Siege, aber kein Werbegeld

Roger Federer ist der beste Tennisspieler. Doch die fetten US-Werbegelder kriegt er nicht. Er ist zum falschen Zeitpunkt ein Tennis-Phänomen. Denn Tennis steckt in Amerika in einer tiefen Krise.

Von Peter Hossli

Der Sportteil der «New York Times» am Montag nach dem grandiosen US-Open-Sieg sagte alles. Auf Seite drei bejahte ein Kolumnist die Frage, ob der Schweizer Tennisspieler nun das «wunderschönste Tennis» seit Jahrzehnten spiele. Daneben, auf Seite zwei, druckte die Kreditkartenfirma American Express eine vierfarbige, ganzseitige Anzeige. Das gemalte Bild zeigte US-Tennisass Andy Roddick beim Aufschlag. Dazu die Überschrift «Blitzartiger Roddick». Dabei hatte Federer auf magistrale Art und Weise gewonnen und Roddick frühzeitig gegen einen unbekannten Schweden verloren.

Roddick wirbt, weil er Amerikaner und für sie eine Persönlichkeit ist. Das allein zählt bei den Werbern. Federer hingegen ist Schweizer und somit ein Exot und unzulänglich ausgestattet mit Charisma – zumindest für US-Verhältnisse. Amerika interessiert sich nicht für einen Schweizer. «Der Sieg am US Open hat den Marktwert von Federer in den USA nur unmerklich gesteigert», sagt der Chefredaktor von «Tennis Week», Gene Scott, «insgesamt bleibt er gering. Die grossen Werbeverträge erhält er nicht.»

Ein weiteres Beispiel unterstreicht Scotts Aussage: Im Werbeblock zwischen Federers letztem Matchball und der Siegerehrung warben Roddick und Andre Agassi. «Zwar hat Federer ein extrem gutes Jahr hinter sich», sagt der Chefredaktor von «Tennis Server», Cliff Kurtzman, «die US-Öffentlichkeit kennt ihn aber nach wie vor nicht.» Der Open-Sieg ändere daran wenig. «Es ist noch ein weiter Weg, bis Federer in die Kategorie von Sampras oder Agassi aufsteigt.»

US-Jugendliche spielen Golf, aber nicht mehr Tennis

Der Schweizer habe durchaus Potenzial. «Sein Englisch ist gut und er hat die richtige Einstellung, um noch ein paar Jahre zu gewinnen», sagt Kurtzman. Nach einer langen Erfolgsserie könnte sich der US-Markt für den Ausländer Federer öffnen. So sei der chinesische Basketballriese Yao Ming trotz miserablem Englisch zum Werbeträger avanciert.

Yao hat einen Vorteil – er trumpft in einem Massensport auf, Federer in einer Randsportart, die hier zu Lande vornehmlich Insider interessiert. Federer ist zum falschen Zeitpunkt ein Phänomen. «Tennis steckt in den USA in der Krise», schreibt der Sportkolumnist Michael Burton. Die Einschaltquoten sinken. Jugendliche spielen Golf, nicht Tennis. «Die Beliebtheit von Tennis verläuft in den USA zyklisch», sagt «Tennis Server»-Chef Kurtzman, «derzeit sind wir näher am Tief- als am Höhepunkt.»

Schuld sei die Absenz von US-Spitzenspielern. «Tennis ist populär in Russland und in der Schweiz, nicht in Amerika.» Erst zwei ausländische Tennisasse hätten auf dem US-Werbeparkett Fuss gefasst – Anna Kournikova und zeitweilig Martina Hingis. «Die Russin dank Sex-Appeal», sagt Kurtzman. Die Schweizerin, weil es zu ihrer Zeit keine andere Persönlichkeit gab.

Bloss an 27. Stelle auf der Sportbeliebtheitsskala stehe Tennis in den USA, sagt «Tennis Week»-Chef Scott. «Das Werbegeld für Tennisspieler ist knapp. Nur aussergewöhnliche Spieler mit Popstar-Appeal bekommen etwas vom kleinen Kuchen ab», sagt Scott. Ein Tennisstar müsse ausgeflippt, extravagant, mehr Film- denn Sportstar sein, um es in die Mainstream-Presse zu schaffen. Wie die Williams-Schwestern, Agassi oder McEnroe. So wirbt etwa Agassi meist mit seiner Frau, Tenniswunder Steffi Graf. Dergleichen hat Federer (noch) nicht zu bieten. Talent allein reiche für Massensportarten wie Basketball oder Baseball, nicht für Tennis.

Noch kein Werbevertrag mit American Express

Federer konzentriere sich vorderhand auf den europäischen Werbemarkt, erklärte dessen Mutter und Managerin Lynette Federer im November gegenüber CASH. Das hat sich nicht geändert. American Express wirbt nicht nur mit Andy Roddick, sondern auch mit anderen Amerikanern wie Agassi oder Venus Williams. Federer, der Beste, fehlte. «Bisher haben wir keinen Vertrag mit Federer», bestätigt Judy Tenzer von American Express, dem prestigeträchtigsten Tennis-Sponsor. Warum, sagt sie nicht.

«Uns interessieren grosse Persönlichkeiten.» Ob Federer in Zukunft eine Chance habe, darf Tenzer nicht sagen. Immerhin will American Express internationaler werben. Kürzlich hat die Firma zusätzlich zum US Open Verträge mit Wimbledon und dem Australian Open abgeschlossen.

Federer wirbt für zwei US-Marken, Nike und Wilson. Öffentlichkeit beschert ihm das in den USA nicht. Auf der US-Website von Nike schafft es Tennis nicht auf die Homepage. Wer weiterklickt, findet im Nike-Shop eine Site, wo Tennisbekleidung angepriesen wird. Werbeträger ist nicht Federer, die Nummer eins, sondern James Blake, ein Amerikaner auf Platz 71 der Weltrangliste. «Es gibt derzeit keine spezifischen Marketingaktionen mit Federer in den USA», sagt Claudine Leith von Nike USA.

Nike hat nicht vor, Federer-Kleider zu lancieren, sagt Roger Ziegler von Nike Schweiz. Jeder Spieler mit Nike-Vertrag trage jeweils ein anderes Leibchen. «Es ist den Händlern überlassen, ob sie Federers Farbe als Federer-Trikot anpreisen», so Ziegler. Eine eigene Nike-Linie kriegte ohnehin erst Basketball-Legende Michael Jordan. Der ist für die Amerikaner von einem anderen Stern, Federer ein netter Erdling.

Schlechte Quoten
Eindimensional oder nicht: Tatsache ist, dass Tennis für die US-TV-Anstalten nur ein Quotenrenner ist, wenn Einheimische im Final stehen. Mit dem Ausscheiden der beiden Stars Andre Agassi und Andy Roddick sank das Interesse massiv. Gegenüber dem Vorjahr, als Roddick gewann, sanken heuer die Quoten beim Männerfinal um 29 Prozent, gegenüber 2002, als die Amerikaner Agassi und Sampras gegeneinander antraten, gar um 44 Prozent. Federers Final gegen Lleyton Hewitt markierte einen historischen Minusrekord für das US Open. Nichts trübt die Aussicht auf satte Werbeverträge in den USA mehr als solches Desinteresse.