Mein Gott, Walder!

Ein kleiner Schweizer Banker wollte in New York groß rauskommen. Da klaute er 75 Millionen und kaufte ein Schloss.

Von Peter Hossli

walderheadshot.jpgDie Verhaftung war auf Dienstag angesetzt – ohne großes Aufsehen, das war versprochen. Freiwillig würde sich Hanspeter Walder in seinem Büro an der Park Avenue in New York dem FBI stellen. Am Donnerstag zuvor hatte er gestanden, seinem Arbeitgeber, der Schweizer Großbank UBS, über einen Zeitraum von fast zwanzig Jahren 75 Millionen Dollar gestohlen zu haben. Mit dem Geld habe er sich im New-Yorker Vorort Tarrytown ein Schloss gekauft. Dieses baute er in eines der luxuriösesten Hotels der USA um.

Zur angekündigten diskreten Verhaftung kam es nicht. Am Montag, dem 24. September 2001, abends platzte ein Dorfpolizist zusammen mit zwei Beamten des FBI in die Feier zum 30. Hochzeitstag von Hanspeter Walder und dessen Frau Steffi im Schloss. Als der angetrunkene Mann Widerstand leistete, zückten die Beamten Handschellen und führten ihn ab – vor den Augen seiner Familie. Am gleichen Abend noch ging Steffi Walder ins Gefängnis in

Tarrytown und brachte ihrem Mann eine Zahnbürste. Reden durfte sie nur Englisch: »Did you do, what they accuse you of?«, fragte sie ihn. »Yes«, antwortete Walder.

Niemand außer ihm hatte gewusst, dass er das nötige Geld für den Umbau des Schlosses fortwährend geklaut und es nicht – wie er erzählt hatte – von einem reichen Ägypter stammte. Weder die Kollegen der UBS noch die Bauarbeiter hatten gefragt, wie ein Bankier im mittleren Kader ein Schlosshotel mit 100 Angestellten und Zimmerpreisen bis zu 800 Dollar die Nacht finanzieren konnte.

post_office_oh.jpgAm Schluss verhielt sich der Schweizer mit zwanzig Jahren Erfahrung in Amerika schweizerisch. Er gestand alles, hoffte auf Vergebung – und unterschätzte die erbarmungslose US-Justiz. Das Geständnis brachte ihm die maximale Strafe ein und veranlasste die Bank, ihm, seiner Frau und seiner Tochter und deren Ehemann je eine Zivilklage in Millionenhöhe anzudrehen. Zudem verlangt die UBS das gesamte Salär von Walder zurück. Die Walders sind inzwischen geschieden, die Familie ist pleite.

Der 61-jährige Walder sitzt an einem Metalltisch. Er trägt ein dunkelgrünes Hemd, dazu olivgrüne Hosen. Auf der linken Brust klebt ein weißes Kunststoffschild. »Walder« steht drauf, dazu die Nummer 509 13-054. Wenn er sich ordentlich verhält, wird er am 8. April 2008 entlassen – nach 97 Monaten Haft. [Anmerkung Januar 2009: Walder erfuhr Anfang 2008, dass den Behörden bei der Festsetzung der Strafe ein Rechnungsfehler unterlief. Er erwartet seine Freilassung im Herbst 2009.] Frustriert wirkt Walder nicht. Seine Augen glänzen. Der Händedruck ist kräftig. Besuch hat er selten im Knast.

Walder hatte eine lupenreine Bankkarriere hinter sich mit Stationen in Zürich, Genf und Kairo. 1982 kam er als Prokurist im Sektor Private Banking nach New York. Seine Frau erwartete das zweite Kind.

Alles war teuer in New York: das Wohnen, die Lebensmittel, das Auto. Walders bescheidener Anfangslohn – 47 139 Dollar im Jahr – reichte nicht, den von Ägypten her gewohnten Lebensstil zu halten. Geldnot gibt Walder heute als Motiv an. »So haben meine »Probleme« angefangen«, schreibt er auf eine Fotokopie eines Briefes vom 17. Januar 1983. Darin verlangt der Steuerberater von Walder 9500 Dollar, um eine Schuld beim Fiskus zu tilgen.

Ein happiger Betrag für den Familienvater. Walder suchte eine Lösung. Und fand sie in der Kundenkartei. Jahrelang war das mit rund 700 000 Dollar dotierte Festgeldkonto des iranischen Geschäftsmanns Ibrahim F.* unangetastet geblieben. Ein vergessenes Konto, dachte er damals. »Unbemerkt habe ich es geleert.«Das Raubgut überwies er in regelmäßigen Tranchen auf sein Zürcher Konto bei der Schweizerischen Kreditanstalt (SKA). Er wählte die SKA, weil er in New York von diesem Konto Barbezüge vornehmen konnte. Jahre später tauchte F. plötzlich auf und verlangte sein Geld. Walder geriet in Panik. Er flog nach Los Angeles und riet F., ein neues Konto in Kalifornien zu eröffnen, wo sein Sohn lebte. F. erachtete das als gute Idee. Dorthin würde Walder die 700 000 Dollar überweisen, samt der Zinsen. Das nötige Kapital stahl er anderen Kunden.

Walder betreute vermögende Menschen, denen zwei Dinge wichtig waren: eine schöne Rendite und absolute Diskretion. »Manche schauten ihre Konten jahrelang nicht an«, sagt er. Ungehindert nutzte er die Milliarden, die er verwaltete. Das ging so: Er beantragte Kredite für seine Kunden, ohne es ihnen zu sagen. Als Sicherheit dienten deren hinterlegte Anlagen: Häuser, Aktien oder Gold. Da Anlagen und Kredite auf unterschiedlichen Konten geführt werden, merkten selbst jene nichts, die ihre Post regelmäßig lasen.

Doch warum merkte die Bank nichts? »Sie handelte fahrlässig«, sagt Walder. Es bestünden zwar Sicherheitsvorschriften, sie seien aber nie beachtet worden. »Die UBS hat nicht fahrlässig gehandelt«, entgegnet die Firmensprecherin Christine Walton. »Wenn jemand wie Walder jahrelang mit einem ausgeklügelten und betrügerischen System Geld veruntreut, ist es schwierig, ihn zu entdecken. Wir haben ihn aber entdeckt und gestoppt.«Kreditanträge, die er gefälscht hatte, seien nie geprüft worden – man habe ihnen stets stattgegeben, sagt Walder. Auf der Schreibmaschine fertigte er sie an. Dann fälschte er die Unterschrift des Kunden und setzte seine hinzu.

Vorschriftsgemäß unterbreitete er das Papier einem Kollegen. Der unterschrieb, ohne zu zögern oder nachzuprüfen, ob das Geld auch beansprucht wird. »Das Compliance Manual hält klar fest, dass die zweite Unterschrift dieselbe Verantwortung trägt wie die erste«, sagt Walder. Mindestens ein Bankier hätte telefonisch oder schriftlich nachfragen müssen. »Das tat niemand«, betont er. «Es war ein Kinderspiel, bei uns Geld zu klauen.»

»Unser Geschäftsmodell basiert auf dem Verhältnis zwischen dem Kunden und dem Berater«, kontert die UBS in einer schriftlichen Stellungnahme. Da Walder die Anträge der Kunden gefälscht und stets alleine gehandelt habe, sei es anderen Angestellten nicht möglich gewesen, die Zahlen »aufrichtig zu prüfen«.

»Angestellte, welche die Transaktionen unterschrieben hatten, taten dies im Glauben, die Informationen seien akkurat und echt.« Mindestens erstaunt, dass Walder die meisten Transfers auf ein und dasselbe Konto bei der Bank of New York tätigte. Das fiel niemandem auf, obwohl es rund 50 illegale Überweisungen gewesen waren. Fast jeder Kredit ging auf ein Konto der Bank of New York an eine Firma mit dem Namen 400 Benedict Corporation. 400 Benedict? Das ist die Adresse des Schlosses in Tarrytown.

Ein Schloss, das alle kannten, in dem etliche UBS-Banker regelmäßig verkehrten, als Gäste, Partybesucher, als Teilnehmer von Sitzungen und Konferenzen. Es gehörte ihrem Kollegen Hanspeter Walder, was jeder wusste. »Auch Marcel Ospel«, sagt Walder. Der heutige UBS-Präsident sei mindestens einmal im Schloss gewesen.

Zwar stieg Walders Lohn seit 1982 stetig, auf 365 918 Dollar im Jahr 2001. Das war aber zu wenig, um ein Schloss zu kaufen und es mit luxuriösesten Gegenständen einzurichten. »Das Schloss war uns bekannt«, sagt UBS-Sprecherin Walton. »Wir überprüfen die Privatvermögen unserer Angestellten allerdings nicht.«

Einige Kunden immerhin bemerkten Unregelmäßigkeiten. So reklamierte laut Walder der UN-Botschafter eines europäischen Landes, warum er Zinsen für einen Kredit bezahlen müsse, den er gar nicht beantragt habe. Eigentlich hätte die Rechtsstelle sofort informiert werden und mit dem Kunden in Kontakt treten müssen. »Das passierte in keinem Fall«, schreibt Walder.

Stattdessen wurde er, der Kundenberater, informiert. »Fahrlässiger hätte die Bank nicht handeln können«, sagt Walder. Viele Bankiers in höheren Positionen seien bereits nach zwei oder drei Jahren zum nächsten Job gezogen. Walder hingegen blieb und kannte das System. Die Kunden, bei denen er stahl, mochten ihn, ebenso die Kollegen. Ihm eilte der Ruf voraus, mit Wissen und Flair unangenehme Probleme zu lösen. Wurde es brenzlig, sprang HP – so sein Kürzel – ein. Er wurde unentbehrlich. Seine Anrufe ließ er auf sein Mobiltelefon umleiten, selbst in den Ferien.

Einmal jonglierte er auf die Karibikinsel St. Barthes einen Kredit. Der Financier des Actionfilmes »Swordfish« mit Halle Berry und John Travolta benötigte dringend Geld, eine Million Dollar, um das Projekt fertig zu stellen. Walder hatte dessen Limit aber bereits für sich beansprucht. »Es ist alles in Ordnung«, beruhigte er vom Jachthafen in St. Barthes aus seinen Chef. »Da ist ein Fehler passiert. Sobald ich zurückkomme, behebe ich das. Stell ihm in der Zwischenzeit den Kredit aus.«

Walder galt als King der Kundenberater. Er war so gut, dass ihn die UBS-Führung im Juni 2001 nach London einlud und in den so genannten Chairman’s Club aufnahm, den exklusiven Verein erfolgreicher UBS-Bankiers.

Das war kurz vor dem Geständnis. Walder schlief unruhig, trank viel – und hatte »ein schlechtes Gewissen, Tag und Nacht«. Bis jetzt war ihm nämlich der Befreiungsschlag mit einem Gewinn bringenden Projekt nicht gelungen.

Den vermeintlichen Rettungsring hatte er 1992 erspäht: Das 100-jährige Castle von Tarrytown stand zum Verkauf. »Ich hatte die Idee, es in ein Hotel umzubauen und mit Profit zu verkaufen.« Für zwei Millionen Dollar kaufte er die Liegenschaft 1994. Das Geld, gab er an, stamme von einem ägyptischen Augenarzt. In Kairo hatte er vor Jahren den Augenspezialisten Abdul Z.* als Kunden des Bankvereins kennen gelernt. Er hatte der saudi-arabischen Königsfamilie als Vertrauensarzt gedient. Diese dankte es ihm fürstlich. Ein Teil des Vermögens gab der Arzt in Walders Obhut.

Hauptinvestor Z. wusste nichts von Walders Geschäften. Walder hatte ihn als Deckblatt gewählt, «weil es jemand sein musste, der reich ist und auch ein bisschen mysteriös». Niemand zweifelte an der Geschichte, auch seine Frau nicht, die Z. persönlich kannte. Nie hatte sie mit ihm darüber gesprochen. »In Kairo habe ich gelernt, dass Frauen sich im Mittleren Osten nicht um die Finanzen kümmern, sondern es den Männern überlassen«, sagt Steffi Walder.

Kaum war das Schloss gekauft, stellte sich heraus, dass die Bausubstanz schlecht war. Nicht 10, sondern mindestens 25 Millionen Dollar würde der Umbau kosten. Rasch wurde Walder klar, dass das Projekt scheitern musste.

»Nun hieß es für mich, nicht nur weiterzumachen, sondern das Projekt um jeden Preis so luxuriös wie möglich fertig zu stellen.« Unaufhörlich lagerte er Millionen um. Retten habe er sich nicht mehr können. »Ich wollte das Schloss und das daraus gewonnene Ansehen so lange wie möglich genießen. «Gegen Ende sei ihm alles egal gewesen.

Er klotzte nur noch. In die Küche stellte er Öfen der Luxusmarken Bonet und Viking, in den Garten einen der teuersten Swimmingpools der USA. Ein Maler musste die Decke mit dem Daumen anmalen, damit keiner Pinselstriche sah. Mit einem beigefarbenen Bentley, Jahrgang 1948, ließ er die Gäste abholen. »Ich wollte das beste Hotel, das beste Restaurant, den besten Koch, den größten Weinkeller.«

Wer Rang und Namen hatte, stieg im Castle ab. US-Außenminister Colin Powell wie Jennifer Lopez. Zehn Tage Ferien verbrachte der ehemalige Chef von UBS Private Banking Worldwide, Georges Gagnebin, auf dem Schloss. Henry Kissinger kam vorbei, Schauspieler Matt Dillon auch. Der deutsche Finanzminister empfing Journalisten und erklärte ihnen die Finanzlage Deutschlands. Heiratete jemand aus der New-Yorker Prominenz, war das Schloss von Tarrytown erste Wahl für die Party.

»Ich wollte zeigen, dass man mit einem erstklassigen Produkt erfolgreich sein kann«, sagt Walder. Wenn die Qualität stimme, dachte er naiv, würde ihm die Bank eventuell verzeihen. »Wahrscheinlich litt ich unter Größenwahn.«Es kostet ihn Mühe, Gründe für die Tat zu beschreiben. Ein Verhalten, das auch den zuständigen Richter irritiert hatte, der Gier als einzige Triebfeder sah. »Ich habe versucht, meine Aktionen zu erklären, aber Gier war es bestimmt nicht«, sagt Walder.

Oft betont Walder in Gesprächen und Briefen, er habe für die Bank weit mehr getan als die Bank für ihn. »Ich gebe zu, mein Verhalten war falsch, ja kriminell, aber mein Beitrag zum Erfolg der Privatkunden-Abteilung war hundertmal größer.«

Vergebens suchte die Bank nach Millionen, die er versteckt haben soll. Als er verhaftet wurde, besaß er Aktien im Wert von 120 000 Dollar sowie 150 000 Dollar Bargeld. Seine Pension betrug 400 000 Dollar. Das alles beschlagnahmte die UBS.

Kurz nach der Verhaftung fragte ihn seine ältere Tochter, wie er denn habe schlafen können. »Schlecht«, antwortete er. Den Stress bekämpfte er mit Alkohol. Oft ging er abends ins Schloss, trank, rauchte eine Zigarre, »um abzuschalten«, sagt Walder.

Steffi Walder ist groß, das braune Haar kurz geschnitten, eine elegante Erscheinung. »Am Tag der Verurteilung stürzte der Boden unter mir weg«, sagt sie. »Ich hatte stets gehofft, es gebe irgendwo noch Komplizen, Leute, die ihn missbraucht hatten.« Die gibt es nicht. Ihr Mann handelte allein. Das kann sie bis heute nicht begreifen. »Er hat mich zwanzig Jahre angelogen.«

Rückblickend habe sie Anzeichen übersehen. Oft kam er zornig nach Hause. »Erst der Bourbon beruhigte ihn.« Hanspeter Walder gab auf, nachdem sein größter Coup misslungen war: Jahrelang hatte er einen Teil des Vermögens der amerikanischen Familie G.* betreut, die unter anderem die Mehrheit an einem amerikanischen Versicherungsriesen hält. Um sich ein Kreditlimit von 30 Millionen Dollar zu sichern, hinterlegte die Familie vor Jahren Aktien in diesem Gegenwert.

Allerdings beanspruchten sie den Kredit nicht. Im Februar 2001 stellte Walder gegen dieses Limit in gewohnter Manier einen Kredit für sich aus – in Rekordhöhe. Mit den 30 Millionen zahlte er Schulden zurück und beglich Rechnungen des Hotels.

Überraschend ersetzte die Familie G. im Sommer 2001 ihren Finanzchef. Der neue entdeckte die Aktien und forderte sie zurück. Walder schickte sie ihm, obwohl er damit einen krassen Verstoß beging. Das fiel der Kreditabteilung sofort auf. Zur gleichen Zeit attackierten Terroristen das World Trade

Center in New York. Walder gab an, die Familie werde die alten Aktien durch neue ersetzen, diese seien bereits auf dem Rückweg. Wegen 9/11 habe FedEx Lieferschwierigkeiten. Die Aktien kamen nie bei der UBS an.

Am 20. September 2001, einem Donnerstag, bat Walder das Management in den Konferenzsaal: »Ich habe etwas Wichtiges zu sagen.« Alle saßen, er stand und gestand, viele Millionen Dollar unterschlagen zu haben. Chris R., sein Chef, »wurde schlagartig um zehn Jahre älter«, sagt Walder.

Am selben Tag händigte er der UBS das Passwort des Computers, seinen Palm Pilot, am nächsten Tag auch den Reisepass aus. »Ich wollte so meine Position verbessern, denn ich glaubte, ein vollständiges Geständnis sei das Beste für mich.« Weder der Familie noch einem Anwalt hatte er seine Verfehlungen gestanden.

Am Freitag traf er sich erneut mit den Anwälten der UBS. Walder wurde gefragt, warum er keinen Juristen dabeihabe. Aufrichtigkeit sei die beste Lösung, sagte er. Außerdem kannte er keinen Verteidiger und konnte sich keinen leisten. Detailliert schilderte er der UBS, was er getan hatte. »Sie waren schockiert und sehr überrascht«, sagt Walder.

Die UBS widerspricht dieser Darstellung und gibt an, die Bank habe das Fehlverhalten Walders selbst enthüllt. »Die UBS entdeckte Unregelmäßigkeiten in den Konten während einer Abwesenheit Walders. Das führte zu weiteren Untersuchungen, in denen die betrügerischen Aktivitäten zu Tage kamen.«Walder besteht auf seiner Darstellung: »Wenn sie es gewusst hätten, warum haben sie nichts unternommen?«Umsonst hoffte er auf Vergebung. Er bot der UBS noch an, die Schwachstellen des Systems aufzuzeigen. Die Bank lehnte ab. Dann ergriff Andrew Kaizer das Wort, der Anwalt der UBS. »Er sagte zu mir: »Herr Walder, was Sie getan haben, ist abscheulich. Ich werde das Leben von Ihnen und Ihrer Familie zur Hölle machen. Die Bank hat unbeschränkte Mittel, um gegen Sie vorzugehen. Ich betrachte diesen Fall als meine Altersvorsorge««, erinnert sich Walder. Kaizer wollte zu dieser Aussage nicht Stellung nehmen.

Als »größten Fehler« seines Lebens betrachtet Walder heute sein Geständnis. »Ehrlichkeit in der amerikanischen Justiz ist kontraproduktiv«, sagt er.

peterhossliwalder_small.jpg»Wenn ich früher begriffen hätte, wie das Justizsystem funktioniert, hätte ich eine oder zwei Millionen Dollar auf die Seite gelegt, um mir den besten Anwalt leisten zu können.« Er hätte am Abend des Geständnisses in eine Swissair-Maschine sitzen, nach Zürich fliegen und sich dort stellen sollen, sagt er. «Ich hätte die Geschichte zu einer Verschwörung der Bank drehen können. Auf allen gefälschten Anträgen und Überweisungsanweisungen befindet sich die Signatur eines zweiten Bankiers.» Viele davon seien Vorgesetzte von ihm gewesen. So habe etwa sein Chef Chris R. «mindestens einen gefälschten Kreditantrag im Jahr 2001 mitunterschrieben».

Vor zwei Jahren fragte Walder den Pflichtverteidiger, was denn mit den Zivilklagen gegen Frau und Tochter geschähe, wenn er tot wäre. Er habe sich umbringen wollen.

Nun gibt er sich kämpferischer. Nicht 75, sondern nur 56 Millionen Dollar habe er gestohlen. Das könne er belegen, sobald die Bank die angeforderten Dokumente aushändige. «Die 75 Millionen beinhalten Zinsen und Gebühren», schreibt die UBS. «Es ist die Summe, die er gestanden hat.»

Was erwartet er noch vom Leben? «Versöhnung mit meiner Familie und inneren Frieden». Er verspüre Bedauern, Resignation – und ein bisschen Stolz: «Ich habe eine Schlossruine zum Leben erweckt.»

Kurz vor halb acht Uhr morgens beginnt Walder im Gefängnis mit der Arbeit.

Anfänglich war er in der Bibliothek, dann wechselte er in der Küche. Später setzte er alte Computer zusammen und flickte Drucker. Nun entsorgt er den Müll. Pro Stunde verdient er 23 Cent. Die Hälfte geht an die UBS, um die Schulden abzutragen.

Walder hat ausgerechnet, wie lange er arbeiten müsste, bis alles bezahlt wäre: 70 000 Jahre.