Gelbhelme zum Schutz der Uno

Das Hauptquartier der Vereinten Nationen muss total saniert werden - das Nicht-Mitglied Schweiz soll helfen. Die Uno muss dringendst den maroden New Yorker Hauptsitz sanieren. Die Renovation der 39 Stockwerke hohen Ruine kostet fast zwei Milliarden Franken. Die Schweiz soll helfen, sie möglichst wirtschaftlich umzusetzen.

Von Peter Hossli

Grünlich schimmert das modernistische Hauptquartier der Vereinten Nationen am New Yorker East River. Es ist ein unverkennbarer Prachtsbau von weitem, ein architektonisches Symbol für weltweite Völkerverständigung. 1952 fertiggestellt, ist das Gebäude heute täglicher Arbeitsplatz für über 6000 Menschen. Wer genauer hinschaut, erkennt jedoch eine triste Ruine, in der das Arbeiten gesetzlich untersagt sein sollte. Der Aufenthalt im Haus ist viel zu gefährlich.

Das baufällige Gebäude bereitet in Bern und in New York Bauchschmerzen. Fast eine Milliarde Dollar – rund 1,8 Milliarden Franken – kostet dessen Renovation. Auf den ersten Blick ist das eine happige Summe für eine finanzschwache Organisation, deren jährliches Budget gerade mal 3,35 Milliarden Dollar beträgt. Der Betrag könnte in der sicherlich emotional geführten Abstimmungsdebatte um den Uno-Beitritt der Schweiz «verdreht und falsch interpretiert werden», sagt Botschaftsrat Julius Anderegg, der sich bei der ständigen Beobachtermission der Schweiz an der Uno mit finanz- und sozialpolitischen Fragen beschäftigt. Denn, betont Diplomat Anderegg, bei einer zinslosen Finanzierung über 25 Jahre würde die Sanierung die Staatengemeinschaft jährlich bloss 39 Millionen Dollar kosten.

Fest steht, dass die Erneuerung des Gebäudes unabdingbar ist. Die Uno vernachlässigte allzu lange ordentliche Unterhaltsarbeiten. Geld für Frieden erhaltende Truppeneinsätze schien ihr vorrangiger als für Spengler und Elektriker. Deshalb lecken die Dächer. Abflussrohre rosten. Feuermelder und Sprinkler fehlen. Lifte knarren. Asbest und elektromagnetische Felder gefährden die Angestellten. Manche klagen über stete Übelkeit und Kopfweh. Ersatzteile für veraltete Rolltreppen fehlen so sehr wie Büros. Die elf Architekten – darunter der Neuenburger Le Corbusier – konzipierten ursprünglich ein Haus für 70 Mitgliedstaaten, inzwischen sind es 189.

10 Millionen Dollar jährlich allein für Energieaufwand

Rollstuhlfahrer finden keine Rampen. Drückt der Abwart den Heizungsknopf, wird es erst 48 Stunden später warm. Genauso lange braucht die Klimaanlage an schwülen Sommertagen, um die Räume abzukühlen. Unaufhörlich wird von Oktober bis April geheizt und von Mai bis September gekühlt. Jährlich kostet das zehn Millionen Dollar. Der Energieverschleiss der Uno liegt ein Drittel über dem New Yorker Durchschnitt. Unterläge die Uno-Zentrale nicht diplomatischer Immunität, würden sie die lokalen Bauverwalter wohl schliessen müssen.

Generalsekretär Kofi Annan will deshalb rasch handeln. Sein Finanzexperte, Unter-Generalsekretär Joseph Connor, erarbeitete dazu drei Vorschläge, wobei der erste – vorerst nichts tun und bloss zu reagieren – längerfristig der teuerste wäre. Zurzeit favorisiert Annan jene Variante, bei der das Gebäude während sechs Jahren schrittweise erneuert wird. So falle das Verhältnis zwischen Baubehinderung und Kosteneinsparungen optimal aus, und die Uno käme für 964 Millionen Dollar zu einer Totalrenovation. Überdies reduzierten sich die Energiekosten beachtlich. Profitieren könnte auch die Schweiz. So prüfen Uno-Beamte, ob die Generalversammlung und einzelne Abteilungen während zweier Jahre nach Genf verlegt werden könnten.

Wer vom Standort profitiert, soll die Rechnung begleichen

Doch wer bezahlt die Sanierung? Die Uno-Kasse ist leer. Der Ball liege beim Gastgeberland, sagen die wichtigsten vierzehn Beitragszahler, zu denen auch die Schweiz gehört. Schliesslich bringe die Präsenz der Weltorganisation allein der New Yorker Wirtschaft jährlich drei Milliarden Dollar ein. Betriebswirtschaftlich sinnvoll sei ein hauptsächlich amerikanisch finanziertes, während 25 Jahren laufendes und zinsloses Darlehen – nach Schweizer Vorbild.

Das Finanzierungsmodell von Genf als Vorbild

Regelmässig trifft sich der Schweizer Botschaftsrat Anderegg mit Beamten des General Accounting Office (GAO), der Kontrollstelle des US-Kongresses. Das GAO sei am Genfer Modell sehr interessiert, sagt Anderegg. In der nach New York wichtigsten Uno-Stadt hat die Eidgenossenschaft der Weltorganisation seit den Fünfzigerjahren insgesamt 886 Millionen Franken zinslose Baukredite gewährt. Den Unterhalt trägt die Uno selbst. Das Resultat der typisch schweizerischen Finanzierung: Die Gebäude in Genf sind in hervorragender Verfassung, die Kosten für die Uno bleiben gering. Und in die Genfer Wirtschaft fliessen dank der Uno-Präsenz jährlich rund drei Milliarden Franken. Alle haben etwas davon. Nun soll in New York genauso verfahren werden.

Die USA tragen zumindest Mitschuld am peinlichen Verfall des prachtvollen Gebäudes. Seit Präsident Ronald Reagan Mitte der Achtzigerjahre die amerikanischen Uno-Zahlungen – heute 22 Prozent des Budgets – neun Monate lang ausgesetzt hat, mangelt es der Weltorganisation ständig an Barem. Im Übrigen gerieten die USA in den Neunzigern oft in Zahlungsrückstand.

Dabei hatte Amerika die Uno nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs mit einem zinslosen Baukredit nach New York gelockt. Die damaligen Kosten beliefen sich auf 65 Millionen Dollar, was der Inflation angepasst 449 Millionen entspricht. Generös schenkte damals die wohlhabende Familie Rockefeller der Uno das Bauland.

Finden die Vereinten Nationen kein Geld, bliebe als fünfte Variante noch der Auszug aus New York. So hat die deutsche Regierung angeboten, den Hauptsitz nach Bonn zu verlegen. Unlängst diskutierte die «New York Times» die Idee, auf der Manhattan vorgelagerten und jahrelang ungenutzten Governors Island eine neue Zentrale für die Weltorganisation zu errichten. Zumal Abriss und Neubau gleich viel kosten würden wie eine Totalrenovation des bestehenden Gebäudes.

Garantiert wäre der Aufschrei besorgter Kunstfreunde, enorm der architektonische Verlust des Hauptquartiers.

Kostenvoranschlag
Derzeit prüft die Uno folgende Varianten für die Sanierung ihres baufälligen Hauptquartiers: · Es wird nur auf Probleme reagiert. Das würde die Uno in 25 Jahren mitsamt Energieaufwand 1,644 Milliarden Dollar kosten. · Totalrenovation innert 3 Jahren. Das kostet mit dem Energieverbrauch 1,176 Milliarden Dollar. Die Probleme wären vor allem logistischer Natur, weil vorübergehend zusätzliche Büros gemietet werden müssten. · Totalrenovation innert 6 Jahren. Das kostet 964 Millionen Dollar. Die Energiekosten könnten massiv reduziert werden. Generalsekretär Kofi Annan favorisiert diese Variante. Der Entscheid soll nächstes Jahr fallen. �