Das schwerelose Business-Modell

Schon bald wollen sich Amerikas Superreiche auf den Mond schiessen lassen. Die neue Obsession für die Superreichen in Amerika ist das Weltall. Etliche Firmen hoffen, im schwerelosen Raum das grosse Geschäft zu machen.

Von Peter Hossli

Amerika ist die Lokomotive der Weltwirtschaft. Was aber treibt Amerika an? Es ist die konstante Suche nach dem «next big thing», der stete Drang nach der nächsten grossen Sache.

Die vermutet ein exklusiver Club von Milliardären neuerdings in der Schwerelosigkeit. Sie wollen das Weltall, bisher ein Terrain der öffentlichen Hand, privat erschliessen. Es sind Superreiche, die ihr Vermögen meist mit Technologie gemacht haben und dort eine gewisse Sättigung sehen. Es sind Amerikaner, wie der Microsoft-Co-Gründer Paul Allen, deren Jugend vom Sputnik-Schock geprägt war. Nun verfügen sie über genügend Erfahrung und private Ressourcen, um eine lebenslange Faszination fürs All umzumünzen.

Allen, dessen Vermögen 21 Milliarden Dollar umfasst, finanzierte den ersten Raumtransport eines Privatmannes. Vorletzten Juni katapultierte sein SpaceShipOne den Astronauten Mike Melvill 100 Kilometer in die Höhe, über den Rand der Erdatmosphäre hinaus. Bau und Entwicklung des Jet-ähnlichen Gefährtes kosteten 20 Millionen Dollar.

Nochmals 100 Millionen Dollar investiert der Besitzer des Konglomerates Virgin, der englische Milliardär Richard Branson, in die SpaceShipOne-Technologie. In drei Jahren schon soll eine Flotte seiner Raumgleiter zahlende Gäste in den Kosmos befördern.
Der Vorverkauf läuft schon. So nimmt die Website der Virgin-Tochter Virgin-Galactic Buchungen für die Trips entgegen. Ein Platz auf der Warteliste kostet 20000 Dollar, zehn Prozent des dereinstigen Ticketpreises für die Schwerelosigkeit.

Ein Privat-Jet von Virgin wird die Freizeit-Astronauten zur Startrampe bringen, wo sie ein paar Tage trainieren. Der Flug ins Universum dauert dann 25 Minuten. Wobei das von zwei Piloten gesteuerte Raumschiff nur sechs Minuten der Erdanziehung entschwindet. Sechs Passagiere werden sich beeilen müssen, um die Umrisse der Kontinente zu bestaunen.

Für Economy-Class-Flieger mag der Minutenpreis von 33000 Dollar happig erscheinen. Für Bransons Kundenkreis – Hollywoodstars oder Wall-Street-Banker – ist es Wechselgeld. Den geschäftigen Menschen kommt überdies entgegen, dass der Trip ins All und dessen Vorbereitung nur eine Woche beansprucht. Eingeschrieben haben sich bereits «Aliens»-Darstellerin Sigourney Weaver und «Titanic»-Regisseur James Cameron.

Nicht nur ein paar Minuten, bis zu einer Woche möchte der Gründer von Amazon.com, Jeff Bezos, seine Kunden im All belassen. Möglich machen soll es Raketentechnologie. Während Branson seine Passagiere mit starken Jets bloss knapp über die Grenze der Erdatmosphäre hinaus tragen kann, katapultieren Bezos’ Raketen ihre Fracht auf höher gelegene Erdumlaufbahnen.

Um diesen Traum zu verwirklichen hat Bezos eine Firma namens Blue Origin gegründet. Die sucht derzeit «technisch talentiertes» Personal. Einquartiert wird es vorerst am Firmensitz in Seattle. Doch da im regnerischen Nordwesten der USA Raketen nicht abheben können, legte sich Bezos letztes Jahr ein Stück Land in der Steppe zu, in Van Horn in Westtexas.

Von Beginn weg erwies er sich als guter Nachbar. Nicht etwa der «New York Times» oder dem «Wall Street Journal» verriet er seine Pläne. Er gewährte dem Chefredaktor und einzigen Journalisten des «Advocate» ein Interview, dem Lokalblatt Van Horns. Zum «Zentrum der Raumfahrt» wolle er das 3000-Seelen-Kaff machen, gab er zu Protokoll. Bezos will NASA-Orten wie Houston oder Cape Canaveral in Florida die All-Bahnhofsstellung strittig machen. Nicht nur Flüge plane er. Das All «mit Menschen kolonialisieren» wolle er.

Wo die Kolonialisten dereinst wohnen könnten, weiss Robert Bigelow, Hotelier und Gründer der Hotelkette Budget Suites. Seine Firma BigelowAerospace ist daran, eine kostengünstige Raumstation zu bauen, die als Hotel für zahlungswillige Passagieren dienen wird. Nicht etwa eine fertige Station gedenkt Bigelow ins All zu jagen, sondern ein Gerüst aus leichtem Kunststoff. In der Schwerelosigkeit würde es aufgeblasen werden. Er rechnet mit Kosten von 250 Millionen Dollar.

Neben den Touristen sieht Bigelow Sportler als Kunden, für die er schwerelose Wettkämpfe austragen möchten. Werber und Filmer sollen es für Dreharbeiten nutzen.
Entwickelt hatte die Aufblass-Technik ursprünglich die US-Raumfahrtbehörde NASA. Bigelow erwarb deren Patent und heuerte NASA-Ingenieure an. Beweisen wollte er damit eines: Private Investoren könnten weit schneller und kostengünstiger handeln als die vermeintlich bürokratische NASA.

Müssen sie auch. Neben der Freude am Abenteuer verfolgen die privaten Raumfahrer nämlich alle dasselbe Ziel: Sie wollen ans grosse Geld, mit Touristen und privaten Satelliten, die sie transportieren.

Die Chancen auf Erfolg stehen nicht schlecht. 467 Menschen haben seit 1961, seit dem Russen Yuri Gagarin, die Erdanziehung verlassen. Branson plant, allein im ersten Flugjahr so viele Personen ins All zu befördern, in fünf Jahren sollen es 3000 sein.
Wenns klappt. Seit Jahren schon publizieren Hobby-Magazine fantastische Geschichten über Ferien auf Mond und Mars und Partys in der Raumstation. Wahr wurde bisher keine.

Allenfalls bewahrheitet sich ein alter Witz. Der geht so: Wie wird man Millionär im Geschäft mit der Raumfahrt? Man startet als Milliardär.

Die privaten Raumfahrer

Jeff Bezos, 41, Gründer und CEO von Amazon. Vermögen: 5 Milliarden Dollar.
Baut in Texas ein Raumfahrtzentrum für seine Firma Blue Origin. Will zuerst Raketen ins All schiessen und dann «den Weltall kolonialisieren».

Paul Allen, 51, Co-Gründer von Microsoft. Vermögen: 21 Milliarden Dollar.
Hat die Entwicklung des ersten privaten bemannten Raumfluges mit dem SpaceShipOne finanziert.

Richard Branson, 54, Gründer und Chef von Virgin. Vermögen: 2,2 Milliarden Dollar.
Will mit der SpaceShipOne-Technologie ab 2008 für 200000 Dollar kurze Flüge ins All anbieten.

John Carmack, 34, hat die Computerspiele «Doom» und «Quake» entwickelt. Vermögen: unbekannt.
Entwickelt mit seiner Firma Armadillo Aerospace Raketen für den Transport von Satelliten.

Elon Musk, 34, hat den Internet-Zahlungsdienst PayPal gegründet und später an Ebay verkauft. Vermögen: 330 Millionen.
Hat die Firma Space X gegründet, die Raketen entwickelt für Satelliten. Seine Kunden sind die US-Regierung sowie private Kommunikationsunternehmen.