Von Peter Hossli
Die Freude am politischen Hickhack gehört zu New York wie das Loch zum Bagel. Ausgesprochen lustvoll äugen New Yorker darum jeweils, wenn zwei Kandidaten bei Debatten zum Fight ansetzen. Dem ist heuer nicht so. Ohne grosses Aufsehen werden sie nächste Woche ihren Bürgermeister bestellen. Zu deutlich liegt der republikanische Amtsinhaber Michael Bloomberg in den Umfragen vor dem demokratischen Herausforderer Fernando Ferrer.
Weit mehr erregt die Gemüter, was Bürgermeister Bloomberg nach der Wiederwahl mit dem nach ihm benannten Daten- und Medienkonzern anstellen wird.
Spätestens in vier Jahren muss er wegen der Amtszeitbeschränkung die City Hall räumen. Mehrmals hat er betont, nicht an die operative Spitze seines Konzerns zurückzukehren. Kein Interesse verspürt er überdies an einem höheren politischen Amt.
Stattdessen strebt der 63-Jährige ein Leben als Gutmensch an. Eine Stiftung wolle er gründen, sagte er unlängst der «New York Post». Als Vorbild bezeichnet Bloomberg oft Microsoft-Gründer Bill Gates, der zusammen mit seiner Frau Melinda eine der grössten privaten US-Stiftungen überhaupt führt. Gates unterstützt vornehmlich medizinische Projekte in Afrika und hofft, die im Argen liegenden Schulen Amerikas zu retten.
Um das Stiftungskapital zu äufnen, veräusserte Gates Microsoft-Aktien. Bloomberg, nur auf Papier ein mehrfacher Milliardär, hält 79 Prozent an Bloomberg LP. Nur wenn er diesen Anteil verkauft, könnte er an das nötige Bargeld für ein philanthropisches Dasein gelangen. Ein Ansinnen, das weder er noch Bloombergs Management kommentieren.
Es käme eine schöne Summe zusammen, je nach Berechnung zwischen 6,5 und über 12 Milliarden Dollar. Da die Firma in privaten Händen liegt, sind deren Bücher verschlossen. So viel ist bekannt: Bloomberg LP hat rund 200 000 Kunden, die für das Datenterminal jährlich 21 000 Dollar bezahlen. Um den Wert der Firma zu berechnen, verdreifachte das «Wall Street Journal» den Jahresumsatz und schlug 30 Prozent drauf.
Vom so ermittelten Verkaufspreis von 16 Milliarden Dollar fielen für den Bürgermeister 12,64 Milliarden ab. Andere Schätzungen liegen jedoch weit tiefer. Das Magazin «Forbes» etwa bezifferte Bloombergs Vermögen vergangenen März auf 5 Milliarden Dollar und setzte ihn auf Platz 94 der Liste der reichsten Menschen der Welt.
Sind auch Google, Yahoo und Microsoft interessiert?
Ohnehin fehlt noch der Käufer. Noch hat niemand öffentlich Interesse an Bloomberg LP bekundet. Direkten Rivalen wie den finanziell angeschlagenen Firmen Dow Jones oder Reuters wäre Bloomberg schlicht zu teuer. Überdies dürfte in diesen Fällen das Kartellamt Einspruch erheben. Alle drei Firmen bieten indes ähnliche Dienstleistungen an.
Finanzkräftiger wären da die Informationskonzerne Thomson sowie Reed Elsevier («Lexis-Nexis») oder der «Business Week»-Verleger McGraw-Hill. Gerüchteweise sollen auch Google, Yahoo und Microsoft interessiert sein. Zumindest hätten sie genügend Kapital. Überdies würde Bloomberg den drei sich heftig konkurrierenden Internet-Giganten den direkten weltweiten Zugang zu Finanzhändlern bringen. Möglich wäre schliesslich ein Verkauf an eine private Beteiligungsgesellschaft, zumal Bloomberg satte Gewinne schreibt.
Box: Der Selfmademan
Michael Bloomberg ist ein Selfmademan. Nach dem MBA an der Harvard University heuerte er als Anleihenhändler bei Salomon Brothers an. Später wurde er Partner. 1981 verkrachte er sich und liess sich mit einer Abfindung von 10 Millionen Dollar entlassen.
Mit dem Kapital startete er 1982 eine kleine Firma, die über Terminals – so genannte Bloombergs – Finanzdaten an Börsenhändler lieferte. Lange vor dem Internet verbanden die Terminals die Wall Street. Trader tauschten damit elektronische Nachrichten aus. Plötzlich hatten sie Zugang zu Informationen, die ihnen einen klaren Wettbewerbsvorteil bescherten. Während den gierigen Achtzigerjahren galt der Bloomberg Terminal auf dem Traderpult als Symbol des Erfolgs.
Der Börsenboom der Neunzigerjahre bescherte Bloomberg jährlich zweistellige Wachstumsraten. Zur Überraschung vieler Analysten setzte selbst die Verbreitung des Internets der Firma nicht zu. Noch immer bringen die Terminals 97 Prozent des Umsatzes. Hinzu kamen Radio- und Fernsehprogramme sowie Webseiten. 1600 der 8000 Angestellten arbeiten als Reporter in über 90 Ländern. Analysten messen den Erfolg Bloombergs hauptsächlich dem unkonventionellen Führungsstil des Gründers bei, den seine Nachfolger nach dessen Ausscheiden beibehielten. Bewusst fördert er Kreativität und Experimentierfreude. Er verzichtet weit gehend auf Hierarchien – ein Stil, den Bloomberg zum Verdruss mancher Beamter ins New Yorker Stadthaus mitnahm.