Terroristenkonti wären das Ende

Die USA verstärken den Druck auf das Bankgeheimnis. Allen Beteuerungen der Offiziellen Schweiz zum Trotz: Wenn es um unsaubere Geldtransaktionen geht, steht unser Land am Pranger. Das Bankgeheimnis hat einen immer schwereren Stand.

Von Peter Hossli

Offensichtlich irritierte die heikle Frage den hochrangigen Diplomaten. «Wollen Sie nichts anderes wissen?», fragte der New Yorker Generalkonsul Jacques Reverdin am Dienstag brüsk. Nein, er erwarte von amerikanischer Seite her wegen der Attacken aufs World Trade Center und das Pentagon keinen verstärkten Druck auf das Schweizer Bankgeheimnis. Sollten die Terrorakte tatsächlich über schweizerische Bankkonten finanziert worden sein, «werden wir mit den US-Behörden sehr eng zusammenarbeiten», versicherte Reverdin. Noch sehe er keine direkte Verbindung in die Schweiz. «Unser Land schützt Kriminelle nicht», sagt er.

Nichtsdestotrotz werden in den USA Stimmen laut, die zur Aushöhlung des Bankgeheimnisses führen könnten. So prophezeit etwa die «New York Times», der Druck auf die «übliche Diskretion» der Schweizer Banken werde stark wachsen. Man ergreife jede erdenkliche Massnahme, um den globalen Terrorismus zu bekämpfen, beschwor der US-Staatsanwalt John Ashcroft. Damit brachte er die umfassendste Untersuchung der Geschichte ins Rollen.

Wahrscheinlich mit Schweizer Beteiligung. Bis am Mittwoch lag den Behörden zwar noch kein Rechtshilfegesuch aus den USA vor. Es werde aber bestimmt zu einer Zusammenarbeit mit den USA kommen, sagte der Pressesprecher des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements (EJPD), Folco Galli. Die Mitte der Siebzigerjahre eingerichtete Zentralstelle USA des EJPD stehe in «engem Kontakt» mit US-Beamten.

Auch aus England wird scharf geschossen

Diese Woche forderten zwei US-Senatoren öffentlich, man müsse die Spur des hauptverdächtigen saudi-arabischen Terroristen Osama bin Laden zu Schweizer Banken «genau untersuchen». Und der neue US-Botschafter in Bern, Mercer Reynolds III, kündigte anlässlich einer Rede der Swiss-American Chamber of Commerce an, er werde die finanziellen Verbindungen des internationalen Terrorismus zur Schweiz und Liechtenstein genau prüfen. Auch der britische Schatzkanzler Gordon Brown nutzte am Mittwoch ein Interview mit dem Radiosender BBC als Gelegenheit, den Druck aufs Bankgeheimnis zu erhöhen. Dieses werde ein Gegenstand der Diskussionen beim bevorstehenden Sondergipfel der EU werden. Die Finanzinstitute der Schweiz sowie anderer Länder müssten verdächtige Transaktionen rapportieren, die möglicherweise Aktivitäten von Terroristen beträfen, verlangte er.

Vornehmlich «aus Unkenntnis» wachse in den USA und anderswo der Druck, sagt der Sprecher der Schweizer Bankiervereinigung, Thomas Sutter. Die Diskussion, die jetzt anlaufe, sei «rein polemisch». Amerikaner wie Schweizer wüssten, «das Bankgeheimnis ist weder absolut, noch schützt es irgendwelche Verbrecher». Liege ein Verdacht vor, werde es sofort aufgehoben. Rasch leiste man Rechtshilfe. Unbescholtenen Konto-Inhabern sichert Sutter weiterhin «vollste Diskretion» zu. Kritische Amerikaner will er aufklären. Wer die Fakten kenne, finde keinen Grund, jetzt das Bankgeheimnis abzuschaffen.

Die Schweiz muss offen informieren

Allerdings wird oft unterschätzt, mit welch unerbittlicher Hartnäckigkeit US-Gesetzgeber zuweilen ihre Begehren durchbringen. Während der Holocaust-Debatte sassen Schweizer Banken zu lange auf namenlosen Konten und die Politiker aufs Maul. Das fast stoische Abblocken, gestehen heute Bankiers wie Diplomaten ein, habe die Schweiz unnötigerweise in eine sehr heikle Situation gebracht.

Deshalb ist jetzt eine möglichst offene Informationspolitik gefragt, haftet dem «Swiss bank account» hier zu Lande doch seit Jahrzehnten der Ruf der Unterwelt an. Wer sich US-Filme ansieht oder Kriminalromane liest, weiss: Die Bösen jedweder Herkunft verstecken ihre dubiosen Vermögen in Genf oder Zürich. Auch Drogengelder werden im amerikanischen Bewusstsein ausschliesslich in der Alpenrepublik gewaschen. Obwohl dies bei weitem nicht der Realität entspricht – Schweizer Banken werden in der amerikanischen Öffentlichkeit nach kriminellen Handlungen stets zuallererst verdächtigt. Geradezu katastrophal wäre das Imageproblem der schweizerischen Bankindustrie, sollten sich die kursierenden Vermutungen wirklich bewahrheiten.

Seit einiger Zeit bringen US-Medien Schweizer Banken mit Bin Laden in Verbindung. Gemäss eines im August 1998 veröffentlichten, gründlich recherchierten Artikels des Magazins «Christian Science Monitor» hat Bin Laden sein Geld auf «zahlreichen europäischen und arabischen» Banken und Geschäften versteckt.

Im Dezember 1999 wurde der Algerier Ahmed Ressam verhaftet. Er hatte vorgehabt, während des Jahrtausendwechsels in den USA Bombenanschläge zu verüben. Laut dem Geheimdienst des amerikanischen Transportministeriums fanden die Behörden in Ressams Wohnung eine Agenda einer Schweizer Bank, in der unter anderen die Adresse von Abu Zubaida in Peshawar in Pakistan aufgeführt war. Zubaida gilt als führendes Mitglied in Bin Ladens Organisation.

Zum Glück für die Schweiz – und allen dubiosen Geschäften der Taqwa Management AG in Lugano zum Trotz – führt die zurzeit heisseste finanzielle Spur nach New Jersey. Von dort aus sei das Geld an die Flugzeugentführer transferiert worden.