Die grüne Baseballkappe eines Mordverdächtigen verzückt Amerika. Eine solche Kappe, bestickt mit einem weissen Snoopy, trug der Schauspieler Robert Blake bei seiner live übertrage- nen Verhaftung vor zwei Wochen. Der 68-jährige Seriendarsteller («Baretta») soll letztes Jahr seine Frau in Kalifornien erschossen haben.
Die spektakuläre Festnahme Blakes erinnert an den Mordprozess von Footballstar und Teilzeitakteur O. J. Simpson. Er wurde verdächtigt, seine Gattin und deren Liebhaber erstochen zu haben. Gebannt folgte die Nation Mitte der Neun-zigerjahre den Übertragungen aus dem Gerichtssaal. Simpsons Freispruch im Oktober 1995 sahen 80 Millionen Zuschauer live am Fernsehen. Es war der Anfang eines prosperierenden Genres. Mittlerweile befriedigen sechs nachmittägliche Gerichtssendungen und der Spartenkanal Court TV die amerikanische Lust am Urteilen.
Dieses Szenario soll sich nun wiederholen. Genüsslich liefern Zeitungen wie TV-Sender täglich neue Details über das Leben von Robert Blake und dessen zerrütteter Ehe sowie Spekulationen zu Mordmotiv und Tathergang. «Fernsehdetektiv Blake ist angeklagt, seine Frau ermordet zu haben, um einer fürchterlichen Ehe zu entkommen», schreibt das Gesellschaftsmagazin «People».
Von einem «sensationellen Mordfall» ist bei CNN die Rede. Zuvor geriet der Rund-um-die-Uhr-Sender kurz in Verlegenheit. Am Tag der Festnahme war kein juristischer Kommentator zur Hand. CNN stellte schliesslich Jeffrey Toobin ein, einen profilierten Autor beim Magazin «New Yorker», der einst als Hilfsstaatsanwalt gedient hatte.
Er soll die rechtlichen Kniffe verständlich darlegen. Verworren genug sind die Umstände. Vor einem Jahr wurde Blakes Gattin Bonny Lee Bakley, 44, erschossen im Auto des Paars aufgefunden. Blake bestritt den Mord. Bonny habe nach einem gemeinsamen Essen auf ihn gewartet. Er sei ins Restaurant zurückgeeilt, weil er dort seine Pistole vergessen habe, gab Blake zu Protokoll. Weinend liess er sich später an Bonnys Beerdigung ablichten.
Nach einem Jahr will die Polizei von Los Angeles nun genügend Beweise zusammengetragen haben. «Robert Blake verachtete seine Frau, deshalb hat er sie umgebracht», erklärte ein Polizeihauptmann die Verhaftung. Die Staatsanwaltschaft klage Blake wegen Mordes und Verschwörung an.
Die Medien freuen sich auf den Prozess, um das Publikum mit Süffisantem einzudecken. So gebe es zahlreiche Männer, die genügend Motive gehabt hätten, Bonny Lee Bakley zu ermorden. Die aufgedonnerte Blondine, verrucht, abgetakelt und bizarr wie Nebendarstellerinnen billiger Seifenopern, hat zahlreiche mehr oder minder berühmte Männer um den Finger gewickelt, sie verführt und dann bestohlen.
Opfer waren meist Typen, die ihre besten Tagen längst hinter sich hatten: etwa Robert Blake. Der brillierte einst als Kinderstar. In der Truman-Capote-Verfilmung «In Cold Blood» gab er 1967 den Mörder. In den Siebzigerjahren streifte er als Detektiv der Krimiserie «Baretta» durch die Strassen New Yorks. Abgesehen von einem Kurzauftritt in David Lynchs «Lost Highway» (1987) blieb er der Filmerei fern. Stattdessen tingelte er durch die Spelun-ken Nord-Hollywoods – und traf dort die blonde Bonny. Er heiratete sie, weil ihn ein DNS-Test als Vater ihrer Tochter identifizierte. Die Mutter wusste nicht mehr, ob Blake oder Marlon Brandos Sohn Christian das Kind gezeugt hatte.
Noch ist nicht entscheiden, ob TV-Sender direkt aus dem Gerichtssal berichten dürfen. Zwar garantiert die US-Verfassung öffentliche Prozesse. Geschrieben wurde der betreffende Zusatz jedoch lange vor dem Fernsehen. In Kalifornien ist es Richtern überlassen, ob sie neben schreibenden Journalistinnen und Zeichnern auch Kameras zulassen. Seit O. J. Simpson geben sich Würdenträger bei Aufsehen erregenden Prozessen kamerascheu.
Blakes Verteidiger Harland Braun will die Live-Schaltung verhindern. Ein Medienspektakel würde den Verlauf des Prozesses beeinträchtigen. Anklage wie Verteidigung würden für die Kameras statt die Geschworenen argumentieren. «Zeugen werden ausschweifen und flunkern, damit sie am Fernsehen spannend wirken», sagt er. «Andere haben Angst, überhaupt erst auszusagen.»
Dem widerspricht der zuständige Staatsanwalt, Steve Cooley: «Wir sind der Meinung, Kameras gehören in den Gerichtssaal.» Die Öffentlichkeit habe ein Recht, Strafprozesse zu sehen. Diese Meinung teilt auch John Walsh, Moderator der Sendung «America’s Most Wanted», das US-Pendant zu «Aktenzeichen XY ungelöst …». Gemäss Walsh müssten mehr Amerikaner sehen, wie zuweilen «unfair in amerikanischen Gerichtssälen entschieden wird». Fernsehkameras sorgen angeblich dafür, das Justizsystem gerechter zu machen.
Verbrechen, Sex und Geld
Ein über Monate präsentes Thema: «Mediathon» heisst das Fernsehgenre der besonderen Art.
Die grössten Quotenhits der US-Fernsehgeschichte waren Dianas Tod, das Drama um den Jungen Elían, die Affäre Clinton/ Lewinsky, der Mordprozess gegen O. J. Simpson – und demnächst die Anklage gegen den Schauspieler Robert Blake. Nichts fasziniert das TV-Publikum mehr als Geschichten, die sich monatelang breitwalzen lassen.
Als «Mediathon» – Medien-Marathon – beschreibt der US-Autor Frank Rich das Fernsehgenre treffend. Den Auftakt bildete der Golfkrieg, 1991. Die Wüstenschlacht verdrängte die Seifenopern, CNN gelang endlich der Durchbruch. Erstmals erreichte der Nachrichtensender kontinuierlich gute Quoten. Mittlerweile gibts in den USA drei Stationen, die nonstop News zeigen.
Das Publikum liebt Geschichten, in denen «Seifenopern, der Medienzirkus und Boulevard-Journalismus zu einer Hybris verschmelzen», sagt Rich. Unterhaltung und Information werden zu einem Brei vermischt, der wie ein endloser Wasserfall aufs Publikum prasselt. Die Objekte dieser Geschichte haben dabei meist keine Kontrolle über die Berichterstattung.
Am beliebtesten sind Mediathons, die von Sex, Geld und Verbrechen handeln, am besten mit Darstellern aus Film und TV besetzt. Weil der Sex fehlt, schaffte es etwa der Milliarden-Bankrott des Energieriesen Enron nicht zu Mediathon-Würden – obwohl das Ausmass der Pleite enorm war. Hingegen werden Blake beste Chancen eingeräumt: Sex, Geld, Crime – sein Fall erfüllt alle Kriterien.