Von Peter Hossli
Die Abstimmung war nur mehr Formsache, das Resultat schon seit Wochen klar. Die drei Republikaner in der Kommission stimmten zu, die beiden Demokraten waren dagegen, als die Federal Communications Commission (FCC) die amerikanische Medienlandschaft umkrempelte. Die staatliche Kommunikationsbehörde hatte die strengen Vorschriften hinsichtlich der Besitzverhältnisse gelockert. Dieser Entscheid dürfte nachhaltige Folgen für die US-Medienlandschaft nach sich ziehen.
Bisher durften einzelne Unternehmer in einer Stadt allerhöchstens 35 Prozent der Zuschauer mit Programmen bedienen und somit maximal eine Station betreiben. Die Beschränkung bleibt, wird aber auf 45 Prozent angehoben – zur Freude von grossen Medienkonglomeraten wie Disney, News Corporation oder Viacom. Sie können nun zusätzliche Lokalsender kaufen. Diese über traditionelle Sendeanlagen versorgten Stationen erzielen weit höhere Einschaltquoten und Werbeeinnahmen als Kabelkanäle.
Ebenfalls weggefallen ist das Verbot, wonach eine Firma in einem lokalen Markt nicht gleichzeitig eine Zeitung, einen TV-Sender und eine Radiostation besitzen darf. Demnach ist es beispielsweise der New York Times Corporation neuerdings erlaubt, in New York zusätzlich Fernsehen zu machen.
Die Änderung, sagen deren Advokaten, widerspiegle die durch Internet, Satelliten- und Kabelfernsehen veränderte Medienwelt. Sie erlaube es den um Gewinn und Umsatz ringenden Medienkonzernen, die Recherchierarbeit ihrer Reporter sowohl in Druckerzeugnissen wie auch in elektronischen Medien zu verwenden. Das senke die Kosten innerhalb der Redaktionen. Die neuen Regeln seien zudem eine Anpassung an die Realität, sagte der Vorsteher der FCC, der Republikaner Michael Powell. Viacom mit dem Sender CBS und die News Corp. mit Fox würden in manchen Märkten bereits jetzt mehr als 35 Prozent der amerikanischen Haushalte mit ihren Programmen bedienen.
Konsumentenschützer haben Rupert Murdoch als Feindbild
Diese Änderung werde «der Medienlandschaft über Jahrzehnte hinweg Schaden zufügen», sagt hingegen das demokratische Kommissionsmitglied Jonathan Adelstein. Die FCC reguliert die US-Medien seit 1934. Damals wollten angesichts des Totalitarismus in Europa US-Parlamentarier verhindern, dass allzu viel Medienmacht in die Hände weniger Personen fällt.
Genau das bewirke die FCC mit der Regeländerung, sagen Konsumentenorganisationen. Tage vor dem FCC-Entscheid schalteten sie ganzseitige Inserate in nationalen Zeitungen wie der «New York Times» oder der «Washington Post». Von vier Fernsehern starrt dabei das Bild des Medienzars und News-Corp.-Besitzers Rupert Murdoch ins Leere. «Dieser Mann will die Nachrichten in den USA kontrollieren», lautet der aggressive Slogan dazu. Vor dem FCC-Entscheid hätten fünf Firmen – Disney, Viacom, GE, AOL Time Warner und News Corp. – bereits 75 Prozent des Fernsehpublikums kontrolliert. Die Konzentration nehme nun weiter zu, hiess es in den Inseraten weiter.
Diese Art von Werbung vergiftete eine bereits hitzig geführte Debatte. Lobbyisten für die Änderungen waren rasch zur Stelle: Man könne ja 500 Kanäle empfangen. Von Websites liessen sich nicht nur amerikanische Informationen, sondern weltweite Nachrichten verfolgen. Statistiken zeigen ein anderes Bild. Gemäss einer FCC-Studie entnehmen 56 Prozent der Amerikaner ihre Informationen nach wie vor den lokalen Fernsehsendern, 23 Prozent informieren sich in Zeitungen, 10 Prozent im Radio. Nur gerade 7 Prozent beziehen Nachrichten von Kabelstationen wie CNN. Noch weniger benützen das Internet, um sich ihre Informationen zu holen.
Besonders laut wehrte sich CNN-Gründer Ted Turner gegen das neue Gesetz. Er hatte einst als unabhängiger Fernsehmacher seine Karriere angefangen. Später verschmolzen seine Firmen zum Koloss AOL Time Warner. Zwischen «Monopol und Demokratie» hätte die FCC wählen müssen, schrieb Turner in einem ungewohnt scharf formulierten Leitartikel in der «Washington Post». Er sei Grossaktionär eines «der fünf Medienkonglomerate, die fast alles kontrollierten, was Amerikaner sehen, hören und lesen», so der hemdsärmlige Milliardär weiter
Produktion und Vertrieb sollen wieder getrennt werden
Persönlich werde er von der Regulierung profitieren. Er sei gleichwohl dagegen, so Ted Turner. Sie «erstickt Debatten, blockiert neue Ideen und schliesst kleinere Firmen vom Wettbewerb aus». Wäre das Gesetz bereits in den Siebzigerjahren in Kraft gewesen, hätte er seine Firma nicht aufbauen und den Newskanal CNN kaum gründen können. Nun verschwänden kleine Firmen frühzeitig. «Verliert man die kleinen Firmen, verliert man die grossen Ideen.»
Mehr, nicht weniger Regulierung verlangte auch ein zweiter Selfmademan der Medienbranche, Barry Diller. Der einstige Chef des Filmstudios Paramount und heutige CEO des Internet-Konglomerats USA Interactive sagte, fünf Oligopolisten würden die Produktion und mit ihr den Vertrieb der amerikanischen Medienprodukte kontrollieren. Bis vor zehn Jahren durften US-Fernsehsender ihre Serien und Filme nicht selber herstellen. Das oblag unabhängigen Produzenten. Diese Beschränkung lockerte die FCC 1993. Heute produzieren die Sender 80 Prozent ihrer Programme zur Hauptsendezeit selber, damals waren es 20 Prozent. Barry Diller verlangt, dass zumindest Produktion und Vertrieb wie einst wieder getrennt werden müssen.
Ein Bush-Geschenk
Die FCC kann ohne parlamentarischen Rückhalt Regeln im Kommunikationsbereich ändern. Allerdings hat der Kongress die Möglichkeit, Gesetze zu verabschieden, welche FCC-Gebote ausser Kraft setzen oder mit Zusätzen versehen. Noch vor der Bekanntgabe der neuen liberalen Regeln kündigten Konsumentenschützer an, sie würden Kongressabgeordnete dazu bringen, diese im Sinn der Medienvielfalt zu verschärfen. Ein Unterfangen mit geringen Aussichten auf Erfolg. Die Medien und die republikanische Partei, die Präsident George W. Bush und die Mehrheit in beiden Kammern stellt, mögen einander. Gerade weil sich die Medienkonglomerate eine Lockerung der Besitzverhältnisse erhofft hatten, hätten sie patriotisch, pro Bush und unkritisch über den Irak-Krieg berichtet. So argumentieren die Kritiker der neuen FCC-Regelung. Die Republikaner hätten sich nun dafür bedankt.