Von Peter Hossli
Kaum hatte Coca-Cola den unfreiwilligen Rücktritt der Nummer 1 bekannt gegeben, schien auch die Nummer 2 bereits abgehalftert. Chairman und CEO Douglas Daft, 60, geht Ende 2004 in Pension, ein Jahr vor Ablauf des Vertrags. Für seine Nachfolge werde der Verwaltungsrat «externe Kandidaten genau prüfen», hiess es in einer Mitteilung, «zusammen mit dem internen Kandidaten Steven Heyer».
Heyer war desavouiert, galt der 51-jährige Präsident und Chief Operating Officer (COO) des Giganten doch als gesetzt für den Chefposten. Statt Heyer offiziell zu küren, präsentierte der Verwaltungsrat eine Premiere. Erstmals in der Firmengeschichte sucht die Coca-Cola Company den neuen Chef auch ausserhalb der eigenen Reihen.
Die Börse reagierte nervös. Der Kurs der Coke-Aktie sackte um sechs Prozent ab. In den letzten zwölf Monaten hatte sie noch um dreissig Prozent zugelegt. Das ist ein klares Indiz, dass Investoren den überraschenden Rücktritt und Heyers Nichtberücksichtigung als tief greifende Änderung in der Führung deuten. Suche Coca-Cola ausserhalb, sei dies ein Signal, «dass die operativen Schwierigkeiten bei Coke länger anhalten werden als erwartet», schrieb der Getränkeanalyst von J. P. Morgan in einer Analyse.
Daft selbst zeichnete ein völlig anderes Bild. «Unsere Marken sind heute stärker, unsere weltweite Produktion und die Marketingsysteme sind wieder gesund», kommentierte er den angekündigten Abgang. «Ich bin stolz auf das, was wir erreicht haben.» Tatsächlich stärkte er den Konzern seit seinem Amtsantritt im Februar 2000. Der Umsatz wuchs stetig bis auf 21 Milliarden Dollar. Das letzte Jahr war jedoch von Pleiten und Pannen gekennzeichnet. Das Wachstum flachte ab. Die Aktie steht gerade mal dort, wo sie stand, als Daft die Führung übernahm. Entlassungen im grossen Stil haben das Personal verunsichert. Die Börsenaufsichtskommission untersucht Unregelmässigkeiten in der Buchführung. Der Personalabteilung wird Rassismus vorgeworfen. In den letzten Monaten haben etliche Topmanager gekündigt oder sind entlassen worden.
Daft, ein Australier, der seit 1969 für Coca-Cola arbeitet, soll ebenfalls keine reine Weste tragen. Unter ihm seien die Zahlen des Japan-Geschäfts «aufgedonnert» worden. Die Staatsanwaltschaft hat eine Untersuchung eingeleitet und stützt sich auf Aussagen von Ex-Coke-Managern. «Er ging höchstwahrscheinlich nicht freiwillig», glaubt deshalb der unabhängige Getränkeanalyst Emanuel Goldman.
Hat Coca-Cola tatsächlich Marketingtests gefälscht?
Dass Heyer nicht sofort zum Chef ernannt worden ist, hänge ebenfalls mit rechtlichen Problemen zusammen, sagen Analysten. Im letzten Jahr informierte der ehemalige Manager Matthew Whitley per E-Mail Heyer über gefälschte Marketingtests. Heyer ignorierte die Warnung. Zwei Monate darauf wurde Whitley entlassen – grundlos. Er verklagte Coca-Cola. Nun wird Heyer vorgehalten, er habe die Anklage nicht ernst genommen. Seine Verteidigung – «ich habe das E-Mail nicht gelesen» – ist schwer zu glauben.
Heyer, der von AOL Time Warner gekommen war, gilt bei den Mitgliedern des Verwaltungsrates als aggressiv, oft als zu brüsk. Mitarbeiter bezeichne er schon mal als Idioten. Allerdings werden ihm die jüngsten Erfolge in Lateinamerika und in Deutschland angerechnet, ebenso die Einführung des erfolgreichen Zuckerwassers Sprite Remix.
Bereits im Oktober zeichnete sich bei Coke ein Wandel zu traditionelleren Werten ab. Das Höchstalter von 74 Jahren für VR-Mitglieder wurde fallen gelassen. So konnte der legendäre ehemalige Coke-Präsident Donald Keough, 77, zurückkehren. Investmentguru Warren Buffett, im August 74, darf bleiben. Zusammen mit dem Banker Herbert Allen und dem Organisator der Olympischen Sommerspiele in Los Angeles, Peter Ueberroth, suchen sie den Nachfolger.
Pepsi hat die Nase im ewigen Duell momentan klar vorn
Laut Gerüchten hat neben Heyer die charismatische Produktchefin des Kosmetikriesen Avon, Andrea Jung, gute Chancen. Im Rennen seien zudem der Konzernchef des Restaurant-Konglomerats Yum Brands (Taco Bell, Pizza Hut), David Novak, sowie der Chef des Rasierklingenherstellers Gillette, James Kilts.
Gefragt ist vom Neuen, das er eine erkennbare Vision entwickelt. Genau das fehlt Coke – im Gegensatz zum Rivalen Pepsi. Mit knapp 27 Milliarden Dollar Umsatz hat Pepsico Coke überflügelt. Pepsi setzt die Trends. Deren Manager realisierten vor Coke, dass gesundheitsbewusste Trinker gerne zur Wasserflasche greifen. Sie schnappten sich das isotonische Getränk Gatorade und stellten Coke im Sportbereich ins Abseits. Popgören wie Britney Spears oder Beyoncé werben für Pepsi. Pepsi verschenkt zudem in einem Marketingabkommen mit dem populären iTunes Music Store von Apple 100 Millionen Songs, ein regelrechter Marketingcoup. Dergleichen hat Coke vorderhand nicht zu bieten.