Ein Clinton mit Disziplin

Mit einem smarten General wollen die Demokraten George. W. Bush aus dem Weissen Haus drängen. Doch Wesley Clarks später Einstieg lässt Zweifel aufkommen, ob er die Vorwahlen gewinnen kann.

Von Peter Hossli

Für einmal war der Ort der Rede wichtiger als die Rede selbst. Nicht in den frühen Vorwahl-Staaten Iowa oder New Hampshire trat Wesley Clark erstmals ans Mikrofon. Kaum hatte er letzte Woche seine Bewerbung angekündigt, flog er nach Florida. Dorthin, wo nach Auffassung vieler Demokraten Präsident Bush mit zwielichtigen Methoden das höchste Amt im Land erbeutet hatte.

Dem kriegsgeprüften General mit vier Sternen am Revers soll die Revanche gelingen, hofft das Establishment der demokratischen Partei. Es traut dem bisherigen Spitzenreiter Howard Dean nicht. Dessen vermeintlich linke Position kommt zwar bei der Basis an. Die wütenden Ausfälle lassen Schlimmes befürchten – ein Sieg in den Vorwahlen, eine Schlappe im November 2004, gefolgt vom Abdriften der Partei in den Radikalismus der Sixties.

Garant dagegen scheint derzeit einzig der blitzgescheite und telegene Wesley Clark zu sein. Laut einer eben veröffentlichten «Newsweek»-Umfrage liegt er bereits an der Spitze der zehn Bewerber. Sein Lebenslauf ist unbefleckt und strotzt von Rechtschaffenheit und Patriotismus. Heroisch kämpfte er in Vietnam, wurde verwundet und mit höchsten Ehren dekoriert. Ein Mann von Welt, der den transatlantischen Verteidigungsbund Nato kommandierte.

Als «hervorragenden Kommunikator» bezeichnet Clarks langjähriger Freund, der Dirigent und demokratische Analyst Charles Ansbacher den General. «Er kann Argumente führen, Allianzen bilden und hat Mitgefühl», sagt Ansbacher. «Er hat den Verstand von Bill Clinton – und dazu Disziplin.»

Wie Clinton stammt Clark aus Arkansas und gehört der politischen Mitte an. Er verteidigt das Recht auf Abtreibung, ist für strikte Waffengesetze, geht aber gerne zur Jagd. Trotz Terrorangst hält er die Bürgerrechte hoch. Seit kurzem erst nennt er sich Demokrat. Einst gab er Ronald Reagan die Stimme. Clark gilt als phänomenaler Stratege und vifer Diplomat, dem es 1999 gelang, alle 19 Nato-Staaten in den Krieg gegen Serbien einzubinden.

Nicht er suchte sich Wähler, die Wähler fanden ihn. Hätte nicht eine Gruppe von Clark-Fans im Internet die «Draft Wesley Clark»-Kampagne gestartet, wäre er kaum auf die Idee gekommen. Offen bleibt daher, ob er den Draht zum traditionellen Stamm der Demokraten findet, den Arbeitern. Wie Al Gore könnte ihm seine Intelligenz im Wege stehen. Als CNN-Analyst liess er die Zuschauer oft wissen, wie viel er weiss, was ihm den Ruf der Arroganz eintrug.

Eine persönliche Begegnung vor zwei Jahren offenbarte allerdings eine bescheidene Erscheinung. Nicht imposant wirkte Clark, dafür von klassischer Schönheit, eher klein, die Augen ins Gesicht des Gegenübers gerichtet, der Händedruck zugreifend. Bevor er spricht, hört er zu.

Angesichts des Budgetdefizits und der steigenden Arbeitslosigkeit dürfte die Innenpolitik die Wahl genauso bestimmen wie die nationale Sicherheit. Hier hat Dean Vorteile. Als Gouverneur von Vermont sanierte er den Haushalt und die Krankenkassen. Clark dirigierte zwar Kompanien auf drei Kontinenten; eine Wahl gewann er nie.

Mit Gemeinplätzen greift er Bushs Wirtschaftspolitik an, etwa dem Defizit und der Fiskalpolitik. Wie er Arbeitsplätze kreieren will, überlege er sich noch. Ohne wirtschaftliche Erfahrung ist Clark aber nicht. Seit er im Jahr 2000 die Uniform abgelegt hat, wirkt er erfolgreich als Berater kleiner Sicherheitsfirmen. Er unterrichtete Ökonomie und arbeitete im Office of Management and Budget, der Kontrollstelle der Regierung.

Der Eintritt des drahtigen Denkers hat die Wahldynamik umgekrempelt. Die jeweiligen Vorteile der bisherigen Spitzenreiter übertrumpft Clark. Genau wie John Edwards stammt er aus dem Süden, wegen der vielen Stimmen die entscheidende Region. Der politische Novize ist aussenpolitisch erfahrener als der Senator aus North Carolina. Clarks Militärkarriere überragt jene von John Kerry. Bisher galt der Senator aus Massachusetts als Vietnamveteran am ehesten geeignet, Bush in militärischen Belangen anzugreifen. Als «grandiose Fehlleistung» kritisiert der General den Irakfeldzug jedoch glaubwürdiger.

Solche Statements tönen in demokratischen Ohren verheissungsvoll. Stehen hinter Dean vornehmlich jene am linken Rand, scharrt sich die Parteispitze um Clark. «Ich will die Wahl gewinnen, deshalb bin ich für Clark», sagt Charles Rangel, ein einflussreicher Repräsentant aus New York. Als Schwarzer kann er dem General die Stimmen der Minoritäten zuhalten. Die Parteiführer in Senat und Repräsentantenhaus, Tom Daschle und Nancy Pelosi, stützen ihn ebenfalls.

Zuerst muss Clark allerdings die Vorwahlen gewinnen. Traditionell wählen in den Primaries radikale Kräfte, Ultrakonservative bei den Republikanern, die Linken auf Seiten der Demokraten. Da hat Dean bessere Karten. Überdies verfügt er über eine weit gefächerte, starke Wahlkampfmaschinerie. Clark kann diesen Rückstand kaum wettmachen.

«Dean bricht ein», sagt hingegen Konkurrent Kerry. Zu früh stand er oben. Tatsächlich wirkt Dean bereits blass, war schon auf dem Titel aller Nachrichtenmagazine und besuchte jede Talkshow. Einen Sprint hat er hingelegt – und womöglich zu viel Energie verpufft für den Marathon. Erst Ende August stieg 1991 übrigens Bill Clinton ins Rennen.

Ohnehin ist der Ex-Präsident wieder ein Faktor. Mieden ihn demokratische Kandidaten bei vergangenen Wahlen verschämt, ist er nun willkommener Wahlhelfer. Jüngst reiste er nach Kalifornien, um dem gefährdeten Gouverneur Gray Davis zu helfen. Clintons sexuelle Eskapaden wirken trivial angesichts der Iraklügen. «When Clinton lied, no one died» lautet der Slogan, «als Clinton log, starb niemand».

Von Clintons erstarkter Aura profitiert Clark. «Er ist ein aufrichtiger Mann», lobt Clinton, «ein gescheiter Kerl, der unserem Land gut gedient hat.» Etliche Ex-Strategen Clintons und Gores arbeiten nun für Clark. Eine Erfolg versprechende Mischung: die einen wissen, wie man gewinnt, die anderen, wie man gegen Bush antritt.

Einfach wird es nicht. Ab der Zentren ist Bushs Popularität so hoch wie stets. In seiner prall gefüllten Kasse liegen 200 Millionen Dollar. Clark hat 1,5 Millionen. Ein weiteres Argument gegen Bushs Abwahl liefert der Journalist Greg Palast. Profund wies er nach, wie in Florida die Wahl stibitzt wurde. «Dieser Coup wird derzeit wiederholt», so Palast.