«Godfather’s» letztes Vermächtnis

Das Auktionshaus Christie's wird mit Utensilien von Marlon Brando mehrere Millionen Dollar lösen. Bis zu seinem Tod blieb Brando ein Mysterium. Nun gelangt in New York seine persönliche Habe unter den Hammer.

Von Peter Hossli

Marlon Brando war ein Koloss in allen Lebenslagen. Wie kaum jemand verkörperte er Lust und Übermass. Ass, was er konnte. Schwängerte wohl ein Dutzend Frauen. War auf der Leinwand eine genialische Wucht und stürzte kolossal ab.

Süchtig war das einstige Sexsymbol nach Vanille-Eiscreme – und nach Geld. «Es stört mich nicht, dass ich fett bin», sagte der Aufgedunsene einst, «ich kriege immer noch gleich viel Geld.» Weil er weder «die Moral noch den Mut» aufbringe, «auf Geld zu verzichten», verlasse er Hollywood nicht. Nicht etwa, weil er dort seinen Beruf am besten ausüben könne. «Wenn mir die Filmstudios fürs Bodenschrubben gleich viel bezahlen würden wie fürs Schauspielern, würde ich den Boden schrubben.»

Mehrere Millionen dürften zusammenkommen

Mit den Millionen postete sich Brando eine Insel im Südpazifik, aber auch einen Tischfussball-Kasten. Das hölzerne Spielgerät gelangt nun am 30. Juni im Rockefeller Center in Manhattan unter den Hammer. Zusammen mit all dem, was die Erben des 80-jährig Verstorbenen loswerden wollen. Auf «über eine Million Dollar» schätzt Christie’s Sprecher Rik Pike den Verkaufswert der in 329 Lots zusammengefassten Ware – und stapelt bewusst tief. Bei der letzten grossen Auktion der Sachen eines Stars – 1999 versteigerte Christie’s Marilyn Monroes Memorabilien – prophezeite das Auktionshaus einen Umsatz von 2 Millionen Dollar und erzielte 13,4 Millionen.

Der Run auf Brando sei enorm. Seit Christie’s die Auktion bekannt gegeben hatte, gehen online konstant Angebote ein. Als «sehr, sehr gross» beschreibt die Chefin der Popkultur-Abteilung von Christie’s, Helen Bailey, das Interesse. Zumal die Versteigerung «einen einzigartigen Blick in das persönliche Leben des ausgesprochen privaten» Akteurs zulasse, so Bailey. Sie befriedigt die voyeuristische Lust. Kaum jemand hatte etwa gewusst, wie vielfältig musikalisch Brando war, dass er Keyboard, Trommel, Rassel und Harmonika beherrschte.

Gerne liess er sich bauchpinseln. Ein mit rotem Farbstift gekritzelter Brief von Mario Puzo lockte den Schauspieler 1970 aus dem Ruhestand. «Dear Mr. Brando», legt der Autor der Mafia-Saga «The Godfather» im englisch abgefassten Papier los, «ich habe ein Buch geschrieben, das «The Godfather» heisst … ich glaube, Sie sind der einzige Schauspieler, der die Rolle spielen kann.» Umgehend sprach Brando bei Regisseur Francis Ford Coppola vor – und kreierte nach langem Nichtstun eine der packendsten Figuren der Filmgeschichte.

Wenig bekannte Geschichten übers Kino bringt die Auktion ebenfalls zu Tage. So bat Beatnik-Autor Jack Kerouac Brando, die Hauptrolle in der Filmversion seines Klassikers «On the Road» zu übernehmen. Etliche Briefe von Regisseur Elia Kazan («On the Waterfront») schildern die enge Beziehung zwischen Brando und dem Mentor, der ihn Ende der vierziger Jahre auf die Bühne geholt hatte. Ein ledern eingefasstes Drehbuch zu «The Godfather» enthält Brandos Änderungen. Es sei «das wichtigste Stück der Sammlung», sagt Kuratorin Bailey. Zertrümmert werde der Mythos, den der angeblich meist desinteressierte Brando selbst geschaffen hatte. «Es zeigt, wie sehr er involviert gewesen war.»

Wollen die Erben schnelle Kasse machen?

Einiges über den privaten Brando sagen die asiatischen Möbel, auf denen er sass, oder die Boxhandschuhe, die er sich umschnürte. Um «ein noch männlicherer Mann» zu werden, boxte er. Mit Crew-Mitgliedern sparrte er während der Dreharbeiten zu «A Streetcar Named Desire» – und brach sich dabei die Nase.

Brandos Hunger nach Wissen war immens. 320 wissenschaftliche und mathematische Bücher besass er, die meisten versehen mit Notizen. Gegen 2000 Exemplare umfasste die Bibliothek, Romane, Biografien, Abfassungen über Sex oder Kochbücher. Er studierte Sigmund Freud und C. G. Jung.

66 bekritzelte Bücher über die Bürgerrechtsbewegung sowie ein Brief von Martin Luther King widerspiegeln die politische Seite. Ebenso die zahlreichen Schmuckstücke von amerikanischen Indianern. Jahrelang setzte sich «The Wild One» für deren Rechte ein. Bedeckt hält sich Christie’s-Sprecher Rik Pike zum Hintergrund der Auktion. «Die Erbgemeinschaft hat den Verkauf initiiert, mehr kann ich nicht sagen.» Nichts zu den Gerüchten, wonach Brando pleite oder hoch verschuldet starb und die Erben ein paar schnelle Dollar machen wollen.

Für die Nachfahren dürfte ohnehin nicht viel abfallen. Gemäss dem US-Magazin «People» hatte Brando mindestens elf Kinder, fünf von seinen drei Ehefrauen, drei von seiner Haushälterin und drei von anderen Affären. Noch laufende Vaterschaftsklagen dürften den Auktionserlös zusätzlich verdünnen.

So viel brachten die Memorabilien anderer Superstars

Marilyn Monroe
Auktionshaus: Christie’s im Dezember 1999.
Umsatz: 13,4 Millionen Dollar von 524 Exponaten.
Highlight war das so genannte «Happy Birthday, Mister President»-Kleid. In diesem Kostüm hatte Monroe John F. Kennedy lasziv singend zum Geburtstag gratuliert. Das Kleid ging für 1,2 Millionen Dollar weg. Ihr Führerschein wurde für 145 500 Dollar erstanden, ihr Zertifikat zur Konvertierung zum Judentum für 90 500 Dollar.

Jacqueline Kennedy Onassis
Auktionshaus: Sotheby’s im April 1996.
Umsatz: 34 Millionen Dollar von 5914 Exponaten.
Über 40 000 Personen beteiligten sich an der bisher glamourösesten Auktion. Der Verlobungsring der Präsidentenwitwe mit dem griechischen Reeder Onassis ging für 2,3 Millionen Dollar weg. Ein Präsidentenpult fand einen Käufer für 1,4 Millionen. Für JFKs Schaukelstuhl bezahlte jemand 400 000 Dollar.

Elvis Presley
Auktionshaus: Guernsey’s im Oktober 1999.
Umsatz: 4,9 Millionen Dollar von 2000 Exponaten.
Es erinnerte mehr an einen Ramschverkauf als an eine glamouröse Auktion – dennoch strichen Elvis Presleys Erben fast 5 Millionen Dollar ein, als sie hauptsächlich persönliche Papiere des King verscherbelten. Zum Verkauf standen auch ein Piano, ein paar Samtanzüge, das goldene Album für «Heartbreak Hotel» sowie zwei Autos.