Von Peter Hossli
Zurzeit bereiten US-Anwälte im Fall Enron Zusätze zu ihren bereits eingereichten Schadenersatzklagen vor. Das zuständige Bundesbezirksgericht in Houston hat ihnen eine Frist bis zum 1. April eingeräumt. «CSFB wird dann zu den Beklagten gehören», sagt der Washingtoner Anwalt Eli Gottesdiener. Er vertritt Gläubiger, die wegen des Bankrotts ihre Pensionen verloren haben.
Bisher haben es die Anwälte auf Manager von Enron und auf die Treuhandfirma Andersen abgesehen. Von ihr haben sie 3 Milliarden Dollar gefordert. Andersen soll ein äusserstes Angebot von 750 Millionen Dollar erwägen. Um klar zu machen, dass mehr nicht möglich ist, wurden offenbar gezielt Gerüchte über einen Gang zum Konkursrichter (Chapter 11) in Umlauf gebracht.
Bleibt die CSFB. Nach Angaben der Anwälte gibt es für eine solche Klage zwei Ansatzpunkte: Die lukrativere Klage lautet auf betrügerische Handlungen. Gelingt der Beweis, so können neben dem eigentlichen Schaden auch saftige Strafbussen (punitive damages) geltend gemacht werden. Ob der Nachweis gelingt, hängt allerdings stark davon ab, welche Beweise etwa die Börsenaufsichtskommission und eine Senatskommission zusammentragen. Sollte es Anzeichen für kriminelle Handlungen gegeben haben, könnte der Staatsanwalt Klage einreichen, der man sich dann als Privatkläger anschliessen könnte. Traditionell ist es ausgesprochen schwierig, «white collar crimes» zu belegen.
Zweitens könne man eine Zivilklage auf «fahrlässiges Handeln» anstrengen. Der selbst nicht in den Fall involvierte Anwalt Vincent DiCarlo meint dazu: «Gibt eine Brokerfirma Kaufempfehlungen ab, obwohl Probleme bekannt sind, dann kann sie eingeklagt werden. Die Probleme bei Enron waren bekannt.»
John Coffee, Professor für Wirtschaftsrecht an der Columbia University, sieht es anders: «Analysten von US-Geldinstituten haben gelernt, sich vor Klagen wegen schlechter Investitionstipps zu schützen.» Zudem müssten Kunden oft Klauseln unterschreiben, bei Streitfällen nur aussergerichtliche Verfahren einzuleiten. Dem widerspricht der praxiserfahrene DiCarlo: «Eine Schiedsgerichtsklausel kann Sammelklagen nicht stoppen.» Gerichte würden trotz Klauseln Klagen akzeptieren.
Drittens schliesslich können die Kläger einen aussergerichtlichen Vergleich anstreben – falls die beklagten Grosskonzerne nicht von sich aus auf eine solche Lösung drängen. Damit können Prozesskosten gespart werden. Ausserdem bleiben die Fakten geheim. Vielleicht am wichtigsten: Ohne Entscheid des Gerichts entsteht kein Präzedenzfall, der dieselbe Tätigkeit in Zukunft verhindert.
In der Sache geht es vorerst vor allem um das Verhalten des Managing Director der Aktien-Research-Gruppe der CSFB, Curt Launer. Er hatte Enron noch am 27. November als «strong buy» empfohlen und drei Tage später festgestellt, dass Enrons Bilanzen «keinerlei Rückschlüsse auf deren Kreditwürdigkeit zulassen».
Die Klägeranwälte könnten dies durchaus als nachlässig einstufen. Im Übrigen werden sie prüfen, inwiefern die angebliche Hilfe der CSFB bei den buchhalterischen Mauscheleien von betrügerischer Natur war. Falls sie es war, ist die CSFB haftbar.
Gemäss DiCarlo würde es sogar genügen, wenn die CS negative Informationen über Enron gehabt hat, zumal die CS-Bankiers in die dubiosen Buchhaltungstricks involviert gewesen sein sollen. Es werde in ein paar der 50 Bundesstaaten bestimmt Gerichte geben, «die solche Klagen akzeptieren», vermutet Vincent DiCarlo.