit dem fürstlichen Gehalt. Sirius zahlt Stern jährlich 100 Millionen Dollar, während fünf Jahren. Mehr hat ein amerikanischer Journalist nie verdient.
Völlig zu Recht, meint Stern. «Ich bin jeden Penny wert, den man mir zahlt», sagte er unlängst in einem Fernseh-Interview mit dem konservativen Fox-Talker Bill O’Reilly.
Für Sirius dürfte sich die Investition tatsächlich auszahlen. Stern, 52, ist der beliebteste Radiomacher Amerikas. Zuletzt hörten ihm jeden Morgen 18 Millionen Menschen zu. Seit der Ankündigung des Sirius-Deals im Oktober 2004 haben sich die Abonnentenzahlen der Satelliten-Radiostationen mehr als verdoppelt. Insgesamt hat Sirius mittlerweile 3,1 Millionen Kunden, die pro Monat knapp 13 Dollar für 125 werbefreie Kanäle bezahlen. Um bloss noch eine Million Abonnenten muss die Sirius-Kundschaft in den nächsten fünf Jahren wachsen. Dann ist Sterns grandioses Gehalt beglichen.
Ein realistisches Ziel. Talk-Radio erlebt seit dem Beginn der neunziger Jahre eine fulminante Renaissance. Kein Medium wird im Autoland Amerika häufiger genutzt. Kein Medium ist profitabler. Satelliten-Empfänger für den Stern-Sender erwiesen sich als höchst beliebte Weihnachtsgeschenke. «Satelliten-Radio ist wie Crack, hörst Du einmal hin, kannst Du nicht mehr davon lassen», sagt Stern, der ewige Pionier, der nun den Satelliten-Rundfunk zum Mainstream-Medium katapultieren will.
Allerdings sorge er sich nicht, ob Sirius das Geld verdient, das er erhält. «Es ist nicht mein Problem, ob die einen Gewinn machen», sagte Stern zu O’Reilly, in Anlehnung an eine sternsche Tradition. Seit er am Radio talkt, witzelt er über seine Vorgesetzten.
Es ist eines der Markenzeichen des seit Jahren von religiösen Fanatikern und Moralaposteln gehassten Multimillionärs. Stern, das ist der vorlaute, egomanische und selbstverliebte Schwätzer, der smart und unverhohlen vor sich hin redet – und Radio so zum Kultmedium werden liess. Profanes Ziel seines endlosen wie genialen Gequassels: Stern versucht, mit den eigenen Neurosen, sexuellen Obsessionen und einem angeblich viel zu klein geratenen Penis fertig zu werden. Das macht ihn zur Mischung aus Muhammad Ali und Woody Allen.
Stern wuchs in einem jüdischen Milieu in Brooklyn auf, gequält von sexuellen Minderwertigkeitskomplexen. Zum 13. Geburtstag erhielt er ein «Playboy»-Abonnement – von seiner Mutter. An der Boston University setzte er sich in den siebziger Jahren erstmals an ein Mikrofon und moderierte den Studentenfunk. Dort blühte er auf und legte seine Minderwertigkeitskomplexe ab. Nach dem Studium talkte er sich von kleinen über mittleren bis zu den ganz grossen Radiostationen. Auf Boston folgt Detroit, dann Washington D.C., schliesslich New York. Zwar wollten ihn die meisten Programmleiter bald wieder loswerden. Dauernd verletzten Sterns Verbalinjurien die Richtlinien der nationalen Radioverbände. Das Wort «Penis» gehöre auf den Index, nicht in den Äther, begründen Sendeleiter ihre angedrohten Kündigungen. Die Einschaltquoten aber gaben Stern Recht – und brachten den Radiostationen enorme Werbeeinnahme.
Seine politischen Bemerkungen sind bitterböse – und präzise. Stern gilt als schärfster und aufrichtigster Beobachter des amerikanischen Zeitgeschehens. Seit Jahren kämpft er gegen Zensur an – und wird dafür regelmässig mit hohen Bussen abgestraft. Lange bevor es ein vogue wurde, kritisierte Stern die Irak-Politik von George W. Bush. Dass der Präsident an Popularität eingebüsst hat, rechnen manchen Politikanalysten direkt ihm zu.
Sein Publikum ist vornehmlich männlich, Menschen, «die gerne lachen», sagt Stern, und ihm während der Autofahrt zur Arbeit zuhören. «Mein Hörer ist mein Freund», sagte er zu O’Reilly. «Ich führe mit ihm ein Gespräch in der Umziehkabine. Wir reden nicht freundlich, wir reden ehrlich, wir sind echt.» Nicht etwa seine Zoten seien sein Erfolgsgeheimnis. «Es ist die Aufrichtigkeit, die Realität. Ich sage die Wahrheit, das was alle denken aber nicht laut auszusprechen wagt.»
Echte Freunde habe er jedoch nicht, gesteht der dreifache Vater. «Ich habe keine Zeit für Freundschaften.» Das seine eine «grosse persönliche Schwäche», so Stern, der vier Mal die Woche zum Psychiater geht, «um eine besserer Vater zu werden». Und was macht er, wenn sein lukrativer Vertrag ausläuft? «Dann werde ich womöglich mit Radio aufhören», sagt Stern. «Ich werde aber nie aufhören, kreativ zu sein.»
Top-Verdiener in der US-Medienbranche
Howard Stern, 52 Radio-Talker auf Sirius, 100 Millionen Dollar.
David Letterman, 58, Gastgeber der «Late Show» auf CBS: 31,5 Millionen Dollar.
Jay Leno, 55, Gastgeber der «Tonight Show» auf NBC: 17 Millionen Dollar
Katie Couric, 48, Moderatorin der NBC-Morgensendung «Today»: 15 Millionen Dollar.
Ashley und Mary-Kate Olsen, beide 19, Besitzerinnen des eigenen Jugendmedien-Imperiums: beide je 14 Millionen Dollar.
Larry King, 72, Moderator der CNN-Sendung «Larry King Live»: 14 Millionen Dollar.
Diane Sawyer, 60, Moderatorin der ABC-Morgensendung «Good Morning America», 10 Millionen Dollar.
Bill O’Reilly, 56, Moderator der Fox-News-Sendung «The O’Reilly Factor»: 4 Millionen Dollar.
Anna Wintour, 56, Chefredaktorin der Modezeitschrift «Vogue»: 2 Millionen Dollar im Jahr.�