Der literarische Feldzug

Das US-Aussenministerium als Verleger: 15 renommierte Autoren und Autorinnen sollen das Image der Weltmacht aufbessern.

Von Peter Hossli

Amerika hat ein Problem. Das Land ist unbeliebt, vor allem im arabischen Nahen Osten. Zu arrogant trete es auf, zeigen jüngste Umfragen, zu eigensinnig, zu kriegstreiberisch. Sogar die treusten Alliierten der USA, die Deutschen und die Briten, melden Vorbehalte an.

Wenig hilft, dass selbst Amerikas bekannteste Botschafter mit Amerika derzeit Mühe bekunden. Regelmässig nehmen Hollywoods Stars an Kundgebungen gegen den Krieg teil. Akteur Sean Penn reiste gar nach Bagdad, um gegen eine mögliche Irak-Invasion anzutreten.

Abhilfe schaffen sollen Denker. Fünfzehn renommierte US-Autorinnen und Autoren beauftragte das Aussenamt, persönliche und scharfsinnige Essays zu verfassen. Zwei Fragen sollten sie ergründen: Was bedeutet es überhaupt, Amerikaner zu sein? Wie prägt das deren Werk?

Die bis auf einen Text bisher unveröffentlichten Antworten hat das State Department zu einem 60 Seiten umfassenden Pamphlet gebündelt. Unter dem Titel «Writers on America» wird es in allen US-Botschaften abgegeben, kostenlos und sorgfältig übersetzt auf Spanisch, Französisch, Russisch und Arabisch.

Schwieriger ist es, das Buch in den USA zu erhalten. Hier zu Lande sind die Texte von Autoren wie Michael Chabon oder dem Dichter Robert Creeley bloss auf der Website des State Departments (http://usinfo.state.gov/products/pubs/writers/) nachzulesen, neben der Broschüre «Irak: From Fear to Freedom». Seit dem 1948 verabschiedeten Smith-Mundt Act ist es der US-Regierung gesetzlich untersagt, in den USA staatlich finanzierte Propaganda unters Volk zu bringen.

Die Idee zum Buch hatte eine vife Werberin. Kurz nach 9/11 wurde Charlotte Beers als Unterstaatssekretärin für öffentliche Diplomatie vereidigt. Die Ex-Chefin der Marketingagentur Ogilvy & Mather war bis dahin eine der einflussreichsten Personen der Werbeindustrie.

Statt Seife bewirbt sie jetzt Amerika.

«Amerikanische Werte» soll das Buch vermitteln, schreibt der Redaktor, George Clack, im Vorwort. Ausgewogen, um nicht zu sagen politisch korrekt ausgefallen ist die Auswahl der Verfasser der «Reflexionen», so der Untertitel. Fünf der fünfzehn sind Frauen. Die Redaktion fragte einen Schwarzen an, eine Indianerin vom Stamm der Chickasaw, eine arabische Amerikanerin, eine in der dominikanischen Republik geborene Schreiberin, eine Autorin aus Kalkutta, dazu weisse grauhaarige Männer aus Neuengland.

Alle Autoren, so Redaktor Clack «beleuchten auf interessante Weise gewisse amerikanische Werte – Freiheit, Vielfalt, Demokratie –, die nicht in allen Teilen der Welt gut verstanden werden». Vehement bestritten wird der Propagandavorwurf der US-Medien. «Das ist absurd», sagt Pulitzerpreisträger Richard Ford.

In der Tat nicht plumpen Anbiederungen, eher gescheiten Liebeserklärungen entsprechen die Essays – an all das, was europäische Intellektuelle je nach US-Präsident ebenfalls lobpreisen oder verachten. Die unbegrenzten Möglichkeiten, den Arbeitseifer, die Freiheit zu denken und zu schreiben. Die USA werden zu einem Flickwerk unzähliger Ideen.

Gleichzeitig – und darauf baut gute Propaganda – bekräftigen die Autoren die Grenzen dieses Ideals. Unverblümt stellt etwa Ford dar, wie der nach Rassen getrennte Süden sein Werk beeinflusst hat, dazu der Vietnamkrieg oder die Kommunistenhatz von Senator Joseph McCarthy.

Einst mit arabischen Klischees konfrontiert war Elmaz Abinader, deren Eltern aus dem Libanon in die USA kamen. Anfänglich hätte sie keinen Zugang zu Amerika gehabt, schreibt sie, «aber ich habe nicht locker gelassen». Ihr Starrsinn – eine uramerikanische Tugend – drehte auch ihre Geschichte in eine amerikanische Geschichte mit Happy End. Sie habe sich anderen Aussenseitern angeschlossen und gehörte nun plötzlich dazu.

Ob das im Nahen Osten nachhaltiger wirkt als die stationierten US-Truppen?