Um Gottes willen!

Urknall und Darwin sind out, das Alte Testament in. So wollen es die Kreationisten. Und sie haben Zulauf. Ein Besuch bei den radiklen Verfechtern von Adam und Eva im Herzen der USA.

Von Peter Hossli

Die schönsten Frauen der Welt hängen allesamt in einem Keller in Petersburg, Kentucky, aufgespiesst als Fotos an einer hellblauen Wand. Sophia Loren ist vertreten, auch Naomi Campbell und Salma Hayek. Einer Bildhauerin liefern sie göttliche Eingabe. «Ich schöpfe die Mutter aller Menschen», sagt Carolyn Manto. Die, weiss die schwarz gelockte 25-Jährige, trug bereits sämtliche genetischen Daten in sich. «Ihre Schönheit verdanken diese Frauen allein Eva.»

Etwas fehlt der lebensgrossen Figur – der Bauchnabel. Nicht dem Mutterleib, der Rippe Adams soll die Ur-Frau entsprungen sein. Ist das nabellose Wesen dereinst fertig, wagt sich die Schöpferin an den Ur-Mann, inspiriert von Schönlingen wie James Dean oder Yul Brynner. «Echt» soll der stämmige Kerl dereinst werden, «der Wahrheit entsprechend.»

Was wahr ist, weiss die eloquente Bildhauerin genau: Alle Menschen haben ihre DNS von Adam und Eva. Eigenhändig schuf Gott die Erde, die Menschen, Tiere und die Sträucher, in sechs ereignisreichen Tagen. Vor genau 6000 Jahren soll all das passiert sein. «Es steht in der Bibel», bringt sie als Beweis vor, «im Wort Gottes und Gott irrt nicht.»

Manto ist akademisch gebildet und arbeitet als leitende Skulpteurin des «Creation Museums», einer Bildungsstätte an der Grenze zwischen Ohio und Kentucky. Deren Anspruch ist durch und durch wissenschaftlich. Widerlegen will sie das Fundament der modernen Biologie, nämlich Charles Darwin und dessen Evolutionstheorie, wonach sich die Natur ohne zutun höherer Mächte ständig weiter entwickelt. Mit einem Planetarium, Fossilien und Mikroskopen soll bewiesen werden, was im alten Testament steht: Nicht Milliarden von Jahren schon existiert die Erde, sondern gerade mal ein paar Tausend. Nicht mit Einzellern begann das Leben, mit fixfertigen Menschen und Tieren, die friedlich im Garten Eden verweilten. Dieses Paradies zerbrach mit dem Sündenfall. Vor 4500 Jahre schliesslich schnitzten Flut und Eiszeit die Kontinente in die Erdkruste. Noahs Arche rettete die Tiere.

Was in Europa selbst im Religionsunterricht bloss allegorisch verstanden wird, ist für eine Mehrheit der erwachsenen Amerikaner ein Fakt. 55 Prozent, so eine neue CBS-News-Umfrage, schreibt Gott die Schöpfung der Menschen zu, in ihrer jetzigen Form. Nur 13 Prozent gibt Darwin Recht. Schleunigst müsse daher Evolution vom Lehrplan gestrichen werden, fordern christliche Eiferer landesweit. In 19 Bundesstaaten ziehen sie vor Gericht, damit Biologielehrer künftig zusätzlich Adam und Eva drillen.

Mit einem kräftigten «you ain’t seen nothing yet» beschreibt Ken Ham die Kreationisten-Welle, die durch Amerika kracht, «das ist noch gar nichts». Ham, versehen mit dem kantigen Antlitz Abraham Lincolns, weiss es. Der gebürtige Australier ist Präsident von Answers in Genesis (AiG), der radikalsten der drei grossen amerikanischen Kreationistenbewegungen. 25 Millionen Dollar hat er für das Creationist Museum gesammelt, das im Jahr 2007 aufgeht, im Herzen Amerikas.

Dorthin trägt er die Schöpfungslehre, «was die wissenschaftliche Vorstellung ganzer Generationen umkrempeln wird». Den Schöpfungs-Boom erklärt Ham mit dem Heimunterricht. Millionen von US-Kindern erfahren zu Hause nichts über Evolution. Kräftig Auftrieb erhält der Kreationismus zudem von der Homo-Ehe-Debatte. «Gott schuf Adam und Eva, nicht Adam und Adam», sagt Ham. Von seinem Eckbüro im Verwaltungstrakt blickt er auf einen künstlich angelegten See und eine satte grüne Wiese. Sein Paradies in Kentucky.

«Gut lebt man im Paradies», sagt Bildhauerin Carolyn Manto. Kerngesund gestaltet sie daher Eva, als «Mischung aus allen Menschen». So gross wie eine Holländerin, dunkel wie eine Inderin, das Haar kraus wie bei einer Ghanesin, keine Ethnie zu deutlich. «Alle müssen sich in ihr wieder erkennen», sagt Manto. Die Skulptur wird am Anfang des «Schöpfungsweges» stehen, dem erzieherischen Mittelpunkt des Museums. An zwanzig dreidimensionalen Bibelszenen schlendern künftig Besucher vorbei. Aus Staub wird da Adam. Eva schnappt sich den Apfel – und erduldet daher wie alle Frauen höllische Geburtsschmerzen. Der Turm zu Babel bricht ein. Jesus hängt am Kreuz.

Wie herkömmliche naturhistorische Museen lockt Answers in Genesis mit Dinosauriern. Ein Bildhauer hat sie in mehrjähriger Arbeit gefertigt, minuziös nach paläntologischen Vorgaben. Mit einem Unterschied. Seine Ur-Reptilien starben nicht wie allgemein angenommen vor 65 Millionen Jahr aus. Sie entstanden, wie alle anderen Landtiere, am sechsten Tag der Schöpfung und lebten Seite an Seite mit Adam und Eva. Auf der Arche fanden die Riesenviecher keinen Platz. Sie etranken. «So steht es in der Bibel», betet Ken Ham sein geeignetes Argument runter. Überdies, heisst es auf den Beschriftungstafeln, belegen «neuste Ausgrabungen» die Jung-Dino-Theorie.

Es ist das Hauptanliegen des Museums. Was im alten Testament über Schöpfung steht, ist wortwörtlich wahr – und es lässt sich wissenschaftlich belegen. «Es ist wahre Geschichte und wahre Wissenschaft», sagt Ham. Wer das nicht akzeptiere, predigt er plötzlich, sei mitschuldig an allem Unheil, am Rassismus, am Holocaust, am Krieg. Denn wer an die Evolution glaube, weise die Bibel und somit die absolute Wahrheit zurück. «Wer keine absolute Wahrheit hat, kann nicht moralisch handeln.»

Ausdrücklich heisst Ham Demokraten wie Republikaner willkommen. Politisch ist er nie. Druck auf Schulbehörden übt er nicht aus. Ham informiert. «Das Museum ist ein Reservoir, das Amerika überflutet.» Mit «Informationen bewaffnen» will er das Volk, für einen «Krieg zwischen zwei Glaubenssystemen». Ein Friedensabkommen sieht er vorerst als Erfolg. Darin würde der Darwinismus zur unbewiesenen Theorie degradiert und der Bibel gleichgestellt.

Zeitgenössisch und multimedial kämpft Answers in Genesis dafür. Weltweit 700 Radiostationen strahlen das täglich in Petersburg produzierte 90-Sekunden-Programm «Antworten mit Ken Ham» aus. «Alle Babys sind in Sünde geboren», berichtete er etwa letzte Woche. «Sie stammen von Adam ab, dem Ursünder.» Zwei Millionen Menschen besuchen monatlich die überquellende AiG-Website. Dreihunderttausend DVDs mit Schöpfungs-Filmen wie «A steht für Adam» oder «Argumente, die Kreationisten nicht mehr verwenden sollten», verlassen jährlich das Lagerhaus. Zwei Magazine verlegt AiG, das populärwissenschaftliche und farbig illustrierte «Creation» sowie «TJ» mit langen Texten, mathematischen Formeln und etlichen Fussnoten.

Doktor Jason Lisle publiziert in beiden Heften. Heute hält der blasse Astrophysiker einen für Schulen gedachten Vortrag. Zwei Dutzend Akademiker horchen im fensterlosen Konferenzsaal. Es geht, wie immer, um den Anfang. «Der grosse Knall hat grosse Probleme», holt Lisle aus. Die Urknall-Theorie? «Ein Mythos.» Mehr nicht. «Niemand war dabei, niemand kann es überprüfen.» In der Bibel hingegen, erläutert der 30-Jährige, stehts klipp und klar. Sechs Tage, fertig wars.

Der Urknall brauche einen Auslöser. Gott sei unendlich. «Der Mensch ist fehlerhaft, nur Gott ist perfekt», zerlegt Lisle die Urknall-Forscher. «Wem vertraut ihr?» fragt er. «Dem Perfekten oder dem Fehlerhaften?» Just folgt die Quintessenz der Gedankenkette: «Das Wort Gottes stimmt, nicht die menschliche Theorie.» Er schliesst mit einem Weltallbild, aufgenommen vom Hubble-Teleskop. «Ist das nicht wunderschön?», fragt er. «Das kann nicht Zufall sein, es muss vom Schöpfer kommen.» Das lapidare Argument erntet tosender Applaus.

Auch von Casey Hoffman, einer 21-jährige Studentin in schlabberigen Kleidern. Freiwillig leistet sie zwei Wochen Dienst in Kentucky, heuer zum vierten Mal. Aus «Liebe zu Gott» verpackt sie im Untergeschoss des Museums Broschüren. Designerin will sie dereinst werden. «Gutes Design braucht einen Designer», weiss sie. Schöner, exakter und besser als die Erde sei nichts gestaltet. Von wem, weiss Hoffman ganz genau. «Von Gott, es steht in der Bibel.»

Dort las sie auch, wann alles anfing. Doch wann hört es auf, wann endet das jüngste Gericht mit dem biblisch prophezeiten Weltuntergang? «Hoffentlich bald.» Sie strahlt. «Ich will nach Hause.»