Holocaust-Klagen ermöglicht

Ein Bundesrichter in New York ebnet den Weg für Holocaust-Klagen gegen europäische Versicherungen. Ein Armutszeugnis für jene Kommission, die das hätte verhindern sollen.

Von Peter Hossli

Während der Wirren des Zweiten Weltkriegs gingen hunderttausende von Policen verloren, blieben unbezahlt oder fielen den Ausstellern anheim. Um Sammelklagen und Boykotte abzuwehren, setzten europäische Versicherungen 1998 die International Commission on Holocaust Era Insurance Claims (ICHEIC) unter Leitung des einstigen US-Aussenministers Lawrence Eagleburger ein. Mit der Aussicht auf Rechtsschutz traten ihr «Zürich», «Winterthur», Generali, die deutsche Allianz sowie AXA aus Frankreich bei. Insgesamt 90 Millionen Dollar sagten sie der ICHEIC zu. Die Kommission sollte die Ansprüche der Opfer klären.

Deren Bemühungen erhielten nun einen entscheidenden Dämpfer. Amerikanische Gerichte böten Holocaust-Opfern weit mehr juristische Möglichkeiten als europäische. Insofern seien Klagen gegen Versicherungsgesellschaften in den USA besser aufgehoben. So begründete Bundesrichter Michael Mukasey vergangene Woche seinen Entscheid, zwölf Klagen gegen zwei europäische Versicherer zuzulassen.

Er schmetterte damit ein Begehren der Zurich Life und der italienischen Assicurazioni Generali ab, die Zuständigkeit der US-Gerichte für nichtig zu erklären. Zu teuer und zu langwierig wäre es, die Klagen nach Europa zu transferieren, begründete Mukasey den wegweisenden Entscheid. Dort sei es zudem nicht möglich, Sammelklagen einzureichen, was jene Opfer benachteilige, die noch nichts von ihren ausstehenden Policen wüssten.

Schweizer Versicherungen warten ab

Die Weisung betrifft bloss ein Dutzend Fälle, dürfte als Präzedenz aber schwer wiegende Folgen haben und zusätzliche Klagen ermöglichen. Allein die Zürich-Versicherung und Generali könnten die Sammelklagen über eine Milliarde Dollar kosten, sagt der Anwalt William Shernoff, der sechs Kläger vertritt. Er jedenfalls treibe die Klage mit «aller Kraft» voran.

Die Kommission, obwohl getragen von US-Regierung und jüdischen Organisationen, werde von den Versicherungen bezahlt und könne daher kaum als neutral gelten, schreibt Richter Mukasey in seiner Weisung. «Gerichte sind am besten dazu geeignet, Neutralität und Fairness zu garantieren», sagt Morris Ratner, der sechs Kläger gegen Zurich Life vertritt. Der Prozess sei langsam, aber fair. «Wir hängen uns rein und sind für den langen Kampf bereit», sagt er. Die Versicherungen würden die Fälle «gezielt verzögern» – bis alle Opfer verstorben seien.

«Wir erachten die ICHEIC nach wie vor als geeignet, die Ansprüche der Holocaust-Opfer zu klären», sagt eine Sprecherin von ICHEIC-Mitglied Winterthur Leben. «Wir haben den Entscheid zur Kenntnis genommen», so die Sprecherin der Zurich Financial Services, «alles andere warten wir ab.»