Kampf um die Mäuse der Zukunft

Der Chef von Apple hat ein unglaubliches Comeback hingelegt - und ist noch lange nicht zufrieden. Apple-Chef Steve Jobs steht im Zenit seiner Karriere: Seine PC sind gefragt, der Musikplayer iPod ist ein regelrechter Renner. Gelingt der Angriff der Kabelfirma Comcast auf Walt Disney, wird er als neuer Konzernchef des weltweit grössten Medienkolosses gehandelt.

Von Peter Hossli

Der Showdown um Walt Disney hatte gerade begonnen, da breitete Comcast-Chef Brian Roberts bereits seine Trümpfe aus. Steve Jobs sei sein «Ass in der Hinterhand», meldete die meist gut informierte «New York Post». Tatsächlich dürften Disneys Aktionäre dem Übernahmeangebot von Comcast eher zustimmen, wenn Jobs mitmischt. Kurzerhand liess Jobs vor wenigen Wochen einen Milliardendeal mit Disney platzen, der dessen Filmstudio die Hälfte des Umsatzes kostet. Er brauche Disney nicht, um Trickfilme auf den Markt zu bringen, sagte Jobs brüsk. «Wir sind besser und bekannter.»

Es stimmt. Jobs’ Trickfilmfirma Pixar produzierte letztes Jahr «Finding Nemo», mit einem weltweiten Umsatz von 855 Millionen Dollar erfolgreichster Animationsfilm aller Zeiten. Disney hatte den Fischfilm nur vertrieben, wie alle computeranimierten Pixar-Werke zuvor. Mit fünf Filmen erzielten die beiden Firmen an der Kinokasse einen Umsatz von fast drei Milliarden Dollar, bei geteilten Kosten. Disney strich aber 12,5 Prozent mehr vom Umsatz ein. Jobs verlangte eine grössere Beteiligung an künftigen Projekten, aber vor allem wollte er Disney loswerden. Dazu braucht es reichlich Chuzpe, schliesslich beherrschte das Mickey-Mouse-Haus siebzig Jahre lang die Trickfilmwelt.

Jobs hat Chuzpe. Der 48-jährige und 1,7 Milliarden Dollar reiche Manager steht im Zenit seiner Karriere. Seit Monaten wird gemunkelt, er plane selbst eine Übernahme von Disney. Der von Comcast angestrebte Medienkoloss scheint auf ihn zugeschnitten: eine Firma, die Inhalte aller Art herstellt und sie verteilt – mehrheitlich in digitaler Form.
Apple kontrolliert 70 Prozent des Internet-Musikgeschäfts

Endlich klappt, woran Jobs seit 1976 arbeitet, als er Apple Computer in einer Garage gründete. Silicon Valley und Hollywood kommen einander näher, die Medienwelt ist digital, die Konvergenz zwischen Technologie und Inhalten, die Zusammenlegung von Wein und Schläuchen Realität geworden. Kaum jemand hat mehr dazu beigetragen als Jobs.

Im Norden von Kalifornien, in Cupertino, führt er Apple Computer. Auf der anderen Seite der Bay von San Francisco, in Emeryville, leitet er Pixar. Im Süden, in Hollywood, hat der charismatische Selfmade-Man Musik- und Filmproduzenten überzeugt, ihm Inhalte anzuvertrauen. Eigenhändig belebte er im vergangenen Jahr die dümpelnde Musikindustrie – mit dem Musikplayer iPod und dem iTunes Music Store, der ersten Internetplattform, von der aus legal Songs heruntergeladen werden können. Apple kontrolliert 70 Prozent des Musikgeschäftes im Internet.

100 Millionen Songs gedenkt Jobs im ersten Jahr nach der Einführung von iTunes zu verkaufen. Zwar kommentiert Apple künftige Produkte nicht. Es wird aber erwartet, dass Jobs bei der Vertreibung von Filmen übers Internet – oder über die Kabel von Comcast – ebenfalls eine zentrale Rolle spielen wird. Mit Pixar ist er bestens dafür positioniert.

Steve Jobs will nichts weniger als «die Welt verändern»

Pixar kaufte Jobs relativ günstig 1986, nachdem er bei Apple rausgeflogen war. Es war ein obskures Trickfilmstudio, das George Lucas gehörte. Der «Star Wars»-Regisseur brauchte dringend Geld, um Scheidungskosten zu begleichen. 1995 kam der erfolgreiche Trickfilm «Toy Story» in die Kinos. Im selben Jahr führte Jobs Pixar an die Börse, was ihn zum Milliardär machte.

Der Pixar-Kauf unterstreicht Jobs’ visionäre Kraft. Technologisch steckten Computeranimationen damals noch in den Kinderschuhen. Wer Trickfilme fertigte, zeichnete von Hand. Heute sind Computer Standard, Disneys traditionelle Trickfilmabteilung darbt. «Jobs ist einer der wenigen amerikanischen Geschäftsleute, die tatsächlich über eine grossartige Vision verfügen», sagt Alan Deutschman, der Verfasser seiner Biografie («Das unglaubliche Comeback des Steve Jobs»).

Früh habe er begriffen, dass die Verschmelzung von Technologie und Inhalten dann Sinn macht, wenn die Technologie ausgereift ist. Der Zeitpunkt scheint gekommen. Internet und drahtlose Übertragungstechniken liefern Bits and Bytes überallhin, schnell und zuverlässig. Wir hören Musik in digitaler Form, schauen uns digitale Filme und digitale Fotos an.

Der Pixar-Erfolg öffnete ihm bei Apple wieder die Türen, 1997 trat er den Posten des Konzernchefs an. Indem er die marode Computerfirma zu einem Konzern für Unterhaltungselektronik umbaute, bewahrte er sie vor dem Niedergang. Heute schreibt Apple schwarze Zahlen. «Apple ist der führende Erfinder» in der Computerbranche, so ein Analyse-Bericht der UBS. Die Firma verfüge über 4,6 Milliarden Dollar Reserven, womit sich weitere Entwicklungen finanzieren liessen.

Dies ist das Resultat von organischem Wachstum und nicht von Fusionen. Apple und Pixar führen im Kleinen vor, was die jetzt angestrebte Fusion der Kabelfirma Comcast und Disney erzielen soll. Deshalb gilt Jobs als Nachfolger von Disney-Chef Michael Eisner. Allerdings soll auch Sony an ihm interessiert sein. Als «ambitioniertester Unternehmer der Welt» hat ihn unlängst «Fortune» bezeichnet. Einer, der sich ein Ziel setzt – und geduldig darauf hinarbeitet. Zwölf Jahre dauerte es, bis Pixar Erfolg hatte. Ebenso lang blieb er Apple fern – und kam glorioser denn je zurück. Sein Ziel erklärte er einst John Sculley, dem Ex-Konzernchef von Apple: «Ich will die Welt verändern.»