Von Peter Hossli
Von der Leinwand tröpfelt Nostalgie. Jim Braddock, ein mittelmässig begabter Boxer aus New Jersey, besiegt zuerst die Depression und dann den übermächtigen Gegner. Eingefangen hat die klassische Underdog-Story der Regisseur Ron Howard im Film «Cinderella Man», der seit kurzem in den Schweizer Kinos läuft. Steigt Braddock in den Filmring, trägt er kurze Hosen mit dem Schriftzug «Everlast». Dasselbe Logo sehen Kinogänger auf den Handschuhen, die sich der Schauspieler Russell Crowe umschnürt, und an den Seilen, in die er seine Gegner drängt. Es sind Zeichen von Authentizität. Tatsächlich boxte Braddock in den Zwanziger- und Dreissigerjahren mit Sportartikeln von Everlast – wie die meisten Schwergewichtsweltmeister nach ihm. Everlast ist ein Synonym für den Boxsport und eine Kultmarke.
Es begann 1910 im New Yorker Stadtteil Bronx. Der 17-jährige Jacob Golomb, ein passionierter Schwimmer, war unzufrieden mit der Beschaffenheit der Badehosen. So begann er solche zu fabrizieren, die mindestens ein Jahr lang hielten. Sein Qualitätsanspruch floss in den Markennamen: Everlast, hält ewig. 1917 betrat ein junger Boxer namens Jack Dempsey Golombs Sportgeschäft. Dempsey war auf der Suche nach einem robusten Kopfschutz, der mindestens 15 Sparringrunden überstehen würde. Zwei Jahre später schlug sich Dempsey im Ring zum WM-Titel im Schwergewicht. Golomb liess die Welt wissen, dass der Champion mit Everlast-Material trainiert hatte und mit Everlast-Handschuhen boxte. Um die Marke wirkungsvoll zu bewerben, schöpfte er den schlagenden Slogan «Everlast – The Choice of Champions», die Wahl der Weltmeister.
Massgeschneiderte Utensilien für die Grössten
1925 legte Golomb schliesslich jenes Produkt vor, das Everlast zum Boxartikelhersteller schlechthin katapultierte: Boxershorts. Bis dahin hielt jeweils ein schwerer Ledergurt die Hosen der Boxer. Golomb nähte ein elastisches Gummiband in den Bund. Die Boxer waren begeistert. Jahre später begannen Männer – wie auch Frauen -, Boxershorts als Unterwäsche zu tragen.
Nach Jacob Golombs Tod zu Beginn der Fünfzigerjahre führte sein Sohn Dan die Firma. Es waren goldene Jahre für den Haudrauf-Sport mit legendären Fights und grossen Rivalitäten. Stets dabei war Everlast, auf den Hosen, den Seilen, den Stiefeln, den Handschuhen. Alle grossen Kämpfer – Muhammad Ali, Joe Louis, Sugar Ray Robinson oder Joe Frazier – pilgerten persönlich in die Bronx und liessen sich die Schlagutensilien auf Mass schneidern.
Mitten im wohl berühmtesten Boxbild prangt der Everlast-Schriftzug. Es zeigt Ali, der 1965 triumphierend auf Herausforderer Sonny Liston hinunteräugt. Den mythischen «Rumble in the Jungle», den Weltmeisterschaftskampf von 1974 zwischen Ali und George Foreman in Zaire, rüstete ebenfalls Everlast aus. Schauspieler Sylvester Stallone haute mit Everlast-Handschuhen zu.
Boxen und Everlast galten als unschlagbar – bis zu Alis Rücktritt in den frühen Achtzigerjahren. Danach schwand das Interesse. Everlast schlitterte in die Krise. Die Qualität galt als zweitklassig. Aus schierer Not trat Everlast 1992 der Active Apparel Group die Lizenz für Frauenmode ab. 1998 erwarb Active Apparel zusätzlich die Lizenz für Männermode. Zwei Jahre später wechselte die gesamte Firma für 60 Millionen Dollar die Hand. Der neue Besitzer, Active-Apparel-Gründer und CEO George Horowitz, änderte den Namen zu Everlast Worldwide Inc. und führte die Firma an die Börse. Das Juwel der Firma war die von der Boxgeschichte geprägte Marke, das wusste Horowitz. Eine Marke, die er binnen fünf Jahren aggressiv an etliche Hersteller lizenzierte. Mittlerweile erzielen Sport- und Freizeitmode, Fitnessvideos oder Kosmetika mit dem Everlast-Logo einen globalen Umsatz von über 700 Millionen Dollar.
Mit «Million Dollar Baby» ein grosses Comeback
Mittlerweile hat Boxen ein Comeback erlebt. Nicht so sehr bei den Profis, sondern in den Fitnessstudios, wo körperbewusste Banker oder Anwälte auf Sandsäcke dreschen. Diese Klientel peilt Horowitz mit einem simplen Konzept an: Boxen und Everlast bilden eine Einheit. So nimmt die Firma junge, Erfolg versprechende Kämpfer unter Vertrag. Hinzu kommt aggressives Product Placement. Nur Coca-Cola ist derzeit häufiger in TV-Shows oder im Kino zu sehen als Everlast. In einer Box-Reality-Show mit Sylvester Stallone boxen jungen Fighter mit Everlast. Als «Werbespot für Everlast» pries Horowitz den Spielfilm «Ali», der das Leben des schillernden «Greatest of All Time» zeigte.
Der nachhaltigste Coup gelang Everlast mit «Million Dollar Baby», einem Boxdrama mit Clint Eastwood als alterndem Boxtrainer. Als der Film im Dezember 2004 ins Kino kam und später fünf Oscars gewann, schoss der Everlast-Aktienkurs in die Höhe. Mittlerweile hat sich der Kurs bei 5 Dollar eingependelt. Analysten machen zwei Ereignisse verantwortlich. Mike Tyson ging in seinem letzten Kampf unter. Und «Cinderella Man» floppte trotz wohlwollender Resonanz der Kritik an der Kinokasse.