Von Peter Hossli
Der Plan klingt schön und mehrheitsfähig, die Ehe gilt allgemein als unterstützenswert. Doch nicht einfach Ehen will Präsident George W. Bush künftig massiv mit Steuergeldern fördern – «gesunde Ehen» müssen es sein. 1,5 Milliarden Dollar statt wie bisher 6 Millionen sollen demnächst Organisationen erhalten, die Arme im Fach Eheführung schulen und sie zur Heirat ermutigen.
Was eine «gesunde» Ehe ist, verstanden jene, die es hören sollten, problemlos. Amerikas fundamentalchristliche Rechte drängt den Präsidenten seit Monaten, den Bund fürs Leben eindeutig als Bund zwischen einem Mann und einer Frau festzulegen – und damit Schwule und Lesben auszuschliessen. In Wahljahren richtet sich die Rede zur Lage der Nation, mit der Bush am Dienstag vor den Kongress trat, stets vor allem an die Stammwähler eines Amtsinhabers. Mit seiner Initiative für die Eheschulen machte der Präsident schon vorab deutlich, wen er seiner Klientel zurechnet.
Knapp die Hälfte aller Amerikaner (46 Prozent) bezeichnet sich laut Umfragen als wieder geborene Christen, die Jesus als ihren Retter akzeptiert haben. Zu ihnen gehört der Präsident selbst. Diese bibeltreuen Christen wähnen das Abendland in Gefahr, seit der oberste Gerichtshof letztes Jahr ein Gesetz, das gleichgeschlechtlichen Sex zwischen Erwachsenen verbot, als verfassungswidrig bezeichnete. Ein Gericht in Massachusetts ging noch weiter und erklärte Ehen zwischen zwei Männern oder zwei Frauen für rechtens.
Nun lobbyieren christliche Gruppen für ein klares präsidiales Bekenntnis gegen «ungesunde» Homo-Ehen. Am liebsten wäre ihnen sogar ein neuer Zusatz in der amerikanischen Verfassung, der Schwule und Lesben ausdrücklich von der Eheschliessung ausschlösse.
Mag der Präsident die Zielsetzung teilen: Den Wunsch kann er den Christen-Fundis angesichts der herrschenden Rechtsprechung kaum erfüllen. Um dennoch guten Willen zu beweisen, bekommen die Eheschmieden ihre grosszügige Finanzspritze.
Schliesslich profitieren in erster Linie christliche Gruppen wie die Marriage Coalition, die seit Jahren ihre Kurse betreiben. Sie zeigen ledigen Paaren in Abendkursen, mit Konflikten in der Ehe umzugehen, Gewalt zu meiden und sich auf ewige Treue einzustellen. Das Lehrbuch ist die Bibel.
Als Wahlkalkül sehen Bushs Kritiker den Vorschlag. Die USA sei eine «48 zu 48»-Nation, sagt der Meinungsforscher John Zogby. Je 48 Prozent wählen demokratisch und republikanisch. Gefochten wird um den winzigen Rest. «Es gewinnt, wer viele Wechselwähler anzieht und seine Basis mobilisieren kann», sagt Zogby.
Die Christen gehören zu Bushs Basis. Doch im Jahr 2000 gingen nicht wie kalkuliert 19, sondern nur 15 Millionen ultrakonservative Gläubige zur Wahl, weil sie dem Texaner misstrauten. Der gilt zwar als tief religiös, agiert aber politisch. Um die moderate Mitte nicht zu ärgern, stand er aus Sicht der Fundis zu wenig für zwei zentrale christliche Anliegen ein – für ein totales Abtreibungsverbot und gegen Homo-Ehen.
Wegen der Abstinenz seiner christlichen Wähler gelang Bush im Jahr 2000 in zwei Südstaaten, Arkansas und Tennessee, der Sieg nur knapp. Wenn Bush dort wieder gewinnen will, muss er die Christen-Fundis stärker an sich binden.
Unaufhörlich redet Bush daher über den eigenen Glauben. Seine bipolare Weltsicht – hier das Gute, dort das Böse – rührt von der Bibelgruppe, der er einst angehörte. Seine mit christlichen Anspielungen gespickten Reden – «Achse des Bösen», «Kreuzzug» – verfasst stets Michael Gerson, der selbst zu den Wiedergeborenen zählt.
Eine von Bush gestartete, 15 Milliarden Dollar umfassende Initiative zur Bekämpfung von Aids in Afrika trug dem Präsidenten Lob von der christlichen Rechten ein. Das Geld erhalten missionarische Gruppen, die Abstinenz propagieren, nicht Safersex.
Ehekurse und das Vorgehen gegen Homo-Ehen bergen aber auch Gefahren. «Mit Anti-Gay-Politik verlieren wir Stimmen», warnt Bushs Steuerberater Grover Norquist. Eine Million Schwule wähle republikanisch, sagt er. Die würde Bush unnötig vergraulen. Überdies ärgert den fiskalisch Konservativen, dass der Präsident den defizitären Haushalt zusätzlich belastet.