Von Peter Hossli (Text) und Mathias Braschler (Foto)
Mister Norquist, US-Medien nennen sie die «einflussreichste Person in Washington». Haben sie Recht?
Grover Norquist: Ich stehe einer Gruppe vor, die sich für Steuerzahler stark macht. Republikanische Amtsträger interessieren sich für sie. So lange ich diese Bewegung fair und akkurat repräsentiere, hören mir die gewählten Republikaner sehr genau zu. Natürlich arbeite ich eng mit dem Weissen Haus zusammen.
Macht üben Sie zudem mit dem von Ihnen 1986 initiierten Steuer-Schwur aus. 210 Repräsentanten und 37 Senatoren sowie der Präsident haben geschworen, nie Steuern zu erhöhen. 1988 schwor das auch George Bush Senior. Er brach das Versprechen. Sie liessen ihn fallen, er wurde abgewählt. Das ist Einfluss.
Norquist: Ja und nein. Ich habe Bush dazu gebracht, den Schwur abzulegen. Bush hat ihn gebrochen. Er hat Selbstmord begannen, nicht ich habe ihn die Treppe hinunter gestossen.
Wollten Sie ihn retten?
Norquist: Nein. Wenn ich gesagt hätte, wählt Bush trotzdem, hätte ich Selbstmord begangen. Alle hätte gesagt: «Bush ist ein Vollidiot und Grover ist wahnsinnig.»
1998 reisten Sie nach Texas und trafen sich mit Bush junior und dessen Berater Karl Rove. Sie kamen zurück und erzählten Konservativen, Bush könne deren Interessen am besten vertreten. Danach unterstützten die Konservativen Bush. Sind Sie der Königsmacher?
Norquist: Es hat sicher geholfen, dass ein Konservativer Bush Junior unterstützt, der davon überzeugt ist, dass sein Vater uns betrogen hatte. Als ich sagte, Bush Junior setze sich für niedrige Steuern ein, sahen das konservative Kreise als Gütesiegel.
Welche Rolle spiele Sie heute? Sind sie das Genie, das Bush Strategien einflüstert, oder verbreiten Sie Bushs Ideologie weiter?
Norquist: Beides. Der Präsident und ich reisen auf parallelen Wegen. Er will jedes Jahr die Steuern senken. Ich berate ihn, welches die beste Steuersenkung ist. Etwas würde ich nie machen – von einer Steuersenkung abraten. Alle Steuersenkungen sind gut.
Wie beurteilen Sie nach drei Jahren Bush die Lage der Nation?
Norquist: Recht gut. Die Wirtschaft wächst. Die republikanische Partei kontrolliert das Repräsentantenhaus klar und den Senat ziemlich klar. Uns gehört das Weisse Hause. 60 Prozent aller Amerikaner leben unter der Regentschaft republikanischer Gouverneure. Die republikanische Partei wird stärker, die demokratische Partei schwächer. Militärisch sind wir die dominante Macht.
Andererseits schreiben die USA das grösste Budgetdefizit aller Zeiten. Ihre politischen Gegner monieren, das ruiniere das Land und hinterlasse für die nachrückenden Generationen enorme Bürden.
Norquist: Das sagten sie bereits in den achtziger Jahren, noch vor dem Kollaps der Sowjetunion. Es hiess, die USA sei in Gefahr – wegen dem Defizit. Es entpuppte sich als Schwachsinn.
Das Defizit treibt die Zinsen in die Höhe und hält Unternehmen davon ab, Investitionen zu tätigen. Es lähmt also die Wirtschaft.
Norquist: Das Defizit ist eine unwichtige Zahl. Das Defizit ist der Unterschied zwischen zwei viel wichtigeren und interessanteren Zahlen: Wie viel gibt die Regierung aus und wie viel nimmt sie in Steuern ein.
Dennoch: Die Staatskosten drohen geradezu zu explodieren. Eine Schätzung geht davon aus, dass die Pensionierung der Baby-Boom-Generation ein 44 Billionen Dollar umfassendes Loch in die Staatskasse reisen wird.
Norquist: Die Überalterung stellt eine demographische Herausforderung dar. Im Vergleich zu Europa und Japan ist das Problem in den USA aber vernachlässigbar.
Was macht Sie so sicher?
Norquist: Die Immigrationspolitik. Wie das geht, hat der Rest der Welt noch nicht begriffen. Schon morgen können wir so viele junge Amerikaner haben wie wir wollen – wir öffnen einfach die Grenzen. In die USA wollen alle kommen, nach Schweden, China oder Japan will niemand zügeln.
Immigration allein bringt kein Wachstum. Ausserdem haben neue Zuwanderer derzeit Mühe, Arbeit zu finden. Unter George W. Bush sind drei Millionen Stellen verloren gegangen.
Norquist: Wir hatten 7 Prozent Wachstum im letzten Quartal. Im nächsten Jahr werden wir das grösste Wachstum in der modernen US-Geschichte erleben. Das bringt zwei bis drei Millionen neue Jobs. Amerika ist gesund. Wir blicken auf 20 Jahre zurück, in denen wir fast ohne Pause neu Jobs kreiert haben. Seit 1982 – als die Steuern gesenkt wurden – wächst die Wirtschaft fast pausenlos.
Wie wollen Sie sicherstellen, dass das so weiter geht? Die Demokraten sagen, das Defizit behindere das Wachstum.
Norquist: Die Altersvorsorge muss privatisiert werden. Wir müssen die Klageflut eindämmen. Hinderlich für konstantes wirtschaftliches Wachstum sind die Kosten, welche die Gewerkschaften, die Anwälte und die radikalen Umweltschützer verursachen. All das werden wir in den nächsten Jahren eindämmen.
Die Wirtschaft mag sich erholen. Was fehlt sind Jobs.
Norquist: Das ist falsch. Es gibt zwei Arten, die Zahl der kreierten Jobs zu eruieren. Man befragt Firmen oder man befragt Arbeiter. Wenn man die Firmen befragt, haben Sie Recht. Wenn man die Leute auf der Strasse fragt, ob sie arbeiten, dann sagen sie «ja». Die neuen Jobs kreiert nicht General Motors. Freelancer und kleine Unternehmer tun das. Es gibt 600000 mehr neue Jobs als die Demokraten sagen.
Lügt etwa die Opposition?
Norquist: Sie hat ein Problem. In einem Jahr wird gewählt. Dann wirkt das Wachstum der vergangenen eineinhalb Jahre und hat bereits viele Jobs kreiert. Die Demokraten können nicht mehr sagen: «Die Wirtschaft ist die Hölle und Bush ist Scheisse.» Die Demokraten hatten geplant, nichts über die Aussenpolitik zu sagen und Bush innenpolitisch anzugreifen. Jetzt ist es einfacher, ihn wegen Irak zu attackieren.
Sie zählen darauf, dass US-Wahlen traditionell mit innenpolitischen Parolen entschieden werden?
Norquist: Genau. Wir werden die Wahlen nicht mit einer aussenpolitischen Plattform gewinnen. Was sollen wir denn sagen: «George Bush hat die Taliban besiegt»? So what? Die Leute werden fragen: Was haben Sie für uns unlängst getan. Da wird Bush in einem Jahr glänzend dastehen.
Die Staatsquote nimmt aber zu, nicht ab. Vor allem das Militärbudget wächst.
Norquist: Das Verteidigungsbudget liegt bei 3,5 Prozent des Bruttoinlandprodukts, das ist etwa halb so viel wie während des Kalten Krieges. Militärisch sind wir heute weit mehr überlegen als damals. Die Invasion im Irak war die weltweit grösste militärische Übung mit scharfer Munition. Das Manöver hat den Vorsprung der USA gegenüber allen anderen Ländern um weitere fünf Jahre vergrössert. Es reicht nicht aus, die neue Technologie zu besitzen, die Laser gesteuerten Bomben, die Drohnen. Man muss sie immer wieder mal einsetzen, um sie kennen zu lernen. Wenn die Franzosen unsere Ausrüstung klauen würden, wüssten sie noch lange nicht, wie man sie gebraucht.
In den achtziger Jahren haben ausländische Investoren das Defizit getragen. Ständig floss ausländisches Geld in die USA. Der tiefe Dollar half zudem der Exportindustrie. Derzeit scheinen weder die Europäer noch die Japaner willig, das Defizit zu tragen. Gemäss jüngsten Zahlen gehen die Investitionen aus dem Ausland zurück.
Norquist: Die Welt investiert in die USA durch den Kauf von Regierungsanleihen oder Aktien. Warum? Weil es keinen besseren Weg gibt, Geld zu investieren. Wenn wir eine schlechte Wirtschaftspolitik haben, dann werden die Leute nicht mehr investieren. Das ist gut so. Es zwingt die Regierung zu einer effektiven Wirtschaftspolitik.
Ihre Organisation Americans for Tax Reform berechnet jedes Jahr, wie lange die Amerikaner arbeiten müssen, um ihre Steuern zu bezahlen. Heuer ist das so spät wie seit 1993 nicht mehr. Das heisst, die jetzige Regierung tut wenig, um ihre Ziele umzusetzen. Ist Bush schlimmer als Clinton?
Norquist: Diesbezüglich: ja. Dazu zwei Erklärungen. Erstens: Das Wirtschaftswachstum hat sich verringert. Wenn immer das passiert, steigt die Staatsquote. Zweitens stiegen die Militärausgaben. Die Herausforderung für Bush kommt jetzt, wo die Wirtschaft wächst. Seine Ausgabenrate muss weniger stark wachsen als die Wirtschaft. Während des Wachstums in den achtziger Jahren fiel die Ausgabenrate. Bush Senior erhöhte die Steuern, die Wirtschaft stockte, die Staatsquote schnellte in die Höhe.
Dann stimmt, was Truman einst sagte: Um wie ein Republikaner zu leben, muss man demokratisch wählen. Unter dem Demokrat Clinton wuchs die Wirtschaft rasant, das Budget war ausgeglichen, die Staatsquote sank.
Norquist: Erst nachdem die Republikaner die Mehrheit im Senat und im Repräsentantenhaus übernahmen. Wir hinderten Clinton daran, die Ausgaben zu tätigen, die er gerne getätigt hätte. Deshalb sank die Staatsquote. Wir müssen nun genau beobachten, wie sich Bush verhält, wenn die Wirtschaft wächst. Wenn er so viel ausgibt wie in den letzten Jahren, verbessert sich die Lage nicht.
Was unternehmen Sie, damit sich Bush richtig verhält?
Norquist: Wir erzählen allen, dass das grosse Versagen seiner Regierung bei den Ausgaben liegt. Glauben Sie mir, Bush hört uns zu. Ausserdem will ich eine Amtszeitbeschränkung für jene parlamentarischen Kommissionen einführen, in denen Geld ausgegeben wird.
Wo setzen Sie den Rotstift an?
Norquist: Wir unternehmen alles, damit die Altersvorsorge privatisiert wird, die Krankenkasse soll folgen. 30 Prozent der Beamten sollen aus dem Staatsdienst ausgelagert werden. Die Auslandhilfe wird auf null Dollar reduziert.
Ein Problem bleibt – die enorme Verschuldung der Gliedstaaten.
Norquist: Dort ist das Sparpotenzial noch viel grösser. Es gibt 15 Millionen Beamte in den Gemeinden und Staaten, deren Arbeit fast gänzlich privatisiert werden kann.
Sie wollen alle Beamten abschaffen?
Norquist: Fast alle. Erledigen die etwas, das man nicht privatisieren kann?
Zum Beispiel die Arbeit der Polizei.
Norquist: Es gibt in den USA eine halbe Million staatliche Polizisten. Hinzu kommen 1,5 Millionen private Polizisten. Demnach sind bereits jetzt drei Viertel der Polizei privat. Zudem tragen drei Millionen private Amerikaner auch tagsüber legal eine Waffe.
Dieser privaten Miliz vertrauen Sie den Schutz der Bürger an?
Norquist: Kriminelle werden viel eher von einem privaten Bürger erschossen als von der Polizei. Sind Sie in Gefahr, rettet Sie eher ein privater Bürger als die Polizei. Polizisten sind nette Kerle, sie räumen nach dem Mord die Leiche weg. Verbrechen stoppen sie nicht.
Dann wollen Sie die Regierung ganz abschaffen?
Norquist: Nein, ich möchte die Regierung auf die Grösse schrumpfen, damit ich sie in der Badwanne ertränken kann.
Sind Sie ein Anarchist?
Norquist: Nein. Ich bin kein Anarchist. Ich will die Regierung verkleinern. Es ist mein erklärtes Ziel, sie in einer Generation zu halbieren. Innert 25 Jahren will ich die Staatsquote von 33 auf 16 Prozent runter bringen. Das ist ein vernünftiges, kein radikales Unterfangen.
Absurd ist, wenn Konservative dauernd sagen, sie wollten die Regierung reduzieren – und die Regierung dann doch kontrollieren wollen.
Norquist: Wer die Grösse der Regierung verkleinern will, muss zwischenzeitlich in die Regierung rein, und zwar tief genug, damit man sie führen und dann zerstören kann. Wer in die Regierung geht und dann realisiert, er mag sie und sie deshalb nicht zerstören will, ist ein Verräter.
Ohne Regierung hätten Sie keinen Job.
Norquist: Das ist richtig und das wäre toll. Aber ich fürchte, dass ich noch mindestens 25 Jahre arbeite werden.
Wann hören Sie auf?
Norquist: Sobald ich mein Ziel erreicht habe.
Wie geht das schneller, mit Steuernkürzungen oder mit der Verkleinerung der Regierung?
Norquist: Mit beidem. Wir tun das, was wir zuerst tun können. Danach erledigen wir das andere.
Hat eine Zivilgesellschaft keine Verantwortung gegenüber ihren Bürgern? Wie lösen Sie soziale Probleme, wenn die Regierung auf ein Minimum schrumpft?
Norquist: Wenn eine Regierung den Lebensstil finanziert, nicht zu arbeiten oder eine staatliche Krankenkasse zu haben, wird man mehr Leute haben, die diesen Lebensstil anstreben. Deutschland zahlt seinen Bürgern sehr viel Geld, damit sie nicht arbeiten. Wenn man Arme zahlt, nicht zu arbeiten, dann arbeiten sie nicht. Wenn man sie zahlt, Kinder zu haben und nicht zu arbeiten, dann haben sie Kinder und arbeiten nicht. Wenn die Regierung jene Leute besteuert, die arbeiten, dann entmutigt man die Leute zu arbeiten. Wenn man Investitionen besteuert, entmutigt man Investitionen. Das Fazit: Ein Sozialstaat entmutigt Arbeiten und ermutigt Faulenzen.
Sie lehnen jegliche Sozialhilfe ab?
Norquist: Es gibt Leute, die keine Arme und keine Beine haben, ihnen müssen wir helfen. Für sie gibt es private Hilfsorganisationen, die das sehr gut machen, besser als die Regierung. Generell wird mit Sozialhilfe schlechtes Benehmen finanziert.
Sehen Sie überhaupt eine Rolle für die Regierung?
Norquist: Sie soll sich um die Landesverteidigung kümmern und die Gerichte zahlen, damit die Rechte geschützt werden. Sonst fällt mir nichts ein.
Warum hassen Sie Steuern?
Norquist: Steuern sind Diebstahl. Steuern berauben die Leute um ihre Zeit und ihre Ressourcen. Wenn Sie arbeiten und dafür jährlich 100000 Dollar verdienen, und die Regierung ein Viertel nimmt, dann hat Sie die Regierung um eine Viertel ihres Lebens betrogen. Ein Sklave ist ein Sklave, weil der Sklavenhalter ihm alles wegnimmt. Wenn einem die Hälfte weggenommen wird, ist man ein halber Sklave.
Ganz ohne Steuern geht es selbst in Ihrem Modell nicht. Welche Struktur streben Sie an?
Norquist: Ein einheitlicher und einmaliger Steuersatz. Dabei spielt es keine Rolle, ob wir das Einkommen besteuern oder die Ausgaben. Mir ist egal, aus welcher Tasche die Regierung mein Geld stiehlt. Die Frage ist nur, wie viel die Regierung nimmt. Und: Sie soll es nur einmal tun. Jetzt stiehlt die Regierung wenn man verdient, wenn man ausgibt, wenn man spart, wenn man investiert, wenn man Dividenden kriegt, wenn man das Geld aus der Börse abzieht, wenn man stirbt. Ein zu grosser Eingriff. Der Fiskus soll mir zuschauen, wenn ich den Dollar verdiene, davon etwas abzwacken – und dann verschwinden. Der Regierung muss völlig egal sein, ob ich mein Geld auf ein Schweizer Konto lege, damit in die Bar gehe oder Microsoft-Aktien kaufe. Wenn ich sterbe soll mir niemand ins Maul schauen und Goldzähne zählen.
Sie kämpfen für die Abschaffung von Steuern auf Dividenden und gegen die Kapitalgewinnsteuern. Wollen Sie den Finanzplatz Schweiz konkurrenzieren?
Norquist: Eines kann ich Ihnen versprachen: Die USA werden bald schon die Steueroase der Welt sein. Wir werden geringere Raten haben als alle anderen. Wir werden weder Ersparnisse, Investitionen noch Erbschaften besteuern – wenn die Bush-Regierung an der Macht bleibt und somit die republikanische Agenda nochmals fünf oder zehn Jahre vorantreiben kann.
Die Republikaner kontrollieren das Weisse Haus und das Parlament. Können Sie jetzt machen, was Sie wollen?
Norquist: Wir brauchen fünf zusätzliche Senatoren, um rasche Fortschritte zu erzielen. Wir werden im nächsten Jahr zwischen drei und fünf weitere Senatoren erhalten.
Was machen Sie mit dieser geballten Macht?
Norquist: Die Regierung halbieren. Wenn wir die nächste Präsidentschaftswahl gewinnen, werden die Republikaner die US-Politik in den nächsten zwanzig Jahren dominieren, vielleicht auch länger. Nach zwanzig Jahren, wenn wir alles erreicht haben, was wir wollen, wird sich die demokratische Partei reformiert haben. Dann kann sie wieder mit uns konkurrenzieren.
Wie stehen die Chancen, dass Sie diesen Freipass erhalten?
Ziemlich gut.
Was macht Sie sicher?
Eine immer grössere Anzahl Amerikaner besitzt Aktien. Das macht es für die Demokraten sehr schwierig, ihre auf Neid und Klassenkampf angelegte Politik aufrecht zu halten. Zudem haben wir einen demographischen Vorteil. Die ältesten Amerikaner machen die regierungstreuste und europäischste Generation aller Zeiten aus. Sie haben die grosse Depression durchgemacht, den New Deal, den Zweiten Weltkrieg. Es ist die einzige Generation überhaupt, die sich nicht gegen den Militärdienst zur Wehr setze. Es ist die linkste und staatstreuste Altersgruppe in der US-Geschichte. Sie sind wie Schafe.
Ein abschätziges Wort für jene Leute, die hier zu Lande als die «Grossartige Generation» gefeiert wird.
Norquist: Ja, sie waren grossartig, einen Krieg zu gewinnen – und zu gehorchen. Diese Generation machte stets das, was die Regierung von ihr verlangte. Sie sind jetzt zwischen 70 und 90 Jahre alt. Jedes Jahr sterben davon 2,2 Millionen. In 2008 wird es 18 Millionen Menschen weniger geben, die der Meinung sind, der Staat sollte uneingeschränkte Macht haben. Ersetzt werden sie von 27-Jährigen, die glauben, Verkehrsampeln sind der erste Ausdruck eines totalitären Staates.
Was passt ihnen nicht an Bush?
Norquist: Zum Beispiel die Stahltarife. Hochverrat war das aber nicht. Der freie Handel ist dadurch nicht in Gefahr geraten. Wäre das der Fall, hätte Bush eines der fünf wichtigsten Anliegen eines republikanischer Präsident betrogen: Steuern senken, für freien Handel einstehen, die Altersvorsorge privatisieren, sich für die Wahl der Schule einsetzen und gegen Anwälte vorgehen. Das muss ein republikanischer Präsident tun.
Macht er das nicht, dann lassen Sie ihn fallen?
Norquist: Es ist ein grosser Fehler, sich nicht an diese Prinzipien zu halten, ja.
Haben Sie die Macht, ihn aus dem Amt zu kippen?
Norquist: Wenn ich aufstehe und sage: «Ich mag Bush nicht», würde das nicht ausreichen. Wenn Bush aufsteht und sagt: «Ich erhöhe die Steuern», dann werde ich das sofort überall verbreiten. Ein solches Vergehen und mein Echo würden ihn stürzen.
Was bedeutet Ihnen die Macht?
Norquist: Es ist mein Ziel, alle Macht zu zerstören. Niemand soll die Macht haben, um Ihnen die Kapitalgewinnsteuern zu stehlen.
Sie sind auch der Vorsteher des Reagan Legacy Projects. Sie wollen möglichst viele Gebäude nach Ronald Reagan benennen und Reagan auf die 10-Dollar-Note bringen. Warum mögen Sie ihn?
Norquist: Reagan hat die Sowjetunion zerstört. Reagan hat die US-Wirtschaft gerettet. Reagan hat die republikanische Partei in eine Partei von Steuerkürzern verwandelt.
Welche modernen Präsidenten mögen Sie?
Norquist: Reagan war der beste Präsident aller Zeiten. George W. Bush ist der zweitbeste. Ford war ein miserabler Präsident. Nixon war ein bösartiger Präsident. Und Carter war total inkompetent.
Bush Senior betrachten Sie als Verräter. Bleibt noch Bill Clinton.
Norquist: Nach den ersten beiden Jahren wurde er irrelevant. Er dachte, er könne das Land regieren wie Arkansas. Dort gab er vor, smarter als alle anderen zu sein. Als er nach Washington kam stellte sich rasch heraus: Er ist nicht smarter als alle anderen. Er hat sich für Waffengesetze eingesetzte – und die Leute verärgert. Er hat sich für Steuererhöhungen eingesetzt – und die Leute verärgert. Clinton glaubte seiner eigenen Rhetorik, die er auch in der Zeitung las: Dass ihn alle liebten. Das stimmte schlicht nicht. Insofern ist Clinton ziemlich dumm.
Biobox
Grover Norquist, 46, studierte in Harvard Wirtschaft. 1981 kam er nach Washington, um als Lobbyist zu arbeiten. Die Politik von Ronald Reagan überzeugte ihn davon, dass Steuerkürzungen der Wirtschaft am besten dienen. 1985 gründete er die Organisation Americans for Tax Reform. Deren Ziel: Eine einheitliche und einmalige Steuer sowie die Halbierung der Regierungsausgaben. Erreichen will er das mit einem Steuerschwur. Politiker versprechen ihm, auf keinen Fall Steuern zu erhöhen. Wer ihn bricht, wird von Norquist fallen gelassen. Jeden Mittwoch lädt Norquist Konservative zu einem Treffen in sein Büro. Rund 100 Leute tauschen Ideen aus und planen Strategien. Letzten Mittwoch erklärte etwa der frühere House-Sprecher Newt Gingrich, warum das neue Krankenkassen-Gesetz gut sei: «Damit lassen sich die Gewerkschaften zerstören.»