Zwei Sammelklagen sind eine schwere Las

Enron-Kläger fordern 28 Milliarden Dollar. Die CSFB soll eine Schlüsselrolle gespielt haben. In zwei Sammelklagen wird der CSFB und acht weiteren Banken im Fall Enron Betrug und Beihilfe zum organisierten Verbrechen vorgeworfen. CASH sichtete die mehrere hundert Seiten umfassenden Klageschriften. Die Forderungen belaufen sich auf 28 Mrd Dollar.

Von Peter Hossli

Laut zwei am Bundesbezirksgericht in Houston eingereichten Sammelklagen war die Credit Suisse First Boston (CSFB) wesentlich daran beteiligt, die Bilanzen von Enron zu fälschen und Verluste zu verstecken, um so die Finanzlage falsch darzustellen. Gleichzeitig empfahl die CSFB die marode Enron-Aktie zum Kauf.

Die CSFB wird zusätzlich unter dem Racketeer Influenced and Corrupt Practices Act (Rico) eingeklagt, dem Gesetz gegen das organisierte Verbrechen. Es sieht Gefängnisstrafen bis zu 20 Jahren vor.

Die Mühe hätten sich die Anwälte sparen sollen, meint man bei der CSFB. «Wir glauben nicht, dass Gründe für eine Klage vorliegen», sagt Sprecher Pen Pendelton bloss.

Er könnte sich täuschen. Die beiden Klagen beschreiben seitenlang und detailliert, wie namentlich genannte Enron-Manager, Banken, Buchhalter und Anwälte auf Kosten von Investoren, Angestellten und Pensionären Millionen eingesackt und falsche Anlagetipps veröffentlich haben. Sie bauten Tochterfirmen auf, um Enrons Verluste zu verstecken.

«Das Enron-Debakel wäre nicht möglich gewesen ohne die willentliche Beihilfe und aktive Teilnahme der herausragendsten Banken an der Wallstreet», heisst es in einer der Klageschriften. Durch die Beteiligung an den Partnerschaften hätten die Banken – einschliesslich der CSFB – über die finanzielle Lage bei Enron Bescheid gewusst, die Informationen aber weder mit Investoren noch Enron-Angestellten geteilt. Zusammen mit J. P. Morgan Chase, Citigroup und CSFB habe Enron riesige Schuldenberge verheimlicht.

Von allen beklagten Banken war gemäss Lynn Sarkos Klageschrift nur die CSFB an sämtlichen Geschäftsbereichen Enrons beteiligt: Herausgabe von Aktien; Schuldenmanagement; Gewährung von Darlehen, damit Enron weiter besteht; Fusionen und Firmenübernahmen. Dadurch hatte sie beste Einsichten in die Finanzlage des Pleitiers. Die CSFB habe diese Informationen absichtlich unterschlagen.

Warum? «Die Banken haben sich an der Verschwörung beteiligt und die wahre finanzielle Situation von Enron verheimlicht, weil sie Millionen von Dollar verdienten», sagt Sarko. Alle Beschuldigten «waren getrieben von der Lust, Kommissionen und Zahlungen zu kassieren, die durch Betrug entstanden».

Die CSFB habe dabei eine besondere Rolle gespielt. «Bei jedem Betrug gibt es einen Geldmann, der die Liquidität für die betrügerischen Aktivitäten zur Verfügung stellte. Bei Enron hat die CSFB geheim die Liquidität zur Verfügung gestellt, um die Transaktionen durchzuführen. Die CSFB war der Mann mit dem Koffer Bargeld.»

Die CSFB hat ausserdem eine Strafklage am Hals

Dieser Vorwurf wird mit etlichen Beispielen untermauert. So habe im Jahr 2000 die CSFB der Enron 150 Millionen Dollar geliehen. Die Buchhaltung habe dies als Aktienverkauf verbucht, faktisch sei es ein Darlehen gewesen. «Die CSFB hat eine wichtige Rolle gespielt, Enron beim Aufbau einer Fassade zu helfen. Währenddessen verfaulte die Firma.»

Die «3500 Partnerschaften», bei denen die CSFB gemäss Klage beteiligt gewesen war, «dienten hauptsächlich dazu, Enrons Schulden zu vertuschen». Im Gegenzug durften die CSFB und deren Manager in Enron-Deckfirmen investieren, laut Klageschrift allein 22,5 Millionen Dollar in die einst hoch profitable Tochterfirma LJM2.

Auch in der Klageschrift von William Lerach spielt die CSFB eine wichtige Rolle. Sie habe «willentlich an betrügerischen Operationen mitgemacht, weil diese Operationen so lange enorme Profite abgeworfen haben, wie sie andauerten». CSFB sei in der «einzigartigen Situation» gewesen, die Sache in Gang zu halten.

Das soll gemäss Lerach ein Spezialistenteam von rund zehn Bankiers besorgt haben, die 1998 zur CS-Tochter Donaldson, Lufkin & Jenrette stiessen. «Die hatten Lösungen parat gehabt für die grössten finanziellen Probleme Enrons.» Nämlich jene Portfolios, die zu wenig Bargeld generierten. Das gelang mit Hilfe falsch deklarierter Darlehen. Sie erweckten den Anschein, Enron erzeuge tatsächlich Cash durch Geschäftstätigkeiten und nicht bloss mittels finanzieller Transaktionen.

Ausdrücklich erwähnt wird Bankier Laurence Nath, der das Team leitete. Er sei der «Chefarchitekt vieler ausgeklügelter «Off-balance-sheet»-Strukturen» gewesen, die Enron-Gewinne vorgaukelten. Regelmässig habe sich Nath mit führenden Enron-Managern getroffen.

Bei einem allfälligen Prozess wird aber auch das Belastungsmaterial eine Rolle spielen, das 30 Beamte des FBI zusammentragen. Sie untersuchen die strafrechtliche Seite des Enron-Skandals. Die Untersuchung umfasst neben den Enron-Managern auch die beteiligten Banken, Anwaltskanzleien und die Treuhandfirma Arthur Andersen. Auch gegen die CSFB laufe eine Strafuntersuchung, bestätigt Lynn Sarko. «Seit der zivilen Rico-Klage ist das Justizdepartement verpflichtet, CSFB ins Visier zu nehmen.»

Die effektive Dimension des Skandals ist nicht abzusehen

Doch auch das sei bloss «die Spitze des Enron-Eisbergs», sagt Sarko. Er erwartet bald zusätzliche Hearings des US-Kongresses. «Vorgeladen werden die Banken», sagt er. Die Anhörungen sollen an den Tag bringen, wer genau wie beteiligt gewesen war und in welchem Umfang vom breit angelegten Betrug profitiert habe.

Er geht von zahlreichen Strafanzeigen gegen Einzelpersonen und Unternehmen aus, CSFB eingeschlossen. «Die Bankiers sind Ziel der Strafuntersuchung», sagt Sarko. Noch sei es zu früh, die Grössenordnung sowie die kriminellen Aspekte aller Machenschaften abzuschätzen. «Enron ist wie eine Zwiebel. Bis jetzt kennen wir erst die äusserste Haut.»

Mafia-Gesetz

Der Racketeer Influenced and Corrupt Practices Act (Rico) stammt aus den Sechzigerjahren. Landläufig als Mafia-Gesetz bekannt, sieht Rico Bussen und Gefängnisstrafen bis zu 20 Jahren vor. Klage erheben können sowohl zivile wie staatliche Anwälte. Im Fall einer Anschuldigung leitet das Justizdepartment eine Untersuchung ein. Ein Aspekt von Rico dürfte für die CSFB besonders heikel werden. Das Gesetz sieht Strafen selbst für Firmen vor, die nicht direkt Verbrechen begingen, aber darin verwickelt waren. Im Übrigen verlangt das Gesetz die Zerschlagung der Geschäftszweige, die zu den Verbrechen führten. Die Rico-Klage fordert so genannte Treble damages. Demnach stünde den Klägern dreimal mehr zu als der effektiv entstandene Schaden. Gelten alle Parteien als schuldig, wird die Summe gleichmässig aufgeteilt; ist nur eine schuldig, trägt sie die ganze Last.